2013/05/25

Altkleider in Afrika: Segen oder Fluch?

Lange galt: Europäische Secondhand-Ware zerstört die heimische Textilindustrie. Experten sehen das längst anders, von Gunhild Seyfert, erschienen in: Publik-Forum 2013/3, 8. Februar 2013
Wohin mit der blauen Hose, die nicht mehr passt? Und was tun mit dem Mantel, der seit Jahren ungetragen im Schrank hängt? Einfach in die Mülltonne damit? Dann doch lieber spenden. Aber: Erreicht die Spende die bedürftigen Menschen wirklich, oder werden dubiose Geschäfte damit gemacht? Und hat man nicht immer wieder davon gehört, dass unsere Altkleider in Afrika die einheimische Textilindustrie zerstören?
In der Tat ist vieles undurchsichtig, was mit gesammelter Kleidung passiert. Dabei wächst der Altkleiderberg ständig. 750 000 Tonnen kamen 2011 hierzulande in die Sammlungen. Das sind 47 000 Lkw-Ladungen, eine gigantische Schlange von Kiel bis München. Es ist viel mehr, als hiesige Sozialkaufhäuser und Kleiderkammern brauchen. Gebrauchtkleidung wird deshalb exportiert: nach Osteuropa, in den Nahen und Mittleren Osten und nach Afrika. Die Weltbevölkerung wächst, und viele Menschen können nur über Secondhand an bezahlbare gute Kleidung kommen.
»Dem Überfluss hier steht eine weltweite steigende Nachfrage gegenüber« konstatiert Andreas Voget, Geschäftsführer des Dachverbands FairWertung. Kirchennahe und gemeinnützige Organisationen haben FairWertung 1994 gegründet, um mehr Transparenz ins Altkleidergeschäft zu bringen. Der Dachverband hat Standards für faires und verantwortliches Sammeln und Verwerten von Gebrauchtkleidung entwickelt. Organisationen, die sich verpflichten, diese Grundsätze einzuhalten, dürfen mit dem Namen und Zeichen von Fair-Wertung für ihre Kleidersammlungen werben. Außerdem erforscht der Dachverband, der selbst keine Kleidersammlungen durchführt, welche Auswirkungen Altkleiderimporte in Afrika haben.
Dass europäische Secondhand-Kleidung die Textilmärkte in Afrika zerstört hat, ist laut FairWertung eine Mär. Diese oftmals erzählte Geschichte sei in den 1990er-Jahren entstanden und schon damals falsch gewesen, sagt Voget. Trotzdem werde sie immer wieder aufgewärmt, auch im Fernsehen. So strahlte die ARD im November 2011 zur besten Sendezeit den Report »Die Altkleiderlüge« aus. Anfang Januar wurde sie vom NDR wiederholt. Suggestive Bilder aus Daressalam, der brodelnden Hafenstadt Tansanias, werden mit einer ziemlich einfach gestrickten Erzählung verknüpft. Deutsche Altkleiderspenden hätten »größtmöglichen Schaden angerichtet« und die heimische Textilindustrie »in eine schreckliche Katastrophe gestürzt«. Die Beweisführung für diese These stützt sich dabei jedoch nur auf einen einzigen Informanten, der die Reporter zu seinen zahlreichen Bekannten führt. Ob diese glaubwürdig sind, bleibt ungefragt und ungeprüft. Bei seriösen Quellen, zum Beispiel. bei Wirtschafts- und Entwicklungsexperten oder Gewerkschaftern, recherchieren die Reporter nicht.
Empörung - aber falsche Fakten
Obwohl man sich nach diesem Film moralisch sehr empört fühlt: Anders als deutsche Geflügelteile oder europäisches Milchpulver zerstört der Export von Gebrauchtkleidung in Afrika keine heimischen Märkte. In Kamerun etwa und in vielen anderen afrikanischen Ländern hat es nie einen eigenständigen Textilsektor gegeben, der ohne staatliche Subventionen und Importbeschränkungen hätte überleben können. In Tansania und Kenia gab es zwar eine Textilindustrie, aber sie lag überwiegend in chinesischen Händen. Damals galt noch das GATT, ein Vorläufer der Welthandelsorganisation WTO, und es gab feste Quoten für den Export. In afrikanischen Ländern, die ihre Exportquoten nicht ausnutzten, machten sich chinesische Unternehmen diese Situation zunutze und bauten dort eine Textilindustrie auf. Als die WTO die Quoten außer Kraft setzte, brach diese künstlich aufgeblasene Industrie zusammen.
