2009/02/27

Marienverehrung

Sie hätte auch gut nach Thüringen gepasst in ihrem rot-weiß gewürfelten Kleid. „Mama Maria“ wurde sie genannt, die Frau des Präsidenten Armando Guebuza, die Gattin des reichsten Mannes Mosambiks, wie es heißt. Die Frau des Funktionärs, der damals nach dem Unabhängigkeitskrieg gegen die Kolonialmacht veranlasste, dass alle Portugiesen das Land innerhalb kürzester Zeit zu verlassen hatten. Aber das ist lange her. Heute ist sie die „primeira dame“ – und so reist sie auch. Ein Tross von dreiunddreißig Fahrzeugen stand da heute Nachmittag vor dem Waisenhaus. Beachtlich, denn natürlich gehörte auch Verkehrspolizei, Sicherheitsdienst und Krankenwagen dazu...

Dennoch, Mama Maria hat bei mir keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Sie bewegte sich frei und keiner wurde daran gehindert, in ihre Nähe zu kommen - trotz der Sicherheitsleute. Natürlich spürt man bei so einer Gelegenheit die afrikanische Neigung, sich Würdenträgern unterzuordnen, selbst wenn es nur vermeintliche Autoritäten sein sollten. Doch Mama Maria trat nicht als Funktionärin auf. In ihrer Art, mit den Leuten, auch den Waisenkindern umzugehen, empfand ich sie als herzlich und echt. In ihrer kleinen Ansprache, die sie nur an die versammelten Kinder und Jugendlichen richtete, war für mich keine parteipolitische Tendenz erkennbar, keine Ideologie. Es sei denn, man hält die Ermunterung (oder war es eine Mahnung?) für ideologische Rede, die Eltern und Lehrer stets zu respektieren und immer fleißig zu lernen, damit man später Journalist oder Pilot werden kann.



Mama Maria ist selber ein Zwillingskind, sagte mir die Leiterin des Waisenhaus, deshalb wollte sie, dass auch ein Zwillingskind ihr das Waisenhaus zeigt. Wer die Kinder im Centro Orfanato kennt, ahnt wohl schon, welcher Knabe das Vorrecht hatte, der beste Freund der „primeira dame“ zu sein: Pedro pequeno natürlich , der kleine Peter, der es gewohnt ist, die Herzen im Sturm zu erobern, meines auch. Ich weiß nicht, was dieser Junge ausstrahlt, aber ich wünsche ihm sehr, dass es ihm im Leben helfen und nicht schaden möge.

Nach einer knappen Stunde reiste der Konvoi wieder ab. Die Leute verliefen sich und alles war wie vorher... Nein, nicht ganz: Mama Maria hatte Geschenke mitgebracht, nichts Hochtrabendes, keine Außergewöhnlichkeiten, sondern Lebensmittel: Mehl, Reis, Öl, dazu Moskitonetze und andere durchaus nützliche Dinge. Vielleicht war es ja das, was mich für sie eingenommen hat, trotz des Hofstaats mit seinen dreiunddreißig Karossen.

First Ladies

Heute Nachmittag erwarten wir hohen Besuch in Cambine. Diesmal hat sich die Gattin des Präsidenten angesagte, die First Lady, Dona Guebuza. Sie ist Schirmherrin einer Stiftung zur Verbesserung der Lebenssituation benachteiligter Kinder. Als solche wird sie dem Waisenhaus in Cambine einen Besuch abstatten.

Vor wenigen Tagen erhielten wir Post von einer anderen First Lady – aus den USA. Sie heißt allerdings nicht Michelle Obama, sondern Carolyn Belshe. Sie ist eine First Lady der anderen Art. Damals anfangs der neunziger Jahre, kurz nach dem Ende des Bürgerkriegs in Mosambik, war sie die erste Frau, die an der Idee eines methodistischen Waisenhauses (damals in Teles) arbeitete. Heute trägt das Centro Orfanato ihren Namen. In ihrem Brief enthalten ist ein Gebet, das sie einer Gruppe von „Volunteers in Mission“ mit auf den Weg gibt. Im Juni wird die Gruppe in Cambine sein, um im Waisenhaus einen Speiseraum zu bauen.

