2009/12/10

Alle Jahre wieder kurz vor Weihnachten

Wo tagt heuer die Jährliche Konferenz? – In Mosambik ist die Frage schnell beantwortet. War sie im letzten Jahr in Chicuque zu Gast, ist sie es in diesem Jahr in Cambine. Es gibt nur zwei Konferenzgemeinden. Und wann tagt die Konferenz? Auch das ist klar: entweder zwischen ersten und zweiten Advent oder zwischen dem zweiten und dritten.

Am Tag der Anreise herrscht auf der Piste nach Cambine reger Verkehr. Nicht nur Chapas trifft man, auch Busse und Lastwagen. Die Delegierten reisen nicht einzeln an. Sie kommen in Gruppen aus ihren jeweiligen Distrikten. Und sie reisen auch nicht ohne Begleitung an, denn irgendwer muss für die Delegierten ja auch sorgen. Eine gemeinsame Konferenzverpflegung gibt es nicht. Deshalb befinden sich im Gepäck der Delegierten nicht in erster Linie Konferenz-, sondern eher Schlafunterlagen, große Kochtöpfe, Brennholz und Lebensmittel... Auf dem Dach eines Kleinbusses, hinter dem ich fuhr, war eine Ziege angebunden. Ein Distrikt reiste gar mit einem lebenden Ochsen an. Den stifteten sie für die Verpflegung der Delegierten. Noch lebt das Tier, soweit ich weiß. Aber am Sonnabend, wenn wir das 30. Jubiläum der Frauenordination feiern, wird es wohl Rindfleisch geben.

Im Konferenzprogramm steht: Mittwoch, 16:30 Uhr, Eröffnungsgottesdienst. Da aber längst nicht jeder ein solches Blatt in Händen hat, wird immer wieder gefragt: Wann geht’s denn eigentlich los? Naja, bekam ich zur Antwort, das hängt auch davon ab, wann denn die Leute so ankommen.


Konferenzdelegierte in der Kirche von Cambine

Das ist für mich vielleicht das Befremdendste an der Art, wie hier „die Konferenz“ stattfindet. Vieles ist improvisiert und manches eröffnet dann in der Durchführung durchaus Möglichkeiten, es das nächste Mal besser vorzubereiten. Andererseits weiß tatsächlich keiner, ob die Mehrzahl der Konferenzdelegierten pünktlich anreisen wird. Es kann schon sein, dass ein Reisebus nicht zu der Zeit abfährt, die im Plan steht, sondern erst wenn genügend Fahrgäste da sind. Dann kommt er eben auch später an, na und?


Frischer Wind tut gut - auch in der Kirche -
besonders bei afrikanischen Temperaturen.

Heute sind es gut und gerne 35 Grad im Schatten. Das bedeutet: Nicht nur die Debatten sind heiß. Auch die Delegierten schwitzen. Nicht nur den aus den USA angereisten Gästen und uns Europäern, auch den Afrikanern steht der Schweiß auf der Stirn. Viele sind trotzdem feierlich gekleidet: die Männer mit Anzug, weißem Hemd, Krawatte, im typisch rot-weißen Kostüm die methodistischen Frauen. Manche tragen auch für den Anlass extra bedruckte Polohemden. Eine junge Pastorin, die im vergangenen Jahr ihre erste Dienstzuweisung erhalten hat, fragte ich, was denn der in Xitswa geschriebene Satz auf ihrem Rücken bedeuten würde. Sie lächelte etwas verlegen, dann übersetzte sie mir: „Superintendent Rodrigo, wir lieben dich von Herzen!“

Tagen wird die Konferenz bis Sonntag. Dann wird die versammelte Gemeinde den Abschlussgottesdienst feiern und Bischöfin Joaquina wird die Predigt halten. Die Kollekte wird nacheinander Distrikt für Distrikt gesammelt werden. Sie wird sich auf 112.381 Meticais belaufen. Das steht schon mal fest. Möglicherweise werden es auch mehr sein. Die genannte Summe markiert nur das Ziel, das es zu erreichen und zu überbieten gilt. Und mit viel Gesang und Tanz wird es der Gemeinde wohl auch gelingen.



Die Evangelisch-methodistische Kirche in Mosambik befindet sich in einer schwierigen Phase des Umbruchs. Es gibt Probleme im Miteinander, an manchen Stellen mangelt es an Transparenz und viele hauptamtlich Angestellte der Kirche, auch Pastoren und Pastorinnen, haben seit Monaten kein Gehalt bezogen. Möge es den Konferenzdelegierten gelingen, in einer konstruktiven und geistlichen Atmosphäre Entscheidungen zu treffen, die geeignet sind, die anstehenden Fragen zu lösen: Herr, erneuere deine Kirche – und fange bei mir an!

2009/11/28

Es ist uns eine Zeit angekommen...

Heute Nachmittag hat uns Sevelito besucht. Sevelito lebt im Waisenhaus Cambine, seit es das Waisenhaus gibt. Sevelito ist ein freundlicher Mensch, von großem, schlankem Körperbau. Wer ihn kennt, weiß: Sevelito hat viel Kraft. Und: Sevelito kann gut essen. Und das kann er auch durchaus zum Ausdruck bringen. Doch gerade das ist sein Problem: Mit Worten kann er sich nicht ausdrücken. Im Krieg war er irgendwie übriggeblieben. Jemand hat ihn als Kind regelrecht weggeworfen. Man fand ihn in einem Papierkorb. Sprechen hat er nie gelernt. Auch Lesen und Schreiben kann er fast gar nicht. – Was geht in einem Menschen vor, der geistig und körperlich gesund ist, sich aber trotzdem kaum einem Menschen verständlich machen kann? Ich weiß es nicht. Denn auch ich verstehe ihn kaum.

Heute nahm er ein Buch aus dem Regal und las. Ein Murmeln kam von seinen Lippen. Das Buch war in deutscher Sprache. Er konnte es nicht lesen und las. Dann legte er das Buch beiseite und blickte mich an. Er wollte mir was sagen. Doch Worte kamen ihm nicht von den Lippen. Er stand auf, breitete die Arme aus, stellte einen Fuß vor den anderen: Christus. Dann neigte er den Kopf und legte die Hände aneinander. Beten. – Zu Jesus? Ja, klar zu Jesus. – Er nahm wieder das Buch die Hand und las, was er nicht lesen konnte.

Was wollte er mir sagen? Ich habe schon oft zu Jesus gebetet, dass ich endlich Lesen lernen könnte... Vielleicht wollte er mir sagen, ich weiß es nicht. Es ist jedenfalls das, was ich verstanden habe. Es ist Sonnabend vor dem 1. Advent. Und Sevelito wird mir zu einem Sinnbild der Sehnsucht. Wenn ich ihn morgen im Gottesdienst treffe, werde ich ihn umarmen.

2009/11/25

Immer wieder dasselbe Thema

Gestern lasen wir in der Herrnhuter Losung 5. Mose 15,7:
„Du sollst dein Herz nicht verhärten und deine Hand nicht zuhalten
gegenüber deinem armen Bruder.“
Claudia sagt: Man liest das anders, wenn man in Afrika ist. Ich widerspreche ihr nicht. Doch ist es wirklich so? Auch in Deutschland wächst das Armutsproblem.
Wir hören und lesen davon.
Doch eines ist für mich tatsächlich anders hier in Afrika: Die allgemeine Armut rückt mir näher. Ich will das nicht. Es ist mir unangenehm. Doch ich kann es nicht ändern, sie rückt mir auf den Leib.
In Deutschland war für mich ein Wort wie das aus 5. Mose 15 eher ein allgemeiner Appell, den ich gerne weitergab. Inzwischen verbinde ich Gefühle damit. Ich spüre, wie das ist, wenn mir das Herz hart werden will, wenn meine Hand verkrampft.
Es stört mich, wenn der junge Mann mit dem Wahlkampf-T-Shirt der Frelimo mich anbettelt. Ich ärgere mich über das, was da steht: Mit Guebuza besiegen wir die Armut. Ja, sage ich zu ihm, Guebuza hat seine Armut ja schon besiegt. Warum kann er euch nicht helfen? – Noch im gleichen Moment denke: Du bist ungerecht! Was kann der Junge dafür? Der hat wahrscheinlich wirklich einfach Hunger... Oder will er vielleicht doch nur ein leichtes Geld verdienen, weil er denkt: Die Europäer haben’s doch...
Nein, ich kann nicht allen helfen. Nein, ich kann die Armut nicht besiegen. Nicht allein und nicht durch Almosen. Da müssen auch andere in die Pflicht genommen werden. Ohne eine gründliche Revision der Grundlagen unseres wirtschaftlichen und politischen Lebens wird das nicht abgehen. Selbst ehrenwerte Versuche wie die sogenannten „Millenniumsziele“ sind ja nicht mehr als Willensbekundungen mit mehr als zweifelhaften Erfolgsaussichten.
Nein, so naiv bin ich nicht. Ich denke nicht, ich könnte die Welt retten.
Andrerseits: 5 Meticais sind nicht einmal 15 Cent. Und wenn ich jedes Mal, wenn ich in die Stadt fahre, 10 Bettlern oder Trägern je 5 Meticais gäbe, würde mich das arm machen? Nein. Warum also fällt es mir so schwer, es zu tun?

2009/11/20

Andere Länder – andere Sitten?

Da wo unser Mangobaum steht, gab es neulich großes Geschrei. Es war am Nachmittag. Die Kinder aus dem benachbarten Kindergarten kamen ans Fenster. Auf der Straße blieben die Leute blieben stehen. Was war geschehen?

Einer habe ein Schwein gestohlen, hieß es. Er habe es geschlachtet und das Fleisch dann verkauft – auf eigene Rechnung versteht sich. Und dieser eine sei grad an unserem Haus vorbei gelaufen. Und jemand habe ihn erkannt. Und weiter?

Man griff ihn sich, fesselte ihn und verprügelte ihn. Heftig. Auch Studenten und Lehrer des Theologischen Seminars standen dabei. Einige mischten wohl auch mit. Nach einigen Minuten meinte einer von ihnen, es reiche. Genug geprügelt. Der Lärm legte sich. Die Menschen gingen weiter. Die Kinder kehrten an ihre Spiele zurück. Den Geprügelten führte man derweil gefesselt zu der Familie, die er bestohlen hatte. Was dort mit ihm geschah? Ich weiß es nicht.

Andere Länder – andere Sitten. Gilt das auch, wenn es um die Prügelstrafe geht? Um Selbstjustiz? Was, wenn einer mal zu lange schlägt oder zu derb? Aus Versehen. Oder mit Absicht. Weil vielleicht noch eine alte Rechnung offen ist...? Andererseits: Wegen eines gestohlenen Schweines geht hier keiner zur Polizei. Man hat da so seine Erfahrungen. Die Polizei tritt erst bei schwereren Delikten in Aktion. Mit Diebstählen beschäftigen die sich nur, wenn bei den „Richtigen“ eingebrochen wird, heißt es.

Die einfachen Leute in ihren Hütten ohne sichere Schlösser - was bleibt ihnen anderes übrig, als Selbstjustiz zu üben? Bei aller damit verbundenen Problematik. Nichts tun wäre Ermutigung zu weiteren Diebstählen. In aller Öffentlichkeit Prügel zu beziehen, das vergisst man dagegen nicht so schnell. Weder als Dieb, noch als Zuschauer.

