2008/12/29

Trauer

Am 26. Dezember, gegen 16 Uhr ist im Krankenhaus von Morrumbene ein Kind aus dem Waisenhaus verstorben. Das Mädchen Diola Joaquim hatte Anämie und war deshalb ins Krankenhaus eingeliefert worden. Nach einer Bluttransfusion war sie wieder ins Waisenhaus zurückgekommen. Nachdem sie geduscht hatte, zeigten sich bei ihr plötzlich Lähmungserscheinungen. Schnell brachte man sie ins Krankenhaus zurück, wo sie dann verstarb.
In der Nachricht aus dem Waisenhaus heißt es: "Wir trauern, aber wir wissen auch, wohin Diola geht. Zurückkommen wird sie nicht, aber wir sind gewiss, dass wir sie einst im Himmel wiedertreffen werden. Möge ihre Seele in Frieden ruhen. - Bitte betet für uns."

Regen bringt nicht nur Segen

Weihnachten ist dieses Jahr regelrecht ins Wasser gefallen, jedenfalls in unserer Gegend. Am Heiligabend fing es an, heftig zu regnen. Und es hörte nicht auf, bis Weihnachten vorbei war. Wie schon geschrieben: gerade mal ein Dutzend Leute waren im Weihnachtsgottesdienst, der Rest der Gemeinde auf dem Feld. – Die Leute warten auf den Regen. Und er ist ja auch nötig! Doch wie so oft in Mosambik: Es regnete ohne Maß! Gott sei Dank, es waren nur drei Tage. Doch während dieser drei Regentage entstanden Schäden, die zu reparieren es wohl lange Zeit dauern wird.

Unsere Sandpiste an die Hauptstraße, zum Beispiel, ist stark in Mitleidenschaft gezogen. Brauchten wir normalerweise etwa 20 Minuten für die Strecke, dauert es jetzt vielleicht doppelt so lang. An drei Stellen wurde die Straße regelrecht weggespült. Auch andere, besser befestigte Straßen wurden unterspült und brachen weg.
Viele Häuser haben undichte Dächer, unseres auch. Hässliche Flecken an der Zimmerdecke sind da noch das geringste Übel. Besonders durch die Strohhütten im unteren Teil des Dorfes strömte der mit Schwemmsand vermischte Regen regelrecht hindurch. Die Quelle 20 Minuten Fußweg außerhalb des Dorfes ist komplett mit Sand zugespült. Bloß gut, dass viele, die sonst dort Wasser holen, durch den reichlichen Regen ihre Zisternen füllen konnten.

Inzwischen sind die Regenwolken weiter gezogen und der Himmel ist wieder blau. Heute waren wir am Strand, zum Glück kamen wir mal wieder aus Cambine raus. Es ist ja ganz schön hier, aber wenn man zwei Besucher aus Deutschland im Hause hat, dann ist die Dorfansicht durchs Zimmerfenster auf Dauer ein zu eintöniges Programm. - Regen bringt eben nicht nur Segen.

