2009/09/27

Gibt es Wichtigeres als Grammatik?

Fragt ihr euch, warum wir im Blog so lange nichts geschrieben haben? Die Antwort ist ganz einfach: Wir hatten anderes zu tun... – Anderes zu tun? Wahrscheinlich denkt ihr: Die waren jeden Tag in der Stadt, trafen dort interessante Leute, tranken mit ihnen Kaffee und ansonsten genossen sie die Sonne. – Stimmt! So war es. Trotzdem: Das ist nur die halbe Wahrheit.

Die andere Hälfte ist die: Jeden Früh halb neun fuhren wir mit der Metro bis zur Haltestelle Cidade Universitaria (Universitätsstadt). Dort trafen wir unsere Mitstudierenden, jüngere und ältere Leute aus den unterschiedlichsten Nationalitäten zwischen Sibirien und Kalifornien, zwischen China und Schottland. Mit ihnen verbrachten wir täglich vier Stunden intensiven Unterricht und in der Pause tranken wir gemeinsam Kaffee. Und für den Nachmittag hatten uns unsere Lehrerinnen reichlich mit „T.P.C.“ versehen. Das ist keine Krankheit, sondern die im Portugiesischen übliche Abkürzung für „trabalho para casa“ – Hausaufgaben.

Und damit ihr einen kleinen aber lebendigen Eindruck von dem bekommt, was wir so getrieben haben, erlaube ich mir, euch auch eine T.P.C. zu geben, nur fünf kleine Aufgaben – auf Deutsch natürlich!

1. Wie lautet das Verb „gehen“ in der 1. Person Mehrzahl im Konjunktiv Futur II?
2. Wie lautet der Satz „Sie schreibt den Brief.“ im Zustandspassiv Plusquamperfekt?
3. Bitte setzen Sie den folgenden Dialog – ohne den Sinn zu verändern - in die indirekte Rede!

Anna: Bernd, gib mir bitte das Buch, das ich auf dem Tisch liegen ließ.
Bernd: Ich sehe dort aber kein Buch. Vielleicht hast du es an anderer Stelle liegen lassen.
Anna: Wenn du richtig suchen würdest, würdest du es finden. Ich glaube, es ist unter der Zeitschrift, die du gelesen hast.
Bernd: Es wäre leichter, du würdest dich vom Sofa erheben und selber suchen kommen. Sei nicht so bequem!

4. Warum heißt es „Die Bank steht neben dem Haus.“, aber „Sie stellten die Bank neben das Haus.“?
5. Erklären Sie einem Fremdsprachler den Unterschied der beiden für ihn nahezu gleich klingenden Worte „Gustav“ und „Gasthof“.

Alles klar? – Genug für heute. Muss noch lernen. Morgen haben wir Prüfung!

Nur eins noch: Es gibt Wichtigeres als Grammatik! Selbst unsere Lehrerin Anna ist sich darüber mit uns einig. Sie weiß noch nicht, ob sie morgen in der Prüfung wirklich da sein kann. Sie ist hochschwanger und es kann durchaus sein, sie hat morgen wirklich Wichtigeres zu tun als uns zu prüfen...

2009/09/05

Wer die Wahl hat...

hat auch in der portugiesischen Demokratie die Qual der Entscheidung. Dabei ist die Demokratie in Portugal ja noch gar nicht so alt. Erst 1974, in der friedlich verlaufenen "Nelkenrevolution", wurde die seit 1928(!) bestehende Salazar-Diktatur beseitigt.

(Einen interessanten Artikel über diese schillernde Gestalt der portugiesischen Geschichte kann man bei Wikipedia finden: http://de.wikipedia.org/wiki/António_de_Oliveira_Salazar)

Wie in Deutschland finden auch in Portugal am 27. September 2009 Parlamentswahlen statt. Möglicherweise erleichtern die beiden Beipiele von Wahlwerbung, die ich in Lissabon fand, auch deutschen Wählerinnen und Wählern die Entscheidung...

Linksruck in der CDU? Die Partei sucht ihre Wähler offenbar auch im linken Spektrum. Wie anders ist sonst die Verwendung der Symbole Hammer und Sichel zu erklären?

(CDU-Wähler in Portugal wählen allerdings nicht christlich-demokratisch. Die Buchstaben CDU stehen hier für Coligação Democrática Unitária, also die Vereinte Demokratische Koalition, einen Verbund eher linker und grüner Gruppen und Parteien.)



Auch die PSD (Partido Social Democrata) lässt es an Deutlichkeit nicht fehlen: Auch der letzte Wähler soll begreifen, wo er sein Kreuzchen zu machen hat!