Alles, was Recht ist? - In Ländern wie Mosambik versteht man darunter etwas anderes als in Europa.

2009/11/07

Unfaire Wahlen in Mosambik

Nach den am 28. Oktober stattgefundenen Parlamentswahlen in Mosambik deutet alles darauf hin, dass die seit 1975 herrschende FRELIMO wieder gewonnen hat. Von einer Muster-Demokratie ist Mosambik inzwischen weit entfernt, meint Johannes Beck in seinem Kommentar auf der Webseite der Deutschen Welle dw-world.

Perle der Entwicklungszusammenarbeit am Indischen Ozean, Musterland der Demokratie, afrikanische Erfolgsgeschichte. An Lob für gute Regierungsführung und Demokratie in Mosambik mangelte es in der Vergangenheit nicht, egal ob seitens Weltbank, EU oder der deutschen Regierung.
Doch seit den Wahlen vom 28. Oktober ist Lob definitiv fehl am Platz. Auch wenn die Wahlen gut organisiert waren und weitgehend reibungslos verliefen, so weist der Wahlprozess doch gravierende Mängel auf.
Von den Wahlen ausgeschlossen
Gröbstes Foul war, dass die Wahlkommission die neue, dritte Kraft des Landes, die Demokratische Bewegung Mosambiks MDM (Movimento Democrático de Moçambique), von 9 der 13 Wahlbezirke des Landes ausgeschlossen hat. Damit ging sie von Anfang an chancenlos ins Rennen. Auch eine Reihe anderer, kleinerer Parteien durfte nicht an den Wahlen teilnehmen.
Die Wahlkommission begründete ihre Entscheidung damit, es hätten Dokumente der Kandidaten wie ein polizeiliches Führungszeugnis gefehlt. Doch während die Wahlkommission gegenüber dem MDM darauf bestand, dass die Vorschriften genau einzuhalten seien, hielt sie sich selbst nicht daran. So räumte die Wahlkommission dem MDM keine Frist ein, um die fehlenden Dokumente nachzureichen oder Ersatz-Kandidaten aufzustellen. Damit hat die Wahlkommission gegen geltendes Recht verstoßen. Detailliert begründet hat sie ihre Entscheidungen ebenfalls nicht, wichtige Dokumente konnten bis heute nicht eingesehen werden.
In die Wahlkampfkasse gewirtschaftet
Nicht nur deshalb waren die Wahlen an diesem Mittwoch unfair. So haben sich die Kandidaten der FRELIMO schamlos an staatlichen Ressourcen bedient: Regelmäßig wurden beispielsweise Dienstwagen der staatlichen Verwaltung für Wahlkampfauftritte verwendet.
Dass die öffentliche Verwaltung Mosambiks und die FRELIMO-Partei immer weniger zu unterscheiden sind, ist nicht neu. Die Beamten des Landes werden seit Beginn der ersten Amtszeit von Präsident Armando Guebuza im Jahr 2004 massiv unter Druck gesetzt, der FRELIMO beizutreten. Wichtige Posten in der öffentlichen Verwaltung vergibt die FRELIMO unter sich, unabhängige Fachleute bekommen so gut wie nie eine Chance.
Das Ausland muss reagieren
Zeit für die Geber zu handeln, um ein klares Zeichen für mehr Demokratie zu setzen. Meiner Meinung nach sollte die deutsche Bundesregierung ihre direkten Zahlungen an den Staatshaushalt Mosambiks, die sogenannte Budgethilfe, ganz einstellen oder zumindest in einem ersten Schritt drastisch kürzen. Schließlich verlangt die deutsche Regierung als Voraussetzung für Budgethilfe eine gute Regierungsführung und Respekt vor demokratischen Spielregeln.
Das wäre ein deutliches und für die Regierung Mosambiks sehr schmerzhaftes Zeichen. Denn mehr als die Hälfte des Staatshaushaltes sind Hilfsgelder. Parallel dazu könnte die direkte Förderung von Projekten in Mosambik weiterlaufen. Hier lässt es sich weit besser kontrollieren wie die Gelder ausgegeben werden.
Noch gibt es Chancen die Demokratie in Mosambik zu retten. Doch dazu müssen jetzt die Geberländer der regierenden FRELIMO deutlich machen, dass sie ihren Kurs ändern muss. Unfaire Wahlen wie diese dürfen sich nicht wiederholen.


Persönliche Anmerkung: Klar, unfaire Wahlen wie diese dürfen sich nicht wiederholen. Aber bis wieder gewählt werden wird, vergehen Jahre. Bereits innerhalb dieser Legislaturperiode muss eine Verbesserung der Situation erkennbar werden, nicht erst an deren Ende!

2009/11/06

Traurig und trocken


sieht es seit Wochen auf den Feldern rund um Cambine aus. Besonders der Mais ist von der Trockenheit betroffen. Für die Studierenden am Theologischen Seminar ist das besonders schlecht, weil es gerade in diesem Herbst wiederholt Schwierigkeiten mit der Auszahlung des ohnehin nicht reichlichen Stipendiums gab. Über Wochen hatten sie wenig oder nichts zu essen. Besonders ärgerlich ist das, weil der Grund schlicht ein verwasltungstechnischer war. Ihn zu beheben dauerte Wochen. Als dann endlich gezahlt worden war, war das erhaltene Geld schnell weg, weil ja aufgelaufene Schulden beglichen werden mussten. Inzwischen warten die Studenten erneut auf das Stipendium, das seit dem 20. Oktober überfällig ist.

Entwicklungshelfer fürchten Kürzungen

Unter dieser Unterschrift fand ich in Ausgabe 37 der ZEIT (3. September 2009) folgende kleine Notiz:

Entwicklungshelfer warnen vor einer Kürzung der Hilfsbudgets infolge der Finanzkrise. »Nach der Asienkrise in den neunziger Jahren stieg die Kindersterblichkeit erheblich an«, warnt Susanne Weber-Mosdorf von der Weltgesundheitsorganisation. Die Leiterin des Brüsseler Büros begründet die gestiegene Mortalität mit Sparmaßnahmen bei der Entwicklungshilfe und fürchtet jetzt eine Wiederholung. Österreich beispielsweise kürzte den Etat 2008 um 130 Millionen Dollar. Pro Kopf und aufs Jahr gerechnet, zahlt Österreich mit 201 Dollar allerdings noch 42 Dollar mehr an Entwicklungshilfe als Deutschland. Nach Berechnungen von Nichtregierungsorganisationen ist Luxemburg mit 834 Dollar Entwicklungshilfe je Einwohner Spitzenreiter, Bulgarien mit drei Dollar Schlusslicht.
Zählt man alle EU-Länder zusammen, dann legte deren Anteil an den weltweiten Spenden zu. Sechs von zehn Euro für Hilfsprojekte in Afrika, Asien und Südamerika stammen aus der EU. Im vergangenen Jahr stieg das Budget um 600 Millionen Dollar, während die USA den gleichen Betrag kürzten. Ich verstehe nicht, dass manche Staaten ihre Budgets zusammenstreichen«, sagt die liberale EU-Parlamentarierin Sophie in't Veld: »Wenn sich die afrikanischen Länder entwickeln, haben wir Handelspartner und Absatzmärkte. Helfen wir nicht, verschärfen wir nur den Migrationsdruck.«

2009/10/14

Bleibt alles anders

Seit unserem letzten Blogeintrag ist wahrlich schon wieder viel Zeit ins Land gegangen. Unsere Rückreise nach Maputo verlief ohne Probleme und auch die 500km von Maputo bis Cambine hatten keine unangenehmen Überraschungen für uns bereit. Wir sind jedes Mal von Herzen dankbar, wenn wir wohlbehalten in Cambine angekommen sind. Auch gab es keine schlechten Nachrichten unser Haus betreffend. Elischa, der zur Zeit als Praktikant bei uns wohnt, hat es gut bewacht und so hatten mögliche Einbrecher keine Chance.

Bei Thomas ist wieder Alltag eingekehrt, bei mir (Claudia) nicht. Deshalb bin ich es auch, die heute diese Zeilen schreibt. Einige wissen es schon, aber die meisten wohl noch nicht: Seit meiner Rückkehr aus Lissabon arbeite ich nicht mehr im Gesundheitszentrum, sondern im Waisenhaus.

Viele werden jetzt verwundert fragen: Warum denn das? Was macht eine Krankenschwester im Waisenhaus? Ich denke, da muss ich ein bisschen länger ausholen und Rückblick halten: Die Situation im Gesundheitszentrum war die, dass es für mich keine extra Stelle gab. Auch gab es seitens der Leitung nicht wirklich eine Einführung, von einer Jobdescription ganz zu schweigen. Also hab ich mir meine Arbeit mehr oder weniger selbst gesucht und die erste Zeit im Behandlungszimmer gearbeitet, später dann in der Apotheke. Je mehr und je besser ich die Arbeit beherrschte, um so mehr haben sich meine Kolleginnen, die auch auf dieser Stelle arbeiten, zurückgelehnt. Ich denke, ich brauche das nicht näher zu beschreiben. Das hat mich oft ziemlich geärgert.

Ein anderes Problem kommt noch hinzu. Hauptsächlich die älteren Leute hier in Cambine sprechen kein Portugiesisch, und ich kein Xitswa, die regionale Sprache. Ich wäre also auf unabsehbare Zeit auch nicht in der Lage gewesen, selbständig zu arbeiten.

Im Juli diesen Jahres hat uns der Missionssekretär der ev.-meth. Kirche in Deutschland, Thomas Kemper, besucht. Und wie das in Deutschland so üblich ist, gab es natürlich auch hier ein Mitarbeitergespräch. Thomas Kemper machte mir den Vorschlag, künftig im Waisenhaus zu arbeiten. Ehrlich gesagt, hatte ich diese Idee auch schon. Dort stand ein Wechsel der Direktorin an, der inzwischen vollzogen ist. In diesem Zusammenhang habe ich von der mosambikanischen Bischöfin den Auftrag erhalten, sozusagen die rechte Hand der neuen Direktorin sein. Meine Aufgabe ist u.a. die Buchhaltung. Das hab ich zwar nicht gelernt, dafür ist sie aber, glaube ich, auch nicht so schwierig wie in Deutschland. Es müssen z.B. von den Gehältern keine Steuern an den Staat abgeführt werden. In unserem Freund Christoph Lasch habe ich einen Berater an der Seite, auch wenn diese Beratung vorerst nur über Mails passieren kann.

Eine weitere Aufgabe besteht darin, dass ich mit meinem „krankenschwesterlichen“ Blick die Kinder im Auge habe und kleinere Sachen selbst behandle, ernstere Erkrankungen möglichst früh erkenne und die nötigen Schritte einleite. Auch das Thema Hygiene wird eine Rolle spielen müssen, und nicht nur die der Kinder.

Das sind so die ersten mündlichen Absprachen mit der zuständigen Pastorin in der Kirchenkanzlei in Maputo. Ich soll noch eine detaillierte Jobdescription bekommen. Na, in dieser Hinsicht bin ich bisschen skeptisch. Mal sehen, wann die in meinen Händen ist. Ich denke, wir müssen auch grundsätzlich über die Arbeit im Waisenhaus nachdenken: Was ist unser Ziel für die Kinder? Welche Werte wollen wir ihnen vermitteln? Es genügt ja nicht, sie nur satt zu machen, obwohl das schon ein erster wichtiger Schritt ist. Ich bin gespannt, wie sich die Dinge entwickeln werden und hoffe sehr, dass ich dort meinen Platz finden werde. Es wäre schön, wenn Ihr, die Ihr das wollt und könnt, diese neue Situation in Eure Gebete mit aufnehmen würdet.