2008/12/26

Der Hase hat überlebt

Weihnachten 2008. Was war da gewesen? – Eigentlich nicht viel. Die Christvesper an Heiligabend stand für 16 Uhr im Plan, fand dann aber 20 Uhr statt. Da gingen wir nicht hin. Um diese Zeit das Haus allein zu lassen, das erschien uns in diesen Tagen zu riskant. Zu viele Langfinger sind unterwegs.
Für das Weihnachtsessen hatten wir bei Dieudonné einen Hasen bestellt. Als ich am vormittags nachfragte, meinte er nur, er habe den Hasen für uns. Nur: er lebt noch! Und da wir auf die Schnelle niemanden fanden, der ihn schlachten könnte, hat er Weihnachten überlebt. Natürlich waren wir nicht begeistert. Doch auch bei Dieudonnés Landwirtschaftsprojekt war eingebrochen worden. Deshalb hatte er wohl anderes zu tun als unseren Hasen schlachten zu lassen...
Bescherung: Das war schön! So viele schöne Dinge von so vielen lieben Menschen, die uns grüßten und uns damit zeigten, dass sie an uns dachten. Herzlichen Dank an euch alle. Zunächst mal so allgemein auf diesem Weg. Später dann auch noch mal persönlicher.
Kaum hatten wir alle Geschenke ausgepackt, klopfte es an der Tür. Draußen stand ein fremder Mann. Ich hatte ihn in Cambine noch nie gesehen. Er sei gerade mit dem Chapa angekommen. Er wolle Sachen bei uns abstellen. Sein Weg nach Hause sei noch weit und er könne nicht alles mit einem mal nach Haus tragen. Plötzlich war Senhor Mauricio da. Er machte die Runde durchs Dorf, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Da sah er den Fremden an unserer Tür. Wir notierten seine Telefonnummer und er stellt einen Sack Reis und einen Sack Kokosnüsse bei uns ab. Morgen früh, sagte er, will ich ihn abholen. Er holte ihn noch am gleichen Abend ab. Drei junge Leute aus seiner Familie kamen ihm entgegen. Sie trugen die Säcke nach Hause. Die Frauen die schwereren, die Männer den Rest.
Am nächsten Morgen gingen wir auf neun Uhr zum Weihnachtsgottesdienst. Die Kirche war so gut wie leer. Im Alterraum stand ein Tisch, darauf ein Fernseher. Es lief ein Video mit südafrikanischer Gospelmusik. Einige Gemeindeglieder kamen noch. Als der Gottesdienst begann, waren wir zwölf, am Schluss vielleicht fünfzehn. Nein, Weihnachtsfreude kam so nicht auf. Schade.
Später am Tag fragte ich Senhor Mauricio, wo denn die Gemeinde gewesen sei. In Deutschland sei Weihnachten die einzige Zeit im Jahr, in der die Kirchen voll seien. Und hier war gähnende Leere. Er lachte nur und verwies auf das Wetter. Nach Tagen brütender Hitze hatte es endlich angefangen zu regnen. Die Leute warten auf den Regen, sagte er. Und wenn der Regen kommt, dann gehen sie aufs Feld. Da kann es Sonntag sein oder Weihnachten oder Neujahr. Das Feld hat Vorrang. Auf das, was dort wächst, sind die Menschen, wie es scheint, mehr angewiesen als auf den Gottesdienst am Weihnachtstag. Als der Gottesdienst zu Ende war, goss es in Strömen. Wir warteten. Der Regen ließ nicht nach. Die Gemeindeglieder bleiben einfach sitzen. Eine Frau schlief in der Bank sitzend ein. Wir gingen. Als wir zu hause ankamen, waren wir durchnässt.
Wenigstens das Weihnachtsoratorium hörten wir dann noch. Und die Weihnachtsgeschichte nach Lukas. Und eine Besinnung zur Christvesper las ich, die wir per Mail erhielten. Gut, dass wir das alles tun konnten.



Als der Regen nachließ, besuchten wir die Kinder im Waisenhaus. Kleine Geschenke hatten wir vorbereitet. Ein Paar Flipflops für jeden, einen Lolli, dazu selbstgebastelte Sterne von den Kindern und Jugendlichen aus Mareis Praktikumsgemeinden.



Mit der Verteilung klappte es nicht so gut. Von manchen Größen hatten wir zu viele, von anderen zu wenig. Aber das werden wir noch korrigieren! Jedenfalls hier war die Freude groß.



Nun ist Weihnachten vorbei. Einen zweiten Feiertag gibt es in Mosambik offiziell nicht. Noch immer ist das Wetter so, dass man keinen Hund vor die Tür jagen möchte. Erst wegen der Hitze (selbst im Zimmer hatten wir 36°!), und nun wegen des Regens. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen! Heute werden wir das Haus verlassen. Auch ohne Hund.

