2014/01/03

Cambine Kalender - Januar 2014



Sem água não há vida. Ohne Wasser gibt es kein Leben. - In Mosambik ist das keine Binsenweisheit, sondern ein geflügeltes Wort.

Man sagt es sich zum Beispiel beim Wasserholen am Fluss oder an der Quelle. Nur etwa 30% aller Haushalte in den ländlichen Gebieten Mosambiks hatten im Jahr 2011 einen direkten Zugang zu sauberem Trinkwasser. (Quelle: Instituto Nacional de Estatística, August 2012) Der Rest der Bevölkerung muss sich das Wasser mühsam selber ins Haus holen. Zwanzig, dreißig Minuten Fußweg ins Flusstal oder zur Pumpe sind keine Seltenheit. Dann mit zwanzig, dreißig Litern Wasser im Kanister auf dem Kopf den gleichen Weg zurück. Da überlegt man sich genau, wozu man diesen edlen Tropfen verwendet. 

Am Anfang unserer Zeit in Cambine musste unsere
Hausangestellte Dona Marta noch Wasser von der
fünf Minuten Fußweg entfernten Handpumpe holen.
Von ihrem Wohnhaus zur nächsten Quelle sind es etwa
zwanzig Minuten.

Doch es gibt auch ein Zuviel des Guten. Mosambik ist bekannt dafür, dass es immer wieder Hochwasser gibt. Dann wird das eigentlich wertvolle Nass zur Bedrohung für Leib und Leben. Das geschieht in kleinerem oder größerem Ausmaß immer wieder. Und das liegt nicht zuerst daran, dass die Regierung nichts tun würde, um die Bevölkerung zu schützen. 

Die Limpopo-Brücke bei Xai-Xai während des Hochwassers 2007.
Im Hintergrund das weite Limpopo-Tal.
 

Alle dunkel grün markierten Flächen liegen niedriger
als 100 m über dem Meeresspiegel.
Die Hochwasser in Mosambik haben ihre Ursache vor allem in der geographischen Situation des Landes. Alle größeren Flüsse kommen aus dem afrikanischen Hinterland. Sie haben zum Teil ein riesiges Einzugsgebiet. Und wenn es dort in der Regenzeit ausgiebige Niederschläge gibt, wälzen sich die Wassermassen gen Osten in Richtung Indischer Ozean. Und große Teile Mosambiks sind Küstenebenen mit einer Meereshöhe zwischen null und hundert Metern. Da läuft das Wasser in die Breite. Die Hochwasserschutzbauten, die nötig wären, um das zu verhindern, kann sich kein Land leisten, Mosambik schon gar nicht. So bleibt den Menschen in den weiten Flusstälern nahe der Küste nichts anderes, als mit dieser Realität zu leben. Dafür profitieren sie nach der Flut von den fruchtbaren Böden, die natürlich viel mehr abwerfen, als zum Beispiel der Sandboden hier in Cambine.

Paprikafeld in der Limpopoebene bei Chokwe. Die Stadt wurde vom
Januarhochwasser 2013 besonders stark in Mitleidenschaft gezogen.
Das Januarbild des Cambine Kalenders 2014 wurde vor einem Jahr, im Januar 2013, nahe der Stadt Xai-Xai (sprich: Schai-Schai) aufgenommen. Dort kreuzt die mosambikanische Hauptstraße N1 den Limpopo-Fluss. Knapp zehn Kilometer verläuft die Straße auf einem etwa drei Meter hohen aufgeschütteten Damm quer durch das breite Tal. Alle paar hundert Meter gibt es brückenartige Durchlässe für die Wassermassen. Als wir das Tal passierten, stand das Wasser schon einen oder anderthalb Meter unterhalb des Straßenniveaus. Und an den Durchlässen konnte man sehen, mit welcher Gewalt, das Wasser auf den Damm drückte. Überall waren Menschen dabei, sich selber und ihre Tiere in Sicherheit zu bringen, wie die Rinderherde auf dem Bild.

Wenige Stunden nachdem wir den Limpopo überquert hatten, wurde die Straße für einige Tage gesperrt. Der Druck auf den Damm war so groß geworden, dass einer der betonierten Durchlässe ausgespült wurde. Es musste eine Behelfsbrücke errichtet werden, die noch immer in Gebrauch ist. Im Moment ist man gerade dabei, eine neue Brücke zu bauen. Nun ist wieder Januar. Und es kann erneut anhaltende Niederschläge geben. Hoffen wir, dass es 2014 nicht wieder so dramatisch wird wie 2013.