Anfang der 1980er-Jahre forderten der Internationale Währungsfonds und die Weltbank von vielen Regierungen im Rahmen der Programme zur Ent- und Umschuldung, ihre Subventionen und Importverbote für die Textilindustrie fallen zu lassen. Diesen Einschnitt überlebten die meisten Produzenten nicht.
Aber auch schon davor war diese Industrie in Afrika von Materialausfällen, Strom-und Wassermangel geplagt und konnte besonders die ärmeren Menschen nicht ausreichend mit guter und bezahlbarer Kleidung versorgen.
Entwicklungsexperte Francisco Mari, Referent des Evangelischen Entwicklungsdienstes, befürwortet den Handel mit gebrauchter Kleidung inzwischen ausdrücklich. Viele Menschen erwirtschafteten sich damit einen kleinen Verdienst. »Beim Importeur im Hafen kostet ein Hemd 70 Cent, später auf dem Markt 1,50 Euro«, berichtet Mari aus Tansania. »Dazwischen liegen einige Schritte, bei denen verschiedene Menschen jeweils zehn bis zwanzig Cent verdienen.« Da ist die Schneiderin, die mit ihrer Nähmaschine große, wenig attraktive Stücke in gefragte Kinderkleidung umnäht. Oder die Frau, die Obst aus den Bergen in der Stadt verkauft und auf dem Rückweg in ihren Körben Secondhand-Kleidung für den Markt auf ihrem Dorf mitnimmt. Mit Gebrauchtkleidung gebe es eine weitverzweigte Wertschöpfungskette, betont Mari. Für ein zweijähriges »Dialogprogramm Gebrauchtkleidung in Afrika«, das der Verein FairWertung organisierte, war er mehrfach in Afrika, um mit Vertretern von Jugendverbänden und Textilgewerkschaften zu sprechen, sich mit kirchlichen Gruppen zu treffen und mit Menschen, die im informellen Sektor und im Kleingewerbe arbeiten. »Wir möchten gute Qualität zu einem fairen Preis und wir entscheiden selbst, was wir tragen.« Solche Statements hörte Entwicklungsexperte Francisco Mari dabei immer wieder. Ihm fiel auf, dass ihm in afrikanischen Städten vor allem europäisch gekleidete Männer, Frauen und Kinder begegneten.
»Wir müssen euren Abfall kaufen«
Doch es gibt auch in Afrika kritische Stimmen dazu: »Wir empfinden es als demütigend, dass die Touristen unsere traditionellen Stoffe mit nach Hause nehmen, während wir euren Abfall kaufen müssen.« Diese Aussage hörte attac-Mitbegründerin Jutta Sundermann während ihres mehrwöchigen Kenia-Aufenthalts im Jahr 2011 von politischen Aktivisten in den Slums von Nairobi.
Eine soziale und ökologische Katastrophe seien die Arbeits- und Produktionsbedingungen in der gesamten globalisierten textilen Kette, kritisiert Jutta Sundermann darüber hinaus. Für sie ist die Altkleiderflut ein Indiz dafür, »wie viel bei uns falsch läuft«. Ihrer Meinung nach »müssen wir zu einer Kultur finden, dass wir nicht so viel wegschmeißen«.
Aber auch wenn man die unmenschlichen Bedingungen in der Produktion und unseren überbordenden Konsum von Textilien zu Recht kritisiert: Secondhand-Kleidung ist heutzutage kein Abfall mehr, sondern für viele Menschen in Afrika eine Möglichkeit, sich gut und preiswert zu kleiden. Sie ist keine Spende, die abhängig macht, sondern eine Ware, mit der Menschen vielfältig handeln. Das macht unsere Gebrauchtkleidung in Afrika - nicht mehr, nicht weniger.