2008/12/23

23.12. - Lauras Zukunft

Heute morgen hat uns Laura besucht. Bis vor kurzem war sie Studentin im vierten Studienjahr am Theologischen Seminar in Cambine. Seit letzten Sonntag, 4. Advent, ist sie nun offiziell Pastorin der Igreja Metodista Unida de Moçambique. Das ist eigentlich ein Grund, froh und dankbar zu sein, denn schließlich bedeutet das Festanstellung auf lange Zeit. Wer hat das schon in diesem armen Land? Doch man sieht ihr an, dass sie nicht glücklich ist. Und ich kann sehr gut verstehen warum.
Pastorinnen und Pastoren der methodistischen Kirche bewerben sich nicht um eine Gemeinde. Sie suchen sie sich nicht aus. Sie erhalten eine Dienstzuweisung. Das heißt, die Kirchenleitung sendet sie für eine gewisse Zeit an einen bestimmten Ort. Dort werden sie dann mit ihren Familien leben und arbeiten. Kann es bei so einer Praxis „Gerechtigkeit“ geben? Wohl nicht. Wie sollte die denn aussehen? Allenfalls kann die Kirche versuchen, die unterschiedlichen Lebensbedingungen an den verschiedenen Orten, so gut es eben geht, auf ein ähnliches Niveau zu bringen. Doch wie soll das gehen in einem Land wie Mosambik?
Das Dorf, in dem Laura die nächsten Jahre leben wird, liegt mitten im Busch. Von der Hauptstraße trennen es 33 Kilometer Piste. Bis in dieses Hinterland reicht kein Mobilfunknetz. Das heißt, sie ist dort praktisch von jeder überregionalen Kommunikation abgeschnitten. Die Verkehrsverbindung ist schwierig. Pro Tag fährt ein Chapa in die Stadt. Erst am Abend kommt es zurück. Wer krank ist, sollte dieses Auto erwischen, denn auch die nächste Gesundheitsstation befindet sich in der Stadt. Elektrischen Strom gibt es auf diesem Dorf nicht. Bis zur Wasserstelle sind es zwei Kilometer Weg. Laura hat eine vierzehnjährige Tochter. Sie lebte die vergangenen Jahre in Maputo im Haus eines Onkels. Jetzt wird sie mit ihrer Mutter in den Busch ziehen. Aus der Hauptstadt in den Busch! Auch sie ist darüber nicht glücklich. Für sie bedeutet der Wechsel vor allem, dass sie täglich vier Stunden Schulweg vor sich hat, morgens zwei Stunden hin und in der glühenden Mittagshitze zwei Stunden zurück...
Wie viel Zeit werden Laura und ihre Tochter zur Verfügung haben, um ihr Leben zu organisieren? Wasserholen, Feldarbeit, Brennholz organisieren, Essen bereiten... Wie viele Stunden wird sie täglich benötigen, um ihre Arbeit zu tun? Hausbesuche, Beerdigungen, Gottesdienste vorbereiten... Oder wird ihre Gemeindearbeit zuerst darin bestehen, dass sie sich auf die Lebensbedingungen ihrer Gemeindeglieder einlässt, dass sie auf diese Weise deren Leben teilt? Sie sagt, sie wird sich darauf einlassen. Das sei für sie klar. Doch wird sie damit zurecht kommen? Noch ein, zwei andere Absolventen ihres Jahrgangs werden an Orte kommen, in denen sie ähnlich schwierige Lebensbedingungen vorfinden werden. Andere wurden in eher städtisches Umfeld versetzt. Deren Leben wird wesentlich einfacher sein. Um über solchen Unterschieden nicht bitter zu werden, braucht es gehörig viel persönliche Stärke. Und Vertrauen. Laura sagt: Gott ist Vater. Und er wird wissen, was ich benötige.

2008/12/20

20. Dezember – Fensterchen öffnen

In den Wochen vor Weihnachten hängen in vielen Wohnungen Adventskalender. Kinder und Erwachsene lieben es, die am jeweiligen Tag die mit dem passenden Datum versehenen Fenster oder Türchen zu öffnen. Dahinter finden sie dann ein Bildchen oder Schokolade.
Bei uns wurde gestern auch ein Fensterchen geöffnet – das zum Gästezimmer. Und zwar von außen, um an die Brieftasche heranzukommen, die nicht weit genug vom Fenster entfernt lag. Viele Euros fand der ungebetene Besucher. Seine Augen werden geglänzt haben. Für Weihnachten hat er nun ausgesorgt. Gott sei Dank, die restlichen Sachen in der Brieftasche ließ er zurück. Nur wir haben jetzt den Ärger. - Natürlich, wir hätten besser aufpassen müssen. Trotzdem, die Klauerei hier auf dem Dorf ist ärgerlich! Oder war vielleicht Robin Hood am Werk? Oder Karl Stülpner? Und das bei den reichen Europäern erbeutete Geld wurde längst an die Armen verteilt? Das mag glauben, wer will. Ich nicht.
Und doch wird dieses Denken eine Rolle gespielt haben: Die haben’s ja. Und ich habe nichts. Also darf ich mir nehmen, was sich mir bietet. Die Meinungen darüber werden auseinander gehen, je nachdem ob ich mich zu den Armen oder zu den Reichen zähle.
Doch auch wenn es irgendwann einmal keine Armut mehr geben sollte, wäre das Problem des Mehr-Haben-Wollens nicht gelöst. Daran erinnert uns schon das Märchen vom Fischer und seiner Frau. Wie also können wir miteinander leben als Ärmere und Reichere? Und wie können wir dafür sorgen, dass jeder findet, was er zum Leben braucht – ohne dass er andere bestiehlt? Müssen wir weiter träumen? Oder gibt es realistische Möglichkeiten zu handeln? Im Moment weiß ich keine Antwort.

2008/12/19

17. – 19. Dezember 2008 - erwartete Ankunft

Am Mittwoch früh um fünf brachen wir auf. Wieder mal nach Maputo. Das Auto wie immer voll besetzt. Zwei junge und zwei kleine Mädchen waren unsere Fahrgäste. Weihnachten und Jahreswechsel zu hause im Busch bei Mutti? Das kommt nicht in Frage! Nur wenn es gar nicht anders geht... In diesem Jahr geht es anders und die Mädchenaugen strahlen, denn sie werden die Feiertage in der Hauptstadt verbringen!
Dass wir nach Maputo fahren, um unsere Kinder abzuholen, die extra von Deutschland kommen, um mit Mutti im Busch Weihnachten und Jahreswechsel zu feiern, können sie schon irgendwie verstehen. Aber eigentlich doch nicht.
Am nächsten Morgen frühzeitig zum Flughafen. Ausgeschrieben ist die Ankunft für 6:55 Uhr. Es ist gerade 6:55 Uhr. Da springt die Anzeige: eine Stunde Verspätung. Warten. Warten. Gedanken melden sich: Es werden doch wohl keine ernsten Gründe sein? Ich sage mir: Angst hat man nur um die Menschen, die man liebt. Um den, der einem gleichgültig ist, macht man sich keine Sorgen.