Claudia (links) mit Dona Maravilha (rechts), der neuen Direktorin, und einigen Jugendlichen des Waisenhauses beim Brennholzholen im Busch nahe Cambine

2009/10/02

Wer die Wahl hat

In Deutschland und Portugal wurde letztes Wochenende gewählt. Wie auch immer man den Ausgang der Wahlen beurteilen mag, man kann davon ausgehen, dass im Wahlkampf und bei der Auszählung der Stimmen alles regelgerecht verlief.

In Mosambik werden im November Wahlen stattfinden. Ob auch dann alles fair und transparent verlaufen wird? Es gibt Stimmen, die das bezweifeln. Zum Beispiel erschien in der Wochenzeitung SAVANA am 18. September 2009 ein drastischer Kommentar von Machada da Graca. Ich gebe ihn in der Übersetzung von Judith Christner (kkm) wieder, von mir leicht überarbeitet und gekürzt.

"Angesichts der aktuellen Situation des Wahlprozesses gibt es etwas, wofür wir uns schon jetzt bei der nationalen Wahlkommission bedanken können: Sie haben uns die Hoffnung erspart. Normalerweise müssen Beobachter und Kommentatoren dieser Art von Ereignissen das Ende der Wahl und das Auszählen der Stimmen abwarten um sagen zu können, ob der Prozess frei, gerecht und transparent gewesen ist. Dieses Jahr hat sich das als überflüssig herausgestellt. Wir können schon jetzt, anderthalb Monate vor der Wahl behaupten, dass die Wahlen 2009 weder frei, noch gerecht noch transparent sein werden. Bleibt nur noch zu beobachten, bis zu welchem Punkt die Zuwiderhandlungen gehen werden.
Im Verhältnis zu den ersten Tagen der Wahlkampagne ist die Zahl der mehr oder weniger gewalttätigen Vorfälle beunruhigend. In ihrer Mehrheit wurden sie von Anhängern der Frelimo durchgeführt. Und meistens ist die Polizei nicht eingeschritten.
...
Aber wir haben verschiedene andere polizeiliche Aktionen zu verzeichnen: In Moma muss sich ein Bürger vor den Behörden rechtfertigen, weil er ein Plakat der Frelimo, das an der Eingangstür seines Hauses angebracht war, entfernt hat. Klar, dass er in diesem Fall sofort die Härte des Gesetzes zu spüren bekam…
....
Frei, gerecht, transparent? Warten wir ab, was passieren wird in Hinsicht auf die Berufung der verschiedenen Parteien zum verfassungsgebenden Rat. Das wird ein weiterer Test sein um zu erfahren, ob wir uns in einem Rechtsstaat befinden oder ob wir zurückgehen in eine Situation, in der die verschiedenen Institutionen nur der Arm einer einzigen, einer Einheits-Macht waren. Der Einparteienstaat.

... der verfassungsgebende Rat unter Leitung von Rui Baltazar hat uns an eine Position relativer Unabhängigkeit von der politischen Macht gewöhnt. Mit Entscheidungen, die häufig unbequem für die Exekutive der Frelimo waren. Warten wir ab, ob sich die neu Gewählten dieser Erbschaft gewachsen zeigen werden. Wenn das nicht passiert, finden wir uns in der von Dante beschriebenen Situation an der Tür zur Hölle wieder, die besagt: „Ihr, die Ihr eintretet, lasst alle Hoffnung draußen.“ Eine Hölle, von außen in fröhlichen Farben angemalt um zu verbergen, was sich tatsächlich im Inneren abspielt. Alles Gerede darüber, Mosambik sei ein Beispiel von Toleranz und Demokratie in Afrika stehen dieser Tage auf dem Spiel."

2009/09/27

Gibt es Wichtigeres als Grammatik?

Fragt ihr euch, warum wir im Blog so lange nichts geschrieben haben? Die Antwort ist ganz einfach: Wir hatten anderes zu tun... – Anderes zu tun? Wahrscheinlich denkt ihr: Die waren jeden Tag in der Stadt, trafen dort interessante Leute, tranken mit ihnen Kaffee und ansonsten genossen sie die Sonne. – Stimmt! So war es. Trotzdem: Das ist nur die halbe Wahrheit.

Die andere Hälfte ist die: Jeden Früh halb neun fuhren wir mit der Metro bis zur Haltestelle Cidade Universitaria (Universitätsstadt). Dort trafen wir unsere Mitstudierenden, jüngere und ältere Leute aus den unterschiedlichsten Nationalitäten zwischen Sibirien und Kalifornien, zwischen China und Schottland. Mit ihnen verbrachten wir täglich vier Stunden intensiven Unterricht und in der Pause tranken wir gemeinsam Kaffee. Und für den Nachmittag hatten uns unsere Lehrerinnen reichlich mit „T.P.C.“ versehen. Das ist keine Krankheit, sondern die im Portugiesischen übliche Abkürzung für „trabalho para casa“ – Hausaufgaben.

Und damit ihr einen kleinen aber lebendigen Eindruck von dem bekommt, was wir so getrieben haben, erlaube ich mir, euch auch eine T.P.C. zu geben, nur fünf kleine Aufgaben – auf Deutsch natürlich!

1. Wie lautet das Verb „gehen“ in der 1. Person Mehrzahl im Konjunktiv Futur II?
2. Wie lautet der Satz „Sie schreibt den Brief.“ im Zustandspassiv Plusquamperfekt?
3. Bitte setzen Sie den folgenden Dialog – ohne den Sinn zu verändern - in die indirekte Rede!

Anna: Bernd, gib mir bitte das Buch, das ich auf dem Tisch liegen ließ.
Bernd: Ich sehe dort aber kein Buch. Vielleicht hast du es an anderer Stelle liegen lassen.
Anna: Wenn du richtig suchen würdest, würdest du es finden. Ich glaube, es ist unter der Zeitschrift, die du gelesen hast.
Bernd: Es wäre leichter, du würdest dich vom Sofa erheben und selber suchen kommen. Sei nicht so bequem!

4. Warum heißt es „Die Bank steht neben dem Haus.“, aber „Sie stellten die Bank neben das Haus.“?
5. Erklären Sie einem Fremdsprachler den Unterschied der beiden für ihn nahezu gleich klingenden Worte „Gustav“ und „Gasthof“.

Alles klar? – Genug für heute. Muss noch lernen. Morgen haben wir Prüfung!

Nur eins noch: Es gibt Wichtigeres als Grammatik! Selbst unsere Lehrerin Anna ist sich darüber mit uns einig. Sie weiß noch nicht, ob sie morgen in der Prüfung wirklich da sein kann. Sie ist hochschwanger und es kann durchaus sein, sie hat morgen wirklich Wichtigeres zu tun als uns zu prüfen...

2009/09/05

Wer die Wahl hat...

hat auch in der portugiesischen Demokratie die Qual der Entscheidung. Dabei ist die Demokratie in Portugal ja noch gar nicht so alt. Erst 1974, in der friedlich verlaufenen "Nelkenrevolution", wurde die seit 1928(!) bestehende Salazar-Diktatur beseitigt.

(Einen interessanten Artikel über diese schillernde Gestalt der portugiesischen Geschichte kann man bei Wikipedia finden: http://de.wikipedia.org/wiki/António_de_Oliveira_Salazar)

Wie in Deutschland finden auch in Portugal am 27. September 2009 Parlamentswahlen statt. Möglicherweise erleichtern die beiden Beipiele von Wahlwerbung, die ich in Lissabon fand, auch deutschen Wählerinnen und Wählern die Entscheidung...

Linksruck in der CDU? Die Partei sucht ihre Wähler offenbar auch im linken Spektrum. Wie anders ist sonst die Verwendung der Symbole Hammer und Sichel zu erklären?

(CDU-Wähler in Portugal wählen allerdings nicht christlich-demokratisch. Die Buchstaben CDU stehen hier für Coligação Democrática Unitária, also die Vereinte Demokratische Koalition, einen Verbund eher linker und grüner Gruppen und Parteien.)



Auch die PSD (Partido Social Democrata) lässt es an Deutlichkeit nicht fehlen: Auch der letzte Wähler soll begreifen, wo er sein Kreuzchen zu machen hat!

2009/09/02

Schulanfang

Schulanfang! Heute morgen um neun trafen wir pünktlich in der „Buchstabenfakultät“ ein. So wird hier die Abteilung der Uni genannt, in der die Sprachen- und Kulturstudiengänge stattfinden. Etwa fünfzig meist jüngere Menschen versammelten sich vor den angeschlagenen Listen. Wo steht denn nun mein Name? Wie haben sie mich eingestuft? Anfänger oder Fortgeschrittener? Und welche MitschülerInnen werde ich bekommen? Fragen, die in uns tatsächlich die Aufregung des ersten Schultags wieder lebendig werden ließen. Wir fanden uns im Mittelfeld wieder, nicht mehr bei den Anfängern und noch nicht bei den Könnern, allerdings in zwei unterschiedlichen Gruppen. Wir sehen das als Chance. Man muss ja nicht alles gemeinsam tun... Unsere KommilitonInnen kommen aus Wales, Kalifornien, Südkorea, Australien, Deutschland, Japan, Kolumbien. Claudia erzählt von einer außerordentlich ehrgeizigen Italienerin. Sie hat bereits den Fortgeschrittenen- Kurs erfolgreich absolviert und wiederholt nun die „Mittel-Klasse“. Alle fragen sich: warum? Die Motive, aus denen sich Menschen zu diesem Sommerkurs anmelden, sind wirklich sehr verschieden. Noch auf dem Flur sprach uns ein älterer japanischer Herr an weil wir Deutsch sprachen. Er wohne seit langem schon in Deutschland, meinte er, aber eigentlich wohne er ja gar nicht in Deutschland, sondern in Bayern. Dann begann er, uns seine Bayrisch-Kenntnisse vorzuführen. Er sei hier nur so zum Spaß dabei, meinte er noch. Dann wurden wir aufgerufen und verschwanden in verschiedenen Klassenzimmern. Gleich in der ersten Stunde schrieben wir einen Test! Da hört der Spaß doch auf, bevor er richtig beginnt, oder? Der Grund allerdings ist einzusehen: Die Ergebnisse werden zeigen, ob wir richtig eingestuft wurden oder nicht. Wir sind gespannt... (...und wissen schon mal, dass wir eine ganze Reihe dummer Fehler gemacht haben, die sich nicht einmal Anfänger leisten sollten. Ob es so was wie einen Senioren-Bonus gibt?)

Einerseits - andererseits

Zwanzig Monate leben wir inzwischen in Mosambik, davon sechzehn auf dem Dorf. Nun kommen wir vom afrikanischen Dorf direkt in eine europäische Großstadt. Es liegt nahe, Eindrücke und Lebensumstände zu vergleichen. Einerseits Cambine, Lissabon andererseits... (Dass auf diese Weise ein rein subjektives Bild entsteht, ist natürlich klar!)