2013/05/19

Ein wenig zu sicher gefühlt...

Maxixe war für uns eigentlich immer ein Ort, an dem wir uns sicher fühlten - bis Dienstag der vorigen Woche. Nein, uns selber ist nichts passiert. Gott sei Dank. Man hat uns nur bestohlen, am hell lichten Tag. Aus dem verschlossenen Auto. Keine Spuren von Gewalt am Auto. Wie schon oft zuvor, hatten wir es in einer belebten Straße vor dem Neumarkt abgestellt. Als ich aus dem Markt zurück kam, fand ich das Auto verschlossen. So fiel mir der Diebstahl gleich gar nicht auf...

Dummerweise hatten wir an diesem Tag den Computer mit. Dazu eine Festplatte mit allen Bildern der vergangenen fünf Jahre und einiges mehr, zum Beispiel meine Brieftasche... Wir hatten kurz vor dem Diebstahl die Rücksitze umgelegt, um mehr Stauraum zu haben für die Getränkekästen und Mehlsäcke, die wir einzuladen hatten. Zwischen Fahrersitz und Ladefläche hatte ich den wertvollen Rucksack versteckt. Er war kaum zu sehen. Trotzdem war er weg.

Normalerweise haben wir den Computer gar nicht mit, wenn wir in die Stadt fahren. Aber da wir im Moment zu Hause keinen Zugang zum Internet haben, in Maxixe aber sehr schnellen, hatten wir an jenem Tag den Laptop eben mit. Wahrscheinlich haben uns Jugendliche beobachtet, wie wir unsere Posteingänge prüften. Den Rest kann man sich ausmalen.

Was tun? Natürlich erst mal zur Polizei. Die waren auch ganz freundlich. Zwei Beamte kehrten mit mir zum Tatort zurück. In unserem Auto, versteht sich. Claudia hatte dort mit einer Frau gesprochen, die von drei Jugendlichen sprach. Als wir zurück kamen, war sie verschwunden.

Mosambikanische Amtsstuben sind für mich schon ein ungewohnter Anblick. Viele Schreibtische im Raum verteilt wie Schulbänke. Als Bürger stehst du am Schalter wie an einer Theke und wartest, dass einer der Schreibtischmenschen dich wahrnimmt. Doch die Damen und Herren vom Amt sehen erst einmal durch dich hindurch. Irgendwann kommt einer auf dich zu, dann beginnen sich die bürokratischen Räder zu drehen. Sie drehen sich langam, denn es fehlt an Ausstattung. Und die Organisation ist umständlich.

Um eine Kopie vom Polizeiprotokoll zu bekommen, musste ich einen Antrag schreiben, nicht handschriftlich, was im Amt nicht möglich war, weil die wenigen vorhandenen Schreibmaschinen andersweitig genutzt wurden. Also mussten wir es anderswo schreiben lassen. Meine Unterschrift musste ich in einem anderen Amt beglaubigen lassen. Als wir zurückkamen, war der Chef außer Haus. Niemand anderes durfte über die Herausgabe des Protokolls entscheiden. Dabei ging es doch nur um meine eigene Sache.

Um die lange Geschichte kurz zu machen: am Ende gab mir der Mann von der Kripo seine Handynummer. Wenn ich die Diebe vielleicht sähe, solle ich ihn anrufen. Ich gab ihm meine Nummer auch. Schließlich hoffte ich, die Polizei würde die Diebe fassen und dann mich anrufen... Wir werden sehen, wer sich zuerst melden wird.

Am Sonntag danach klingelt irgendwann das Telefon. Ein Mann aus Maxixe meldet sich: Könnte es sein, dass ich etwas verloren hätte? Er hätte vor seinem Haus eine Bauchtasche gefunden mit allerlei Karten drin, auch eine Visitenkarte mit meiner Telefonnummer. Ich könnte sie bei ihm abholen. Das haben wir dann auch dankbar getan. So können wir uns eine Menge Bürokratie sparen – mosambikanische und deutsche. Und Kosten obendrein. Nur der Computer ist weg und viele gespeicherte Daten. Schade drum, vor allem um die Bilder. Wie heißt es:

Die wichtigsten Bilder sind die, die man im Herzen trägt. Wohl wahr. Die kann einem niemand stehlen.

2013/05/03

Im Busch ins Netz

Unser Modem ist kaputt. Anrufen kann man uns noch, nur ins Netz kommen wir nicht mehr. Dazu nutzen wir im Moment einen HSPA USB Stick. Was das heißt? Keine Ahnung! Ich weiß nur, dass wir so über das Mobilfunknetz ins Internet kommen. Bei uns zu Hause funktioniert es allerdings nicht. Da haben wir kein Netz, wie man so sagt.

Also müssen wir mit Laptop, Stick und Auto irgendwo hin fahren, wo die Netzabdeckung besser ist, zum Beispiel in den Busch. So richtigen Busch gibt es in unserer Gegend allerdings gar nicht. Da wohnen überall Menschen, die ihre Felder bestellen, auch weit außerhalb der Ortschaften. Die haben dann zwar keinen Strom im Haus und zur nächsten Wasserstelle müssen sie, ich weiß nicht wie lange, laufen, aber immerhin hätten sie hervorragenden Internetzugang. Nur mit dem kann man weder Tee kochen noch sich waschen.