2014/01/01

Cambine Kalender - Titelblatt

Afrikanische Sprichwörter. Manchmal kommen sie mir vor wie deutsche Bauernregeln. Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist. Wenn man nur sucht, findet man immer was Passendes. Und was heißt eigentlich 'afrikanisch' in diesem Zusammenhang? Morgenstund hat Gold im Mund. Da sagen wir doch auch, dass es ein deutsches Sprichwort ist und kein europäisches! Die nordafrikanischen Tuareg und die südafrikanischen Buschleute, haben sie nicht genau so ihre eigenen Kulturen wie, sagen wir, die Korsen und die Lappen in Europa? Ein wenig mehr differenzieren sollten wir schon , wenn wir über Afrika sprechen!
Doch zurück zu den Sprichwörtern. Da ist es eigenartig, dass die Afrikaner selber wenig differenzieren. Auch hier wird oft ganz allgemein von afrikanischen Sprichwörtern geredet. Wer zum Beispiel auf dem Oliver Tambo Airport in Johannesburg in ein Flugzeug steigt, liest dort an einer Wand in großen Lettern das Sprichwort, das wir für das Titelblatt des Cambine Kalenders 2014 ausgewählt haben. Und auch dort wird es schlicht als afrikanisches Sprichwort bezeichnet.

Willst du schnell gehen, gehe allein.
Willst du weit gehen, gehe mit anderen.
Schnell gehen? Ein Afrikaner tut das normalerweise nicht. In Afrika rennt man nur, wenn man flieht oder, weniger dramatisch, wenn man noch in den Bus will, der schon anfährt. Oder man treibt Sport. Aber normalerweise geht man langsam. Das ist ein Ausdruck von Würde. Und eine Folge der klimatischen Bedingungen. Die schwüle Hitze lässt die Bewegungen träge werden. Es geht gar nicht anders. Wer in Cambine schnell geht, fällt auf, joggende Europäer zum Beispiel. Manchmal laufen ihnen Kinder nach. Doch auch sie bleiben bald zurück. Wer schnell geht, wird schon deshalb bald allein unterwegs sein.
Weit gehen. Für einen Afrikaner ist das normal. Schon Schulanfänger haben oft einen Fußweg von einer Stunde oder mehr zu bewältigen. Oder Gilda, ein Mädchen, das aus dem Waisenhaus in ihre Familie zurückgekehrt ist, sie wohnt im Nachbarort. Täglich hat sie zwei mal anderthalb Stunden Fußweg zurückzulegen, auf wenig begangenen Pfaden quer durch den Busch. Auch zu Friedenszeiten ist das nicht ungefährlich. Wie gut, dass sie gemeinsam mit ihrer Cousine geht. So kann eine der anderen beistehen, wenn Hilfe nötig ist. 
Oder die Frauen, die mehrmals am Tag zur Wasserstelle gehen. Würdevoll schreiten sie aufrecht erhobenen Hauptes hintereinander her. Und wer abends nach Einbruch der Dunkelheit von einer Reise zurückkommt, muss oft die letzten Kilometer von der Hauptstraße in sein Dorf zu Fuß zurücklegen. Um diese Zeit ist kaum mehr ein Auto unterwegs. Von der Abzweigung nach Cambine bis ins Dorf sind es zehn Kilometer. Auch da ist es gut, wenn man nicht allein unterwegs ist.
Schnell gehen oder weit gehen? Auch für uns Europäer besteht das Leben nicht zuerst aus Rekorden. Wir vergessen das nur manchmal. Wir denken, es müsste immer alles schneller und effizienter werden. Doch wozu sollte ich mein Leben auf der Überholspur zubringen? Das Leben ist kein Sprint, den ich unter Aufbietung aller meiner Kräfte nur schnell hinter mich zu bringen hätte. Eher gleicht es einem Langstreckenlauf. Will ich das Ziel erreichen, muss ich meine Kräfte einteilen. Das fällt leichter, wenn ich weiß: Ich bin nicht allein unterwegs.
Ich finde diesen Gedanken auch in der Bibel. Jesus schickt seine Schüler weg. Sie sollen nicht bei ihm bleiben, sondern zu den Menschen gehen, sollen ihre Sorgen und Nöte teilen, Ungeister austreiben und Wunden heilen. Dabei sollen sie nichts mitnehmen: keinen Brotbeutel, keine Brieftasche, keine Kleidung zum Wechseln. Doch keinesfalls sollen sie allein unterwegs sein. Immer zu zweit. Und so gehen sie los, immer paarweise und niemals als Einzelgänger.
Auch wir sind bei der Jährlichen Konferenz 2007 zu zweit ausgesandt worden. Wir sind weit gegangen in den zurück liegenden Jahren, weiter als wir uns anfangs vorstellen konnten: zuerst zum Sprache lernen nach Braga, Portugal, dann zunächst nach Maputo und schließlich nach Cambine. Nun ist für September 2014 die Rückkehr nach Deutschland geplant. Auch wenn das Leben in der Fremde natürlich nicht immer einfach ist, sind wir sehr froh über die Erfahrungen, die wir sammeln durften. Den Weg der vergangenen sechs Jahre konnten auch wir nur gehen, weil wir nicht allein unterwegs waren: Verwandte und Freunde, die Kontakt zu uns gehalten haben oder die uns besuchen kamen. Unsere mosambikanischen Kolleginnen und Kollegen. Die Missionspartner aus den USA, aus Schweden, aus Deutschland. Wenn wir uns alle diese Gesichter in Erinnerung rufen, können wir nur dankbar sein - vor allem gegenüber Gott, der in alldem selber mit uns unterwegs ist.