Einerseits sagt man, das Leben in einer Großstadt sei gefährlich, andererseits gibt es auch in Cambine kaum eine Woche ohne Einbrüche und Diebstähle.
Zwar ist Lissabon wirklich eine schöne Stadt und Cambine nur ein Dorf im Busch, doch wohnen wir hier in einem Kellerzimmer und dort in einem schönen Haus.
Beim Blick aus dem Fenster sehen wir hier eine Baustelle und viel Beton. In Cambine blüht vor dem Fenster der Hibiskusstrauch und im Garten stehen zwei Mangobäume.
Die Abende in Europa sind lang und hell und selbst nach Einbruch der Dunkelheit ist die Stadt hell erleuchtet. In Cambine ist es um diese Jahreszeit um 18 Uhr stockdunkel. Selbst im Südsommer ist es nur etwa eine Stunde länger hell. Auch wenn es jetzt in Cambine einige Straßenlampen gibt, sehen wir dort einen unvergleichlich schönen Sternhimmel!
In Lissabon sehen wir tausende Geschäfte, die wir nur selten betreten, weil wir das, was dort verkauft wird, nicht brauchen, bezahlen oder mitnehmen können. In Cambine ist (für uns!) alles bezahlbar und es gibt auch nur die 1000 kleinen Dinge, die wir zum Leben so brauchen. (Vielleicht sind es auch nur hundert...)
Für einen Euro bekommen wir hier fünf Brötchen, in Cambine fast viermal so viele.
Alte Straßenbahnen stellen in Lissabon eine Touristenattraktion dar. Die Pickup-Taxis von Cambine sind zwar auch alt, attraktiv aber keineswegs.
Die günstige Monatskarte für Metro, Bus und Straßenbahn kostet pro Person 40 Euro, das ist mehr als das durchschnittliche Monatsgehalt einer Hausangestellten in Cambine.

Einerseits gibt es hier Theater, Kinos, Museen, Restaurants, andererseits kostet das alles auch Geld. Und schließlich sind wir nicht zum Vergnügen in Lissabon... Andererseits sind wir das auch in Cambine nicht.

2009/08/29

Weit ist der Weg

Am Donnerstag früh um sieben sind wir in Cambine aufgebrochen. Nachmittags gegen drei kamen wir in Maputo an. Eine Nacht verbrachten wir im Gästehaus, dann ging die Reise früh am morgen weiter. Salvadore brachte uns mit unserem Auto zum Flugplatz. Noch vor halb sechs am Freitag morgen kamen wir dort an. Gepäck abgeben, einchecken, alles ging reibungslos und ohne Verzögerung. Nur ein Zettel verhieß nichts Gutes. Die portugiesische Fluglinie TAP wies uns darauf hin, dass an diesem Tag in Lissabon das Bodenpersonal streiken würde. Geduld brauchten wir also erst später…

Es begann damit, dass sich der Abflug verzögerte. 7:15 Uhr sollte es losgehen. Doch da war noch nicht einmal der für 7:00 Uhr angeschriebene Flug abgefertigt. Es brauchte noch eine gute Stunde, bis wir im Flieger saßen und zur Startbahn rollten. In Johannesburg kurz zwischenlanden, dann weiter nach Lissabon. So stand es im Flugplan. Doch es kam anders. Vor dem Landeanflug auf Johannesburg wurde unsere Maschine in die Warteschleife geschickt. Keiner dachte sich was dabei, schließlich waren wir ja verspätet und damit außerplanmäßig. Doch nach der dritten Schleife erschien auf dem Bildschirm plötzlich als Flugziel Maputo. Da wollten wir eigentlich so schnell nicht wieder hin… Doch der Pilot flog wirklich zurück. Nach etwas mehr als zwei Stunden Flug waren wir also wieder am Ausgangspunkt unserer Reise. Das Wetter in Johannesburg sei zum Landen ungeeignet gewesen. Etwa eine Stunde mussten wir warten, bis wir die zweite Startfreigabe für Johannesburg bekamen.

Als wir dann ohne weitere Verzögerungen landeten, war Mittag bereits vorüber und wir saßen schon fast fünf Stunden in den engen Airbussitzen. Wenn es am Grenzübergang keine Komplikationen gibt, schafft man in dieser Zeit die Strecke Maputo – Johannesburg auch fast mit dem Auto.

Auch hier sollten wir das Flugzeug nicht verlassen. So hatten wir die seltene Gelegenheit, den Reinigungstrupp live bei der Arbeit zu erleben. Alles in allem dauerte das auch wieder fast anderthalb Stunden. Beim Start in Johannesburg war es fast 15 Uhr. Bei neun Stunden vorgesehener Flugzeit sollten wir also gegen Mitternacht in Lissabon ankommen. Das klappte dann auf die Minute genau. Nach sechzehn langen Stunden durften wir uns endlich wieder frei bewegen. Ob die Leute vom Gepäckservice noch streiken würden? Wir wissen es nicht, jedenfalls erhielten wir unsere Sachen ziemlich schnell. Auch der Zoll hatte kein Interesse mehr an uns. Nur noch schnell ein Taxi und an die angegebene Adresse. Ob die Gastgeberin noch auf uns warten würde? Schließlich war es weit nach Mitternacht. Sonnabend morgen, gegen halb zwei Uhr standen wir schließlich vor der richtigen Tür. Und Dona Fernanda öffnete uns auch. Wir waren am Ziel. Endlich. Wir fielen ins Bett.

Beim Einschlafen fiel mir ein, was die beiden Simbabwer auf den Nachbarplätzen über die portugiesische Fluglinie zu sagen wussten. TAP, so sagten sie, sei die Abkürzung für die englischen Worte: „Take Another Plane“. Für heute jedenfalls wollte ich ihnen nicht widersprechen.

("take another plane = nimm besser einen anderen Flieger" - fuer alle, die nicht englisch sprechen)

2009/08/20

26. bis 29. August - ein wichtiges Datum für uns

Die methodistische Kirche in Mosambik befindet sich im Umbruch. Nach zwanzigjähriger Amtszeit des Vorgängers fanden im vorigen Jahr Bischofswahlen statt. Gewählt wurde Pastorin Joaquina Nhanala, die erste methodistische Bischöfin in Afrika. Viele haben sich über diese Wahl gefreut.

Inzwischen sind einige Monate ins Land gegangen. Die Bischöfin nutzt die Zeit und ist viel unterwegs. Sie verschafft sich ein Bild von den Zuständen in Kirche und Gemeinden. Um die Wirklichkeit ungeschönt zu sehen, scheut sie auch nicht vor unangemeldeten Visiten zurück. Neulich kam sie ins Waisenhaus Cambine. Sie sprach mit den Kindern und hörte von ihnen direkt, wie sie ihre Situation beurteilten. Das war an einem Sonntag Vormittag. Die Leiterin besuchte gerade den Gottesdienst.

Einige Schlüsselpositionen in der Kirchenleitung hat die Bischöfin bereits neu besetzt. Die ehemaligen Inhaber hatten ihre Stellung mehr zu ihren eigenen Gunsten genutzt als im Sinne der Kirche. Man kann sich leicht vorstellen, dass sich Bischöfin Joaquina auf diese Weise nicht nur Freunde macht. Doch viele sagen auch: Endlich fängt jemand an aufzuräumen!

Vom 26. bis 29. August 2009 wird in Wuppertal der „Runde Tisch Mosambik“ tagen. Unter Vermittlung der EmK-Weltmission in Deutschland wird eine fünfköpfige Delegation aus Mosambik auf Vertreterinnen und Vertreter aller Missionspartner treffen, die die Kirche hier personell und finanziell unterstützen. Insgesamt werden etwa zwanzig Personen aus Mosambik, Schweden, Brasilien, den USA und Deutschland am runden Tisch Platz nehmen. Ziel ist, die weitere Zusammenarbeit transparenter zu gestalten und Prioritäten für die künftige Förderung von Projekten zu setzen.

Wir hoffen sehr, dass der Runde Tisch der EmK in Mosambik helfen wird, die Chancen ihrer Umbruchsituation zu nutzen und wieder zu einem vertrauensvolleren Miteinander zu finden. Die Bischöfin jedenfalls müht sich sehr darum. In diesem Engagement verdient sie alle Unterstützung der internationalen Missionspartner. Deshalb sind die Tage des Runden Tisches so ein wichtiges Datum für die EmK in Mosambik - und auch für uns.

2009/07/29

Besuchszeiten

Es hat sich herumgesprochen: Die beste Reisezeit für Mosambik liegt in den Monaten April bis Juli. Das ist hier Winter und normalerweise treffen europäische oder amerikanische „Nordlichter“ um diese Jahreszeit auf angenehme Temperaturen. In diesem Jahr allerdings ist es schon ziemlich lange ziemlich kühl, so kühl, dass selbst wir abends Fleecejacke oder Strickpullover tragen. Aber wie wir hören, müssten wir das im diesjährigen deutschen Sommer ja auch...

In den vergangenen Monaten gaben sich in den beiden Gästehäusern in Chicuque und Cambine mehrere Gruppen gegenseitig „die Türklinke in die Hand“. Sie kamen aus Missouri, New York und Virginia, vom Diakoniewerk Martha-Maria aus Nürnberg und jetzt gerade abgereist sind die Cambine-Freunde aus Lage. Eine weitere Gruppe aus Missouri wird Mitte August erwartet. Dazwischen besuchen uns immer wieder auch einzelne Reisende, die dienstlich oder privat unterwegs sind. Eine Vielzahl von Begegnungen mit Menschen, die auf ihre Weise alle Interessantes zu bieten haben. Für uns bedeutete das, dass wir viel unterwegs waren und dass wir recht intensiv in die Besuchsprogramme einbezogen waren, besonders natürlich bei den Gruppen aus Deutschland. Aus diesem Grund gab es im Blog eine längere Pause. - Im folgenden nun kurz ein paar Eindrücke aus dieser Zeit:

Die Begegnung mit den Nürnbergern liegt schon einige Wochen zurück. Darüber haben wir in einem eigenen Blog berichtet.

Die Freunde aus Missouri und New York kommen in jedem Jahr. Sie haben zum Teil schon langjährige Beziehungen zu Gemeinden und zu Personen hier in der Region. Besonders die Kinder im Waisenhaus profitieren von dieser Partnerschaft. Im Vorfeld des Besuches wurde ein neues Haus gebaut, das wir dann gemeinsam mit den amerikanischen Spendern einweihen konnten. Endlich verfügt das Waisenhaus über einen großen Raum, in dem gegessen werden kann. Zudem werden dort Feste und Gottesdienste gefeiert werden. Hausaufgaben werden hier erledigt und künftig auch Nachhilfestunden erteilt. Damit wurden drei Schüler bzw. Studentinnen aus Cambine und ein Praktikant aus Deutschland beauftragt. Besonders wichtig war und ist den Feunden aus Missouri, dass die Kinder täglich ausreichend und abwechslungsreich mit Mahlzeiten versorgt werden. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall, obwohl es an finanziellen Mitteln nicht fehlte.


Das noch nicht ganz fertige Haus kurz vor der Einweihung


Beim Austeilen von Mahlzeiten in der Gemeinde Belem.


Das Team aus Virginia war besonders im Gesundheitszentrum aktiv. Die Krankenschwestern und pensionierten Ärzte wohnten in Chicuque (35 Kilometer entfernt) und kamen tagsüber nach Cambine. Die Waisenkinder und Frauen aus einem nahegelegenen von der methodistischen Kirche betriebenen Witwenhaus konnten so einmal gründlich untersucht und zum Teil medizinisch versorgt werden.