 


Gott der Barmherzigkeit und Hoffnung,
heute Abend möchte ich dir sagen:

Danke, Herr, für diese,
deine Nachfolger, deine Mitarbeiter,
wie sie ihre Zahnbürsten, ihren Kaugummi,
ihre Vitamine, ihre Kameras und ihre Bibeln packen,
um in einen anderen Teil dieser Welt zu reisen
und dort ungeahnten Segen zu empfangen.
Doch auch Frustrationen und schwierige Situationen
werden sie ertragen müssen.
In den Herausforderungen der Reise
werden sie weinen und lachen
und deinen Frieden finden.

Schenke ihren Familien und Freunden daheim die innere Ruhe,
in der sie Fürbitte üben für die Reisenden.
Schenke Offenheit zu lernen, worum es geht in Mosambik,
Sand in ihren Schuhen, liebevolle Umarmungen und Segen,
der über unseren Glauben hinausgeht.

Ich bete darum, dass du selbst den Weg bereitest
und mit ihnen gehen wirst durch diese Zeit,
die jeden einzelnen von ihnen verändern wird.

Ich danke dir, lieber Herr,
dass du mir ermöglicht hast,
vor all diesen Jahren etwas zu bewegen.
Ich danke dir für den Traum,
die Vision, die du mir gabst,
damals 1946, als ich sieben Jahre alt war
und dann noch einmal, als ich 15 war,
im Kinderkreis, in dem wir beisammen waren
um aus deinem Wort zu lernen.
Ich danke dir.

Bitte reinige unseren Geist.
Gib uns täglich neue Kraft,
jeden Moment den wir in deinem Dienst erleben.

Auch für diejenigen, Herr, sage ich dir Dank,
die deine bescheidenen Diener empfangen werden.

Segne alle Herzen, alle Seelen, alle, die zu dir gehören.
Im Namen des Einen, der uns alle kennt: Jesus.

Amen

2009/02/24

Wieder im Revier

So, ihr Lieben, nun sind wir wirklich wieder in unserem Revier angekommen. Und nicht nur da, sondern auch im Alltag. Der hat uns gleich heftig in Beschlag genommen. Es war ja allerlei liegen geblieben, als wir in Deutschland waren.

Wir wurden schon bange gefragt: Müssen wir uns Sorgen um euch machen? Warum lasst ihr nichts von euch hören oder lesen? Hier nun die alles erklärende Antwort: Nein, ihr müsst euch im Moment keine Sorgen um uns machen. Alles, wie man so sagt, im grünen Bereich.

Das dürft ihr wörtlich nehmen. Nun, da die Regenzeit so langsam zu Ende geht, ist ringsum alles üppig grün. Als ich neulich unsere Angestellte nach Hause fuhr, war der Fahrweg fast nicht mehr zu erkennen, so zugewachsen war er.

In Deutschland schneit es euch ein. Meine Mutter sagte neulich am Telefon: Wir warten sehnlich auf den Tag, an dem der Winter zu Ende geht. Und ich antwortete: Da geht es euch fast wie uns: Wir warten genau so sehnlich auf den Tag, an dem die Hitze aufhört. - Nun gut: man kann sich ja nur nach dem sehnen, was man gerade nicht hat.