2009/09/02

Schulanfang

Schulanfang! Heute morgen um neun trafen wir pünktlich in der „Buchstabenfakultät“ ein. So wird hier die Abteilung der Uni genannt, in der die Sprachen- und Kulturstudiengänge stattfinden. Etwa fünfzig meist jüngere Menschen versammelten sich vor den angeschlagenen Listen. Wo steht denn nun mein Name? Wie haben sie mich eingestuft? Anfänger oder Fortgeschrittener? Und welche MitschülerInnen werde ich bekommen? Fragen, die in uns tatsächlich die Aufregung des ersten Schultags wieder lebendig werden ließen. Wir fanden uns im Mittelfeld wieder, nicht mehr bei den Anfängern und noch nicht bei den Könnern, allerdings in zwei unterschiedlichen Gruppen. Wir sehen das als Chance. Man muss ja nicht alles gemeinsam tun... Unsere KommilitonInnen kommen aus Wales, Kalifornien, Südkorea, Australien, Deutschland, Japan, Kolumbien. Claudia erzählt von einer außerordentlich ehrgeizigen Italienerin. Sie hat bereits den Fortgeschrittenen- Kurs erfolgreich absolviert und wiederholt nun die „Mittel-Klasse“. Alle fragen sich: warum? Die Motive, aus denen sich Menschen zu diesem Sommerkurs anmelden, sind wirklich sehr verschieden. Noch auf dem Flur sprach uns ein älterer japanischer Herr an weil wir Deutsch sprachen. Er wohne seit langem schon in Deutschland, meinte er, aber eigentlich wohne er ja gar nicht in Deutschland, sondern in Bayern. Dann begann er, uns seine Bayrisch-Kenntnisse vorzuführen. Er sei hier nur so zum Spaß dabei, meinte er noch. Dann wurden wir aufgerufen und verschwanden in verschiedenen Klassenzimmern. Gleich in der ersten Stunde schrieben wir einen Test! Da hört der Spaß doch auf, bevor er richtig beginnt, oder? Der Grund allerdings ist einzusehen: Die Ergebnisse werden zeigen, ob wir richtig eingestuft wurden oder nicht. Wir sind gespannt... (...und wissen schon mal, dass wir eine ganze Reihe dummer Fehler gemacht haben, die sich nicht einmal Anfänger leisten sollten. Ob es so was wie einen Senioren-Bonus gibt?)

Einerseits - andererseits

Zwanzig Monate leben wir inzwischen in Mosambik, davon sechzehn auf dem Dorf. Nun kommen wir vom afrikanischen Dorf direkt in eine europäische Großstadt. Es liegt nahe, Eindrücke und Lebensumstände zu vergleichen. Einerseits Cambine, Lissabon andererseits... (Dass auf diese Weise ein rein subjektives Bild entsteht, ist natürlich klar!)

Einerseits sagt man, das Leben in einer Großstadt sei gefährlich, andererseits gibt es auch in Cambine kaum eine Woche ohne Einbrüche und Diebstähle.
Zwar ist Lissabon wirklich eine schöne Stadt und Cambine nur ein Dorf im Busch, doch wohnen wir hier in einem Kellerzimmer und dort in einem schönen Haus.
Beim Blick aus dem Fenster sehen wir hier eine Baustelle und viel Beton. In Cambine blüht vor dem Fenster der Hibiskusstrauch und im Garten stehen zwei Mangobäume.
Die Abende in Europa sind lang und hell und selbst nach Einbruch der Dunkelheit ist die Stadt hell erleuchtet. In Cambine ist es um diese Jahreszeit um 18 Uhr stockdunkel. Selbst im Südsommer ist es nur etwa eine Stunde länger hell. Auch wenn es jetzt in Cambine einige Straßenlampen gibt, sehen wir dort einen unvergleichlich schönen Sternhimmel!
In Lissabon sehen wir tausende Geschäfte, die wir nur selten betreten, weil wir das, was dort verkauft wird, nicht brauchen, bezahlen oder mitnehmen können. In Cambine ist (für uns!) alles bezahlbar und es gibt auch nur die 1000 kleinen Dinge, die wir zum Leben so brauchen. (Vielleicht sind es auch nur hundert...)
Für einen Euro bekommen wir hier fünf Brötchen, in Cambine fast viermal so viele.
Alte Straßenbahnen stellen in Lissabon eine Touristenattraktion dar. Die Pickup-Taxis von Cambine sind zwar auch alt, attraktiv aber keineswegs.
Die günstige Monatskarte für Metro, Bus und Straßenbahn kostet pro Person 40 Euro, das ist mehr als das durchschnittliche Monatsgehalt einer Hausangestellten in Cambine.

Einerseits gibt es hier Theater, Kinos, Museen, Restaurants, andererseits kostet das alles auch Geld. Und schließlich sind wir nicht zum Vergnügen in Lissabon... Andererseits sind wir das auch in Cambine nicht.