Nebenher haben im Gesundheitszentrum die lange überfälligen Sanierungsarbeiten begonnen. Zuerst wurden Dächer und Elektroinstallation erneuert. Danach begann die Innenrenovation. Die Entbindungsstation und die Wohnung für die werdenden Mütter sind in besonders schlechtem Zustand. Deshalb werden sie zuerst renoviert. Danach kommen die anderen Abteilungen dran.

Am Theologischen Seminar gab es wieder einmal Prüfungen und Prüfungswiederholungen zu absolvieren. Das ist, wie man sich denken kann, jedes Mal eine spannungsvolle Zeit für alle Beteiligten. Das rührt auch daher, dass viele der Studierenden neben ihrem Studium die Abendschule (Abschluss 10. oder 12. Klasse) besuchen und fast zur gleichen Zeit auch dort Prüfungen abzulegen haben. Dazu sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen, unter denen sie sich auf die Prüfungen vorbereiten, oftmals recht schlecht – was sich dann leider oft auch in den Ergebnissen zeigt.

Die Kommission für weltweite Dienste und das Nothilfeprogramm der weltweiten EmK haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass wir gemeinsam mit ihnen Programme gegen HIV/AIDS und gegen Malaria entwickeln könnten. Gemeinsam mit Vertretern der Gesundheitsstation, der Schulen und einer weiteren Missionarin haben wir nun begonnen, diese Programme zu entwickeln. Im Januar 2010 soll diese Arbeit beginnen. Im Moment sind wir noch dabei herauszufinden, welche Maßnahmen notwendig und möglich sind.

In Maputo waren wir zur Hochzeit einer Kollegin von Thomas eingeladen: nobel, nobel. Es fehlte an nichts. Gerne haben wir mit dem nicht mehr ganz jungen Brautpaar gefeiert. Nur manchmal haben wir uns etwas bang gefragt, ob das wirklich alles so edel hätte sein müssen. Doch wer sind wir, dass wir solche Fragen stellen dürften? (Würden wir sie denn in Deutschland stellen?) Wo Wohlstand oder Reichtum ist, will er auch gezeigt werden. – Gilt das in Mosambik nicht genau so wie in Deutschland?




Da wir anlässlich der Hochzeit schon in Maputo waren, hängten wir einige Urlaubstage in Nelspruit an. Natürlich besuchen wir dann nicht nur den Krugerpark, sondern auch den Zahnarzt, den Friseur ... und kaufen ein, was es in Mosambik nicht oder nur sehr teuer gibt. Diesmal allerdings haben wir gemerkt, dass auch in Südafrika die Preise zum Teil heftig gestiegen sind.

Zurück in Maputo trafen wir die Cambine-Freunde aus Lage und mit ihnen auch unseren Freund Christoph Lasch aus Klosterlausnitz. Zwei intensiv erlebte Wochen liegen hinter uns. Wir haben gemeinsam gefeiert und gearbeitet, gelacht und geweint, geschwitzt und gefroren. Doch in dem allen ist allerlei entstanden: Drei benachbarte Kirchgemeinden haben Solarstrom erhalten. Mit den Theologiestudierenden fand ein Seminar zum Thema „den Glauben gemeinsam leben“ statt. Mit ihnen machten wir auch einen Ausflug an den Strand nach Morrungulo. In Waisenhaus und Kindergarten wurde mit den Kinder gespielt und gearbeitet. Eine Krankenschwester besuchte die Gesundheitsstation und macht e sich ein Bild von den Bedingungen, unter denen hier gearbeitet wird. Daneben gab es natürlich zahlreiche persönliche und informelle Begegnungen und Gespräche.


Im Gottesdienst in Cambine


Das Bild entstand als Resultat des Seminars mit den Studierenden am Theologischen Seminar.


Am Abschlussabend wurde – natürlich gesungen und getanzt. Dazu gab es am Lagerfeuer Stockbrot – für unsere mosambikanischen Freunde etwas ganz und gar Neues. Schade nur, dass der Abend etwas unschön endete: Es gab Einbruchversuche sowohl im Haus von Dona Maisa, unserer brasilianischen Kollegin, als auch in unserem Haus. Dona Maisa war etwas eher nach Hause gegangen und konnte so den Einbruch verhindern. Und auch bei uns wurden die Einbrecher von einem Studenten auf dem Heimweg entdeckt. So konnte in beiden Fällen das Schlimmste verhindert werden. Doch die festliche Stimmung war natürlich vorbei.

Inzwischen befinden sich unsere deutschen Freunde auf dem Heimweg und die nächsten Besucher auf der Anreise. Unser Leben wird also in Bewegung bleiben: zunächst Gäste, dann eine weitere Reise nach Nelspruit zum Zahnarzt, im September dann ein notwendiger Sprachkurs in Portugal...

Doch in allem haben wir noch die Worte im Ohr, die wir mit unseren Gästen gesungen haben:

„Mögen sich die Wege vor deinen Füßen ebnen ... bis wir uns wieder sehn,
möge Gott, der Herr, seine schützende Hand über dich halten!“

Darauf wollen wir trauen und das Unsere dazu tun, so gut wir können - im Blick auf uns hier in Mosambik genau so wie im Blick auf euch in Deutschland.

2009/07/15

Paciencia

Geduld! Hier im Blog passiert künftig auch mal wieder mehr. Im Moment haben wir nur grad Besuch: die Cambine-Freunde aus Lage sind hier. Da bleibt wenig Zeit zum Bloggen.

Nur soviel: Wir freuen uns riesig, dass unser Freund Christoph Lasch aus Bad Klosterlausnitz bei uns ist. Wir erfahren viel aus der Heimat. Und der Abend nach seiner Ankunft war für uns ein zusätzlicher Weihnachtsabend! Danke für alle Geschenke und Spenden, die ihr ihm mit auf den Weg gegeben habt. Wenn es bei uns wieder ruhiger geworden sein wird, werden wir uns auch noch persönlich bei euch melden.

Jetzt sind wir erst mal hundemüde und gehen ins Bett. Morgen früh um sieben ist wieder gemeinsames Frühstück im Gästehaus, dann wollen wir wieder halbwegs fit sein... Also, bis bald mal wieder.

Ohne Worte


Hier nicht pinkeln! 5.6.09 Weltumwelttag
(Das Bild entstand heute nachmittag direkt neben der belebten Zentralhaltestelle in Maxixe)

2009/06/20

Ja, bin ich denn ein Kiosk?

Es war Ende der 70er Jahre, als die Schweizer Mundartband RUMPELSTILZ ihr Lied vom KIOSK sang. Das ist inzwischen dreißig Jahre her und doch geistert die Erinnerung an jene Zeilen mir immer noch durch den Kopf – besonders seit wir hier in Mosambik leben:

Leute, bin ich denn ein Kiosk?
Oder bin ich etwa 'ne Bank?
Oder seh ich aus wie ein Hotel?
Oder wie'n Kassenschrank?

Kein Tag vergeht, an dem nicht irgendwer etwas von uns will: Mitfahrgelegenheit, Geld leihen, Rührgerät borgen, Wäsche auf unsere Leine hängen, Wasserkanister aus unserem Tank füllen, Schmerztabletten, einen Fußball für die Mannschaft, einen Becher Wasser und eine Banane, schnell mal was auf dem Computer schreiben, im Internet recherchieren, ein Radio aus Deutschland mitbringen lassen oder Orangen vom Baum pflücken und, und, und...

Wir sind in die Stadt gefahren. Wir warten am vereinbarten Treffpunkt, dass unsere Mitfahrer von ihren Einkäufen zurückkommen. Die Autofenster sind offen. Man sieht: da sitzen Weiße. Es dauert nicht lange, dann kommt das Pärchen, das wir schon kennen. An einem Stock zieht eine Frau ihren offenbar blinden Sohn hinter sich her. „My friend!“, ruft sie ins Auto und streckt mir ihre leere Hand entgegen. Ich reagiere nicht sofort. Sie ruft erneut: „My friend!“ Und ihre Hand ist ganz nah bei mir. Ich lege eine Münze hinein. Sie nickt und zieht ihren Sohn zum nächsten Auto. Kaum sind sie weg, kommt ein junger Mann mit gelber Weste. Er will mir „credito“ verkaufen: Guthaben fürs Mobiltelefon. Von den hundert Meticais, die ich zahle, bleiben vier oder fünf bei ihm. Damit verdient er sein Geld. Und der Junge mit den Orangen, auch er will verkaufen. Wir kaufen nicht, schenken ihm dafür eine Schachtel Buntstifte. Er ist unzufrieden. Ein kleiner Mann hat lauter Gürtel um den Hals hängen, in den Händen trägt er Messer, Macheten, Thermoskrüge und Taschenlampen. Auch er möchte, muss seine Sachen verkaufen, verkaufen, verkaufen. Und wer, wenn nicht die, die Geld haben, soll sie kaufen? Du, Weißer, my friend, minha amiga, du hast es doch, drum kauf mir was ab. Und wenn nicht, dann gib mir wenigstens ein Almosen. Von irgendetwas muss ich doch leben...

Das sind die Momente, in denen ich an das Lied vom Kiosk denke: Ja, bin ich denn ein Kiosk? Oder bin ich etwa ne Bank? – Kann ich immer nur geben, austeilen, helfen, nur weil ich etwas habe, das andere nicht haben? Was ist meine Rolle als Weißer, als Helfer? Was ist meine Mission als „Missionar“?

Nein, ich bin kein Kiosk und schon gar nicht eine Bank. Ich kann nicht allen helfen und schon gar nicht immer. Ich habe gelernt, nein zu sagen. Manchmal fällt es leichter, manchmal schwerer.

Vor einiger Zeit haben wir beschlossen, kein Geld mehr zu verleihen. Im Moment des Leihens unterstelle ich den meisten die ehrliche Absicht, das Geld zurück zu geben. Doch wenn es soweit ist, reicht das Geld dann eben doch oft nicht, um es wirklich zu tun. Was bleibt, ist Scham auf der einen und Ärger auf der anderen Seite. Darüber zu sprechen, ist selten möglich.

Das Traurige daran ist, dass sich auf diese Weise die Beziehung zueinander verändert. Wir sehen ineinander immer weniger die Menschen, die wir sind und immer mehr die Bilder, die wir uns voneinander machen: den Weißen, der hat und der deshalb geben kann und geben soll? Den Schwarzen, der haben will, was er nicht hat, weil er es braucht oder zu brauchen meint.

Ja, das ist im eigentlichen Sinn des Wortes schwarz-weiß gemalt, wie ein Holzschnitt. Es ist ein Bild und nicht die Realität selber. Denn in Wirklichkeit gibt es zwischen schwarz und weiß unzählig viele Farben und nicht nur Grautöne!

Gott sei Dank, dass diese Farben manchmal aufblitzen! Oft geschieht das, wenn Gegenseitigkeit gelingt: in einem Gespräch versuchen wir ehrlich zu sein und einander zu verstehen. Oder jemand sagt einfach mal: Danke. Oder einer macht einen Witz und wir lachen gemeinsam – bestenfalls über uns selber.



Und noch einmal für alle, die political correctness mehr lieben als den Sprachwitz:

2009/06/12

Wohnen Sie noch?...