Noch was: Als wir in Deutschland waren, hat ein Buchhändler es mir beinah unmöglich gemacht, das derzeit hochgelobte Buch "Der Turm" von Uwe Tellkamp nicht bei ihm zu kaufen. Ein wirklich dicker Klopper für 25 Euro. Naja, dachte ich, ob du das lesen wirst? Ich mag eigentlich keine so langen und verwickelten Geschichten. Und das Gewicht - im Flieger... Dann hab ich doch angefangen. Und nun finde ich es wirklich lesenswert. Ein Grund: Es spielt in Dresden, auf dem Weißen Hirsch, dort wo sich selbst in tiefsten DDR-Zeiten das Dresdener Bildungsbürgertum seinen Elfenbeinturm bewahrte. Es kommt einfach vieles drin vor, was man so kennt, wenn man als Kind öfters mal in Bühlau seine Ferien verbracht hat: von der Linie 11, die über die Mordgrundbrücke fährt, bis hin zur Standseilbahn und, nicht zu vergessen, die Fahrkartenlösegeräte mit dem Hebel an der Seite, der die eingeworfenen zwei Groschen erst hinter einer Plexiglasscheibe behielt, bis der nächste Fahrgast seine Karten zog. Doch der Roman ist kein Buch für (N)Ostalgiefans. Er schildert in großer Breite und mit vielerlei Verwicklungen die Stimmung unter den Dresdener Intellektuellen in den letzten Jahren der DDR. Ich kann nur sagen: Ich habe die 25 Euro nicht bereut.

Selbstbedienung (Rückblick Deutschland)

Schon wieder müssen wir an die Tankstelle. Ich fahre an die Zapfsäule. Ich steige aus und wundere mich. Scheint gar niemand da zu sein. Ein Mann schippt Schnee. Er kennt uns. Wir kommen ins Gespräch. Doch im Stillen denke ich: Warum tankt denn niemand das Auto voll? Dann fällt es mir wieder ein: In Deutschland muss ich das selber machen!
Tanken, Fenster putzen, Öl wechseln, Reifendruck prüfen... dafür ist in Mosambik und Südafrika das Personal der Tankstelle zuständig. Gegen ein kleines Trinkgeld, versteht sich. Und stelle ich das Auto irgendwo ab, ist immer einer da, der darauf aufpasst und der am Ende ein kleines Entgelt dafür bekommt. Ist das nicht ärgerlich, könnte man fragen. Alles kostet Geld? Nein, ich ärgere mich darüber nicht. Mich machen die paar Rand oder Meticais nicht arm. Und für die Frauen und Männer auf dem Parkplatz und an der Tankstelle ist es ein Einkommen, auf das sie angewiesen sind.

Klares kaltes Wasser (Rückblick Deutschland)

Moment, ich muss mir nur schnell mal noch die Hände waschen! Ich drehe den Wasserhahn auf – und zucke zusammen. Kaltes Wasser. Richtig kaltes Wasser. Direkt aus dem Hahn. Das bin ich nicht mehr gewohnt. In Cambine gibt es kaltes Wasser nur aus dem Kühlschrank, vorzugsweise zum Trinken. Aus dem Hahn kommt stets sonnengewärmtes Wasser. Manchmal ist das angenehm. Oft allerdings auch nicht. Bei mehr als dreißig Grad Außentemperatur und hoher Luftfeuchtigkeit wäre eine kalte Dusche ein kühlender Genuss. Keine Chance. Das Wasser ist warm.

2009/02/09

Ausgeschnittene Zeit

Für uns war es erstaunlich, wie normal wir das alles empfanden: den unverhofften Flug nach Deutschland, die Begegnung mit euch, unseren Verwandten und Freunden, die winterlichen Temperaturen und den Saunagang am Freitag Abend. Selbst der Rückflug, auf dem wir uns im Moment befinden, erscheint uns in keiner Weise verwunderlich. Doch wenn wir in wenigen Tagen wieder in unserem Häuschen sitzen, werden wir spüren, wie anders die vergangenen Tage gewesen sind: Zeit, wie ausgeschnitten aus einem anderen Bogen und eingeklebt an falscher Stelle. Ihr werdet uns fehlen... Und doch spüren wir: es ist gut so, wie es ist. Und auch der Abschied gehört dazu. Es war gut, da zu sein und Claudias Vater zu begraben. Und es war gut, uns auch von euch zu verabschieden. - Ihr kennt ja meine Meinung: Wer nicht geht, kann auch nicht wiederkommen.