...oder leben Sie schon? Vor einigen Jahren war das der Werbeslogan einer großen blau-gelben Möbelhauskette. - Wohnen sie schon? Oder hausen sie noch? So möchte ich den Spruch abwandeln, wenn ich an die Unterkünfte der Schüler in Cambine denke. Gemeinsam mit dem Leiter der Gesundheitsstation haben wir in dieser Woche die beiden Internate besucht. Wir wollten erkunden, welche Maßnahmen nötig sind, um einen besseren Schutz vor Malaria zu erreichen.


Das Mädcheninternat wurde 2005 gebaut und befindet sich in einem vergleichsweise guten Zustand. Die Leiterin sagte uns, schon beim Neubau seien Netze für die Fenster vorgesehen gewesen und auch bezahlt worden. Nur eingebaut wurden sie nie. Im Haus selber stehen die Doppelstockbetten dicht an dicht. 120 Schülerinnen auf engstem Raum beieinander, kein Schrank, kein Kleiderständer - nur Betten und Reisetaschen. An einen Arbeitsplatz für Hausaufgaben ist nicht zu denken. Die werden auf der grünen Wiese oder am Straßenrand auf einem umgestürzten Baumstamm erledigt.


Das "internato masculino" bietet seinen Bewohnern zwar mehr Raum. Dafür befindet es sich in einem bedauernswerten Zustand. Die Schüler schlafen auf dem mit einer Decke oder Strohmatte belegten eisernen Bettgestell. Die Matratzen wurden gestohlen. Nach den nächsten Ferien wären wohl auch neu angeschaffte Matratzen wieder verschwunden. Moskitonetze vor den Fenstern gibt es nicht. Auch in diesen Häusern gibt es keine Schreibtische, Schränke oder Regale. - Wer unter solchen Umständen lernt und möglicherweise noch gute Ergebnisse erzielt, muss wirklich hoch motiviert sein, scheint mir.


Und doch: Als Europäer nehmen wir diese Zustände anders wahr als die Afrikaner. Wir sind einfach andere Lebensbedingungen gewöhnt. Dabei kann es durchaus sein, dass mancher Schüler und manche Schülerin zu hause noch ärmlicher leben muss als hier.


In diesem Haus lebte der Gründer der mosambikanischen Befreiungsfront Eduardo Mondlane, als er in der 1940er Jahren Schüler in Cambine war.

2009/06/11

Grenz-Erfahrungen

Von unserem Heimatort im Erzgebirge waren es nur etwa siebzig Kilometer bis nach Hof in Bayern. Trotzdem dauerte es über dreißig Jahre, bis ich das erste mal im Leben nach Hof kam. Daran musste ich denken, als wir vor einigen Tagen mit unserer Hausangestellten Martha, ihrem Sohn und einer kleinen Nichte den Strand von Barra besuchten. Von Cambine bis Barra sind es ein paar Kilometer mehr als von Schönheide nach Hof. Doch haben wir allezeit freie Fahrt. Kein Schlagbaum und kein Minenfeld schneiden uns den Weg ab. Und doch hat auch Martha mehr als dreißig Jahre gebraucht, um einmal nach Barra zu kommen. Zwischen Cambine und Barra gibt es also doch eine Grenze, die nicht jeder überwinden kann.

Den deutsch-deutschen Todesstreifen vermochte niemand zu übersehen. Die Scheidelinie, von der hier wir hier reden, ist nahezu unsichtbar. Sie verläuft längs der Straße. Zwischen den Palmen scheint sie sich zu verlieren. Auf dem Parkplatz von Barra ist sie wieder da. Sie verläuft quer durchs Restaurant bis an den Strand. Selbst in der Speisekarte ist sie als unsichtbare Linie vorhanden. Es ist die Grenze zwischen arm und reich, die hier in Afrika an vielen Stellen immer noch und immer wieder eine Grenze zwischen Schwarz und Weiß ist.



Anders als im alten Südafrika ist Apartheid hier nicht per Gesetz verordnete Rassentrennung. Es ist eine Apartheid, die sich schlicht aus den Einkommen ergibt. Wer hat hier schon ein Auto, mit dem er die Strecke fahren könnte? Mit öffentlichen Verkehrsmitteln schafft man an einem Tag allenfalls den Hinweg. Und wer kann sich in Barra eine Übernachtung leisten? Nur der, dem auch ein Auto nicht zu teuer ist...



Nach einigen Stunden am Strand sitzen wir gemeinsam im Restaurant. Martha fällt es sichtlich schwer, ein Gericht zu wählen. Beim Blick in die Speisekarte schüttelt sie immer wieder den Kopf. Eine Fischplatte für 300 Meticais? Das ist für sie ein Wochenverdienst. Sollte sie uns das wirklich zumuten? Und was die Getränke kosten... Am Ende zahle ich für die Mahlzeit ungefähr so viel, wie Martha bei uns in einem Monat verdient. Dabei zahlen wir schon vergleichsweise gut. Da ist sie wieder, diese Grenze. Diesmal verläuft sie quer über unseren Tisch.



PS: In dem Strandauto auf dem Bild ganz oben sind die Angestellten einer Touristen-Tauch-Schule unterwegs.

2009/06/02

FAQ 1 - Was Sie immer schon wissen wollten und sich nie zu fragen trauten

Wo gehen eigentlich die Menschen aufs Klo, die in den Strohhütten wohnen?

Irgendwo abseits gibt es auf jedem Grundstück eine Casa de Banho, also einen gemauerten oder aus Palmzweigen oder Stroh hergestellten Verschlag, hinter dem man sich wäscht, wenn man es nicht ohnehin gleich am Fluß tut. Meist ist dort in der Nähe noch ein zweiter Verschlag, hinter dem sich eine mehr oder weniger abgedeckte Grube befindet - das Klo.
Übrigens reicht man sich hier, wenn überhaupt, wirklich nur die rechte Hand zum Gruß, denn die Linke braucht man ja zum A...abwischen und Klopapier wird selten benutzt. Darüber hinaus ist es immer wieder erstaunlich, in welcher beeindruckenden Offenheit Männer und Frauen(!) sich hier ihrer Notdurft entledigen. Bei Männern kennt man so was ja schon eher, aber dass auch Frauen am Straßenrand mal schnell den Rock raffen, das hatte ich vorher erst einmal gesehen, hier allerdings schon öfters. Aber so ist das eben: Wo es keine öffentlichen Toiletten gibt, wird zwangsläufig die Öffentlichkeit selber zur Toilette.

Geschwister?

„Seid ihr Geschwister?“ - Eine Frau fragte uns das auf der Straße. Sie kam vom Fluss und trug einen 20-Liter-Kanister mit frischen Wasser auf dem Kopf. „Warum denkst du das?“ fragten wir zurück. „Wir sind seit fast 30 Jahren verheiratet.“ Sie schüttelte den Kopf und meinte nur: „Ein glückliches Ehepaar... Gratulation! Dass es so etwas gibt!“ - So einfach ist das: Du brauchst nur miteinander in die gleiche Richtung zu gehen, um den Eindruck zu erwecken, glücklich zu sein. - Ist es wirklich so einfach?

2009/05/19

Es gibt uns noch!

So, nun ist es wirklich ein ganzer Monat geworden, in dem sich im Blog nichts tat! Nein, es ist nicht so, dass wir euch nichts mehr verraten wollten. Und es liegt auch nicht daran, dass es nichts Berichtenswertes gegeben hätte. Nicht einmal den Vorwand, ich hätte keine Zeit gehabt, kann ich ehrlicherweise geltend machen. – Also genug der Vorrede, ich erspare euch weitere Ausreden und fang einfach mal an zu erzählen.


Das Wichtigste zuerst: Im Gesundheitszentrum wird gebaut. Endlich! Die Elektriker haben begonnen, die Installation grundlegend zu erneuern. Das war längst fällig gewesen und auch das Geld dazu war da. Doch nun haben die Arbeiten begonnen. Darüber hinaus werden wir weitere Instandsetzungen und Renovationen angehen können. Das Geld dazu ist zum Teil schon da, der Rest ist uns sicher zugesagt worden. Wieder einmal sind die Cambinefreunde aus Lage/NRW mit engagiert, dazu das Diakoniewerk Martha-Maria Nürnberg, die EmK-Weltmission und UMCOR, das Katastrophenhilfswerk der weltweiten Evangelisch-methodistischen Kirche.


Die Dächer müssen erneuert werden, zum Teil Türen und Fenster. Moskitonetze und Gitter müssen angebracht werden, um die Sicherheit zu erhöhen. Und vor allem: die Geburtshilfeabteilung muss gründlich erneuert werden. Die heftigen Regenfälle im Dezember und Januar des vergangenen Sommers haben das Gebäude so in Mitleidenschaft gezogen, dass wir es vorübergehend aufgeben mussten. Auch der Raum, in dem die werdenden Mütter wohnen, gleicht eher einem Stall als einem Wohnraum. - Gott und den Spendern sei Dank, dass wir diese nicht länger tragbaren Zustände nun ändern können.


Immer wieder werden wir gefragt, wie es denn um die Versorgung mit Medikamenten steht. Im Moment gut. Die Lieferungen treffen rechtzeitig und meist auch vollständig ein, so dass kaum jemand weggeschickt werden muss, dem nicht geholfen werden kann.

Die Arbeit am Theologischen Seminar nimmt ihren normalen Verlauf. Das erste Semester des Studienjahres 2009 neigt sich dem Ende entgegen. Ende Mai werden wir Prüfungen haben. Dann geht es in die Ferien. Claudia unterrichtet im Moment ja auch eine Einheit pro Woche „Einführung in die Hygiene“. Was ihr genau so wie mir zu schaffen macht, ist immer noch unser mangelhaftes Sprech- und Verstehvermögen. Einen vorbereitenden Text vortragen, ist nicht das Problem. Aber sobald es Nachfragen gibt oder wir mit den Studierenden ins Gespräch kommen, beginnen die Probleme. Es wird nötig sein, sobald als möglich, einen weiteren Intensivsprachkurs zu absolvieren.

Besuche: Im Grunde gibt es zwei verschiedene Arten von Besuchergruppen in Cambine. Die einen – oft Vertreter des Staates – kommen nach Cambine, weil der Ort bekannt ist wegen Eduardo Mondlane, dem Gründer der mosambikanischen Befreiungsbewegung. Er ist der berühmteste Schüler von Cambine. 2009 jährt sich der Briefbombenanschlag, dem er zum Opfer fiel zum 40. Mal. Das ist natürlich auch ein Grund, Cambine zu besuchen. Die anderen Gruppen sind kirchliche Gruppen aus Mosambik, den USA oder Deutschland. Sie kommen, weil in Cambine eine Konferenz stattfindet oder weil sie dort Projekte besuchen oder einen Arbeitseinsatz leisten wollen. Die Nürnberger Gruppe war die erste dieser Art in diesem Jahr, weitere werden folgen. Im Juni kommen Freiwillige aus Missouri/USA, um im Waisenhaus, den von ihnen gespendeten Speisesaal fertig zu bauen.


Im Juli erwarten wir die Cambinefreunde aus Lage/NRW. Wir freuen uns sehr, dass gemeinsam mit ihnen auch unser Freund Christoph Lasch aus Bad Klosterlausnitz uns besuchen wird. Diese Gruppe wird an vielen verschiedenen Stellen im Dorf im Einsatz sein: im Waisenhaus, am Theologischen Seminar, im Gesundheitszentrum und natürlich auf den Dächern, wo die Solaranlagen zu finden sind. Und weitere eher private Besuche sind angekündigt.

Es wird also nicht langweilig werden. Und ich nehme mir vor. Euch möglichst regelmäßig zu berichten. Und sollte es doch mal wieder zu einer Pause kommen, nehmt es mir nicht krumm. Dann tun wir einfach, dass was Afrikaner auch oft tun (müssen). Wir bitten euch um „paciencia“ – Geduld. Irgendwann wird es wieder was Neues zu lesen geben. Und bis dahin habt ihr ja auch anderes zu tun, als unseren Blog zu verfolgen.

Über das mosambikanische Gesundheitswesen

An dieser Stelle vielleicht ein erklärendes Wort zur Organisation des Gesundheitswesens in Mosambik. Hier gibt es eine strenge Hierarchie der Einrichtungen, die sich auch in der personellen Besetzung und der Versorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln ausdrückt.

Auf unterster Ebene gibt es die Gesundheitsposten, die man ehesten als Beratungsstellen beschreiben kann. Hier arbeiten sogenannte Gesundheitshelfer und es gibt nur die nötigsten Medikamente. Ein Gesundheitszentrum wie in Cambine gehört schon auf die nächsthöhere Ebene. Hier arbeiten neben den Gesundheitshelfern auch ausgebildete Schwestern und Pfleger, dazu meist auch noch eine erfahrene Hebamme, die manchmal auch einen entsprechenden Abschluss hat. Wer hier nicht behandelt werden kann, z.B. HIV/AIDS-Patienten, wird in ein Landkrankenhaus überwiesen. Dort gibt es dann auch Ärzte und sogenannte „Tecnicos“, einen medizinischen Grad, den wir in Deutschland nicht kennen. Tecnicos sind ausgebildete Pfleger, die eine zweijährige Fortbildung absolviert haben, ohne Arzt geworden zu sein. Dennoch haben sie Aufgaben zu übernehmen, die anderswo allein den Ärzten übertragen sind, z.B. operieren. Weiter oben in der Stufenfolge der Einrichtungen gibt es noch die jeweiligen Zentralkrankenhäuser auf Provinz- und Landesebene. Dort gibt es dann auch Spezialisten verschiedener Fachrichtungen.


Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt in drei Standardsortimenten, von denen das sogenannte „Kit C“ wieder nur eine Basisauswahl darstellt, während „Kit A“ schon alle notwendigen Schmerzmittel, Antibiotika und Antimalariamedikamente enthält. Medikamente sind insofern besonders wichtig, als es in weiten Teilen des Landes ja kaum andere Möglichkeiten der Behandlung gibt. Die Wege ins nächste (Zentral-) Krankenhaus sind oft sehr weit. Die zur Verfügung stehenden Transportmittel sind einfach und teuer.

Ein Beispiel: Wer in Cambine nicht im Zentrum wohnt und zum Beispiel Zahnschmerzen hat, der muss vielleicht schon mal 30-40 Minuten Fußweg zurücklegen, bis er an die Chapahaltestelle kommt. Das erste Chapa fährt morgens um sechs. Auf der offenen Ladefläche geht es dann durch Sonne oder Regen bis an die Hauptstraße. Dort muss er auf den Anschluss warten. Der Kleinbus bringt ihn dann nach Maxixe. Dort steigt er um ins Chapa nach Chicuque. Wenn er dort ankommt, sind gut und gerne zwei Stunden vergangen. Um aber beim Zahnarzt nicht allzu lange warten zu müssen, sollte man um sechs Uhr morgens bereits vor seiner Tür sitzen...

Andre Länder - andre Denkweisen, zum Beispiel: Moskitonetze

Claudia erzählt. Sie fragte eine Kollegin, ob sie denn zu Hause ein Netz hätte. Sie bejaht. Claudia fragt weiter: Und benutzt du es auch? Sie verneint. – Warum denn nicht? - Na, die Tochter hat keins. - Dann gib ihr doch dein Netz. – Aber dann hab ich doch keins... - So bleibt auch das eine vorhandene Netz ungenutzt.

Was ist das? Gleichgültigkeit? Unverstand? Oder vielleicht Solidarität? Wenn du kein Netz hast, dann will auch ich meins nicht nutzen? - Es fällt mir schwer, diese Logik zu verstehen. Ich denke an den Ausspruch Henning Mankells, dass er fünfundzwanzig Jahre brauchte, um zu begreifen, „dass wir alle aus derselben Familie kommen.“ - Ich fange an zu verstehen, warum das so ist.

2009/04/19

mal was anderes

In diesen Tagen wird sich hier im Blog wenig tun. Das hat seinen guten Grund. Wir machen mal was anderes. Zur Zeit ist eine Reisegruppe des Diakoniewerkes Martha-Maria in Mosambik zu Gast. Wir haben die Ehre, die Gruppe während ihrer Reise begleiten zu dürfen. Was die Gruppe dabei so erlebt könnt ihr nachlesen unter der Adresse:

http://mm-chicuque-2009.blogspot.com

Und später, wenn wir dann sozusagen "wieder unter uns sein werden", wird es dann auch hier wieder was Neues geben.

2009/04/12

Nachtchristen

Osternacht in Cambine. Es ist 1.37 Uhr. Gerade hatten wir unerwarteten Besuch gehabt. Nein, es waren keine Diebe. Die etwa fünfzig Menschen vor unserer Tür wollten nichts von uns haben, schon gar nicht unrechtmäßig. Sie wollten uns etwas bringen!

Lauthals Halleluja singend und ihre Lärminstrumente mit Löffeln schlagend verkündeten sie die gute Nachricht, dass Jesus Christus von den Toten auferstanden sei. Es war die „Erweckungsgruppe“ der hiesigen Kirchgemeinde. Normalerweise trifft sie sich fröhlich früh um viere, um anderthalb oder zwei Stunden zu singen und zu beten – jeden Tag. An besonderen Tagen oder Nächten wie der heutigen nehmen sie ihren Namen vielleicht doch ein wenig zu ernst, scheint mir. Uns jedenfalls haben sie wirklich aus dem Schlaf gerissen, die Schwestern und Brüder Nachtchristen.

Frohe Ostern also! Doch zuvor wollen wir versuchen, noch eine Runde zu schlafen.

2009/03/31

Manchmal ist weniger nicht mehr

„Jetzt haben wir bald gar nichts mehr“, sagte Claudia heute morgen im Blick auf ihre Arbeitsstelle, das Gesundheitszentrum von Cambine. „Antibiotika sind schon seit Tagen aus und nun gehen auch Aspirin und Vitamintabletten zur Neige. Bald können wir nur noch Verbände wechseln...“

Die staatlich organisierte Medikamentenlieferung erfolgt normalerweise alle vierzehn Tage. Nun ist sie bereits zum zweiten Mal ausgeblieben. Dabei wollen jeden Tag 50, 60, manchmal 80 Patienten behandelt werden. Immer mehr von ihnen müssen unversorgt weggeschickt werden.

Im übergeordneten Landkrankenhaus in Chicuque sieht es nicht viel besser aus. Dabei ist es in der Versorgungspriorität höher eingestuft als Cambine. Dort ist zum Beispiel der Notstromgenerator kaputt. Für die Reparatur fehlt das Geld. An den Wochenenden gibt es fast regelmäßig mehrstündige Stromabschaltungen. Dann steht das Krankenhaus ohne Strom da. Nächtliche Operationen werden notdürftig per Handy beleuchtet. Das erzählt uns ein Arzt, der dort arbeitet. Wegen des allgemeinen Mangels seien im Krankenhaus schon Menschen gestorben.

Zugleich lesen wir in einer Meldung, dass auch im laufenden Jahr 2009 über die Hälfte des mosambikanischen Staatshaushaltes nicht im Land selber erwirtschaftet wird, sondern von ausländischen Gebern stammt. Es kann durchaus geschehen, dass diese Quellen künftig immer weniger ergiebig sprudeln oder ganz versiegen. Wir leben schließlich in Zeiten einer weltweiten Wirtschaftskrise. – Was dann?

Dann klingen Sätze wie der des deutschen Bundespräsidenten in seiner aktuellen Berliner Rede schon fast prophetisch mahnend: „Ich stehe dazu: Für mich entscheidet sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas.“

Ob es genügend Menschen geben wird, die diese Stimme hören wollen? In den nördlichen Ländern dieser Welt? Doch nicht nur dort, sondern auch hier in Afrika? Denn es wäre Selbstbetrug, die Frage nach der Menschlichkeit zuerst oder gar ausschließlich den anderen stellen.

2009/03/29

Gekommen um zu bleiben

Am Dienstag letzter Woche war das Maß voll, das Maß eines Jahres. Der 24. März 2008, Ostermontag, war der Tag, an dem wir nach Cambine kamen, um zu bleiben. Es war schnell um, unser erstes Jahr im mosambikanischen Dorf. Wir haben viel gelernt in den zwölf Monaten seither. Doch längst noch nicht genug. Das liegt in der Natur der Sache.

Zum Beispiel letzten Sonntag: Wir wollen Claudias Geburtstag gemeinsam mit Estrela feiern, einer Absolventin des Theologischen Seminars. Seit Januar ist sie Pastorin in einer Gemeinde. Klar, dass wir da nicht allein hinfahren. Studentinnen aus dem benachbarten Wohnheim wollen mit. Dort hatte Estrela als Studentin auch gewohnt. Eine unserer Mitfahrerin wird unterwegs zusteigen, heißt es. Und: Nach dem Gottesdienst geht’s los. Das sind unsere Abmachungen. Doch schon hier haben wir falsch gemacht, was nur falsch zu machen geht. – Denn: Was heißt „unterwegs“? Und: Was heißt „nach dem Gottesdienst“?

„Nach dem Gottesdienst“ heißt: nachmittags halb zwei. Nun gut, der Gottesdienst ging immerhin fast bis halb eins. Und „unterwegs“ heißt: An der Taxihaltestelle im Nachbarort Morrumbene. Als wir dort ankommen, stellt sich heraus: Keiner weiß, wann die dritte Gratulantin bei uns einsteigen wird. Jemand ruft sie an. Ja, sie sei unterwegs – zur Taxihaltestelle. Wann das Taxi losfährt? In Afrika ist nur eine Antwort auf diese Frage möglich: Das weiß im Vorhinein keiner genau. Also warten wir. Und rufen bei Estrela an: Es wird später werden. Sie nimmt es zur Kenntnis. Wir sitzen im Auto und warten. Wir werden ungeduldig. Wir überlegen ernsthaft, umzukehren. Essen wir den frischen Kuchen eben allein auf! Wer will schon den Sonntag Nachmittag am Straßenrand verbringen, wenn er anderswo Geburtstag feiern könnte? Dann kommt das heiß ersehnte Taxi. Da ist es kurz vor halb vier. Fast 90 Minuten sind vergangen. Also doch nicht umkehren! Losfahren! Obwohl: so richtig nach Feiern ist uns nicht mehr zumute.

Estrelas Gemeinde befindet sich im Busch. 20 weitere Minuten holpriger Fahrt liegen vor uns. Als wir ankommen, ist es kurz vor vier. Und die ganze Gemeinde ist da! Singend und tanzend kommen sie, uns zu begrüßen. Seit zwölf Uhr mittags haben sie auf uns gewartet! Ärger? Den spürt man bei ihnen nicht. Vielleicht liegt es daran, dass auch unser Ärger bald verfliegt. Es bleibt uns eine reiche Stunde. Die wollen wir nicht verderben. Wir feiern mit den Schwestern und Brüdern. Die Geburtstagskinder werden beschenkt. Wir singen und tanzen. Nicht zuletzt wird gegessen und getrunken. Um fünf müssen wir wieder los. Wir wollen noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder in Cambine sein. Ja, wir hätten alles besser absprechen sollen. Auch unsere afrikanischen Freundinnen sagen das. Nachher. Doch wir hätten es wissen können. Vorher.

Wir müssen eben noch viel lernen. Auch nach diesem Jahr, das für uns scheinbar viel schneller verging als jene 90 Minuten am Straßenrand von Morrumbene.

2009/03/12

Weil ihr’s uns wert seid

Vor Jahren, so erzählte uns ein ehemaliger Missionar in Nigeria, war das noch so: Wenn wir in die Heimat anrufen wollten, mussten wir uns zuerst ins Auto setzen. Dann mussten wir sechs Stunden über abenteuerliche Pisten fahren, um das Haus des Superintendenten zu erreichen. Das war der nächste, der ein Telefon hatte. Doch wenn wir losfuhren, wussten wir nicht, ob es funktionieren würde oder ob überhaupt jemand zu Hause sein würde. Da kam es schon vor, dass wir zwölf Stunden unterwegs waren und nicht telefonieren konnten.

So gesehen, geht es uns richtig gut. Das Mobilfunknetz reicht bei gutem Wetter bis unter unseren Mangobaum und in eine unserer Zimmerecken. Doch wenn das nicht der fall sein sollte, bleibt immer noch das Festnetztelefon. Und selbst einen Internetanschluss haben wir im Haus. Wir sollten also keinen Grund zum Klagen haben. – Eigentlich.

Wie sooft – nicht nur in Afrika – sind es die scheinbaren Kleinigkeiten, die dann eben doch für Ärger sorgen. Ich versuche aufzuzählen:

1. In unserer Region gibt es nur einen Anbieter, und der macht sein Geschäft sowohl mit Telefon- als auch Internetanschlüssen. Diese Monopolsituation nutzt er weidlich aus. – Wie auch immer, das ist in der Marktwirtschaft nun mal so.

2. Das betrifft sowohl den Service, als auch die Preise.

3. Zum Stichwort Service: Die monatliche Gebühr geht nicht etwa zu überweisen, vielleicht sogar online. Nein, man muss das Geld ins Büro tragen und zwar jeweils vor 14 Uhr, weil danach wird das Geld zur Bank gebracht und die schließt nun mal um 15 Uhr.

4. Weiter zum Stichwort Service: Der Vertrag mit uns als Nutzern hat natürlich viele Zeilen Kleingedrucktes. Der Bitte, uns die auf Portugiesisch formulierten Bedingungen und besonders den Tarif zu erläutern, kommt man zwar wortreich nach. Trotzdem haben wir aber den Eindruck, dass uns die wichtigsten Informationen vorenthalten werden.

5. Dazu kommt, dass Vertragsänderungen seitens des Anbieters jedes mal zu unseren Ungunsten ausfallen – durch Fehler, die der Anbieter zu verantworten hat! So hat man uns seit Dezember 2008 monatlich den erweiterten Internetzugang abgerechnet, obwohl wir nur einen Basisvertrag haben. – Ob wir das zuviel gezahlte Geld gut geschrieben bekommen? Darüber müssten wir mit der Chefin verhandeln... Nein, sage ich, das kommt nicht in Frage. Das Geld steht uns zu! - Inzwischen sind Wochen vergangen und statt unser Problem zu lösen, hat man uns am 12.3. den Internetzugang abgeklemmt.

6. Wenn alles rechtens zuginge, müssten wir für eine Downloadkapazität von 2,5 GB umgerechnet ca. 50 Euro im Monat berappen – und das für einen Flaschenhals, durch den alles muss: langsam, langsam. Trotzdem ist das Luxus. Und der hat eben seinen Preis...

So ist das. Aber wie tröstete uns unsere gute Freundin Barbara: An irgendwas müsst ihr doch merken, dass ihr in Afrika seid! Eben. Und außerdem zahlen wir das alles gerne. Warum? Weil ihr es uns wert seid!

PS: Wider Erwarten hat man uns nun, da wir wieder einmal viel zu viel bezahlt haben, unverzüglich wieder ans Netz gebracht. Wunder über Wunder!

2009/03/09

Impressionen

Estrela ist Pastorin, letzten Dezember hat sie ihre erste Dienstzuweisung erhalten. Seit Januar arbeitet sie nun in einer Gemeinde. Noch während des Studiums hatte sie begonnen, an der Abendschule den Abschluss der zwölften Klasse nachzuholen. Wochentags hat sie jeden Abend von 17 Uhr bis 22 Uhr Unterricht. Und danach läuft sie über dunkle, holprige Wege durch den Palmenwald nach Hause. Zwei Stunden Weg, vor Mitternacht ist sie nie zu Hause, sagt sie.

Zur Zeit arbeitet Claudia in der Apotheke des Gesundheitszentrums. Aida heißt die Kollegin, die sie dort anlernt. „Naja“, meinte Claudia nach den ersten Tagen, „so ganz einfach ist die Zusammenarbeit nicht. Ich habe schon den Eindruck, dass sie sich auf meine Kosten etwas ausruht.“ Doch dann kamen sie miteinander darüber ins Gespräch und Claudia erfuhr, warum Aida sich ausruht: Jeden früh um vier beginnt für sie die Arbeit auf dem Feld. Da ist es noch dunkel. Wenn Aida dann gegen halb acht in der Apotheke erscheint, hat sie normalerweise noch nicht gefrühstückt. Das tut sie gemeinsam mit den anderen gegen elf: Erst muss jemand auf den Markt gehen und Brot kaufen. - Während der Arbeitszeit? Natürlich, wann denn sonst? Früh hat der Markt doch noch gar nicht auf. Und am Nachmittag geht es wieder auf das Feld, jeden Tag. Muss das sein? Ja, es muss. - Im Moment warten Claudias Kolleginnen schon wieder seit fast drei Monaten auf ihr Gehalt. Wovon sollten sie in solchen Zeiten leben, wenn nicht vom Ertrag ihrer Felder?

Wenn wir kurz vor der Abenddämmerung unsere 80-Minuten-Strecke gehen, sind wir nie allein unterwegs. Gemeinsam mit uns sind hunderte von jungen Leuten auf dem gleichen Weg: Schülerinnen und Schüler unterschiedlichen Alters auf dem Heimweg von der Schule. Sie laufen einzeln, pärchenweise oder in Gruppen. Meist gibt es in diesen Grüppchen eine besonders vorwitzige Person. Die versucht dann mit uns Schritt zu halten. Irgendwann folgt der Versuch, mit uns in Kontakt zu treten, meist mit einen Gruß auf Englisch: „Good afternoon, my friend!“ oder „Hello, I’m fine and you?“ Normalerweise grüßen wir kurz zurück, gehen aber nicht weiter ein auf den Annäherungsversuch. Wir wollen ja laufen und nicht reden. Manchmal aber spüren wir auch, dass auf unsere Kosten Witze gemacht werden. „Mulungu“ werden wir dann genannt, das ist auf Shitzua das Wort, mit dem die Weißen bezeichnet werden. Ich komm mir manchmal vor wie ein weißer Neger. Dabei wollte ich doch einfach nur ein Stück laufen.

Gestern war der 8. März – Frauentag. Heute haben wir darüber gestritten. Kommt uns auf dem Weg ein Kind entgegen und grüßt: „Professor Thomas!“ - Claudia sagt: „Da hast du’s wieder: Frauen werden hier nicht gegrüßt! Die zählen eben nicht soviel wie die Männer.“ Ich weiß, das sie recht hat. Ich frage zurück: „Was kann ich dagegen tun? Das ist hier nun mal so.“ Sie fühlt sich unverstanden: „Mit wem soll ich denn drüber reden, wenn nicht mit dir? Und nicht einmal du verstehst mich...“ „Nein, aber mal ehrlich, was soll ich dazu sagen? Hast du ‘ne Idee, was man dagegen tun kann ?“ – Wir schweigen, trotzig laufen wir strammen Schrittes nach Hause. Wir haben keine Antwort gefunden. Was kann man da machen? Habt ihr ‘ne Idee?

2009/02/27

Marienverehrung

Sie hätte auch gut nach Thüringen gepasst in ihrem rot-weiß gewürfelten Kleid. „Mama Maria“ wurde sie genannt, die Frau des Präsidenten Armando Guebuza, die Gattin des reichsten Mannes Mosambiks, wie es heißt. Die Frau des Funktionärs, der damals nach dem Unabhängigkeitskrieg gegen die Kolonialmacht veranlasste, dass alle Portugiesen das Land innerhalb kürzester Zeit zu verlassen hatten. Aber das ist lange her. Heute ist sie die „primeira dame“ – und so reist sie auch. Ein Tross von dreiunddreißig Fahrzeugen stand da heute Nachmittag vor dem Waisenhaus. Beachtlich, denn natürlich gehörte auch Verkehrspolizei, Sicherheitsdienst und Krankenwagen dazu...

Dennoch, Mama Maria hat bei mir keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Sie bewegte sich frei und keiner wurde daran gehindert, in ihre Nähe zu kommen - trotz der Sicherheitsleute. Natürlich spürt man bei so einer Gelegenheit die afrikanische Neigung, sich Würdenträgern unterzuordnen, selbst wenn es nur vermeintliche Autoritäten sein sollten. Doch Mama Maria trat nicht als Funktionärin auf. In ihrer Art, mit den Leuten, auch den Waisenkindern umzugehen, empfand ich sie als herzlich und echt. In ihrer kleinen Ansprache, die sie nur an die versammelten Kinder und Jugendlichen richtete, war für mich keine parteipolitische Tendenz erkennbar, keine Ideologie. Es sei denn, man hält die Ermunterung (oder war es eine Mahnung?) für ideologische Rede, die Eltern und Lehrer stets zu respektieren und immer fleißig zu lernen, damit man später Journalist oder Pilot werden kann.



Mama Maria ist selber ein Zwillingskind, sagte mir die Leiterin des Waisenhaus, deshalb wollte sie, dass auch ein Zwillingskind ihr das Waisenhaus zeigt. Wer die Kinder im Centro Orfanato kennt, ahnt wohl schon, welcher Knabe das Vorrecht hatte, der beste Freund der „primeira dame“ zu sein: Pedro pequeno natürlich , der kleine Peter, der es gewohnt ist, die Herzen im Sturm zu erobern, meines auch. Ich weiß nicht, was dieser Junge ausstrahlt, aber ich wünsche ihm sehr, dass es ihm im Leben helfen und nicht schaden möge.

Nach einer knappen Stunde reiste der Konvoi wieder ab. Die Leute verliefen sich und alles war wie vorher... Nein, nicht ganz: Mama Maria hatte Geschenke mitgebracht, nichts Hochtrabendes, keine Außergewöhnlichkeiten, sondern Lebensmittel: Mehl, Reis, Öl, dazu Moskitonetze und andere durchaus nützliche Dinge. Vielleicht war es ja das, was mich für sie eingenommen hat, trotz des Hofstaats mit seinen dreiunddreißig Karossen.