Da taucht ein Licht am Himmel auf. Das Flugzeug aus Lissabon. Und tatsächlich steigen mit den vielen auch die beiden aus, auf die wir warten.



Endlich, nach einem anderthalben Jahr Wiedersehen mit Marei, nach einem Jahr Wiedersehen mit Markus. Freude und Dankbarkeit sind groß. Als die Beiden in Maputo ankommen, sind sie schon mehr als einen Tag unterwegs, von ihren Wohnorten ab gerechnet. Und 500 Kilometer Nationalstraße liegen noch vor ihnen. Doch diesmal, scheint es, kommen wir schneller voran. Es gibt soo viel zu erzählen. Und als Markus mit 70 statt 60 km/h gestoppt wird, hat sogar der Polizist ein Einsehen und wir dürfen einfach weiterfahren. Und übrigens: in Chicuque sei doch Jährliche Konferenz. Warum ich denn nicht dort sei? Bischof Machado sei heute hier auch schon durch gekommen. – Ob er auch zu schnell war? Ich werde ihn fragen.

2008/12/16

Auf der Palme wird es eng

Woher ich das weiß? Ich war heute auf der Palme. Wie kam’s dazu? Mal wieder damit, dass wir nach Maxixe fuhren und unser Gärtner meinte: Meine Senhora will mit. Nun gut, wenn andere mitfahren, warum nicht die holde Gärtnersfrau mit dem kleinen Kind auf dem Rücken? Als wir abfuhren, war wie immer, jeder Platz im Auto besetzt. Soweit so gut. In Maxixe angekommen wurde klar, dass nicht die Gärtnersfrau nach Maxixe wollte, sondern der Gärtner hatte sie geschickt, um einzukaufen: vier Säcke Mehl und einen Sack Reis, jeweils á 50 Kilo. Der Gärtner ist nämlich auch Bäcker. Und wie es scheint, ist er das im Hauptberuf. Warum sonst braucht er sonst soviel Mehl? 250 Kilo mal so schnell mitbringen, ohne vorher auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Und natürlich auch möglichst ohne Transportkosten! Doch wir selber hatten auch noch Einkäufe zu tätigen und die anderen Mitfahrer auch. Ich hatte Mühe, nicht aus der Rolle zu fallen. Bedauerlich ist, dass die Frau meinen ersten Frust abbekam, der doch eigentlich ihren Gärtner-Bäcker-Gatten galt. Doch nahm ich mir vor, auch mit ihm noch Klartext zu reden. Als ich auf sein Grundstück fahre und Männer die Säcke ausladen, suche ich den Gärtner-Bäcker. Er ist nicht dabei. Wo er denn ist, will ich wissen. Er sei grade nicht da, sagt man mir. Er sei im Moment auf der Palme. Kokosnüsse ernten! – Aha. Es wird eng auf der Palme. Und Klartext werden wir später reden müssen. Aber wirklich!

2008/12/14

3. Advent - wie die Christstollen

Die einzige nennenswerte Leistung, die wir heute vollbracht haben, war der morgendliche Gottesdienstbesuch in Chicuque. Der Rest war: HITZE! So ähnlich müssen sich Christstollen vorkommen, kurz bevor der Bäcker sie aus dem Ofen zieht...

Der Gottesdienst war angenehm kurz (grade mal drei Stunden) und als wir nach Cambine zurückfuhren, war es fast Mittag. Die Sonne stand senkrecht und die Menschen warfen ihren Schatten nur auf ihre Füße. Bald ist bei euch Wintersonnenwende, das heißt, dass die Sonne demnächst senkrecht über dem südlichen Wendekreis stehen wird, der etwa zehn Kilometer nördlich von hier verläuft.

Zwei Beobachtungen aus dem Gottesdienst, die die Kleiderordnung betreffen: Wer hat, trägt im Gottesdienst natürlich den Sonntagsstaat. Daran erkennt man die Wohlhabenderen. Die weniger Betuchten tragen schlicht die neusten, also die intaktesten Kleidungsstücke, die sie haben. Oft sind das getrackene Stücken aus Kleidersammlungen in Europa, gut gemeinte Spenden, die für wenig Geld weiterverkauft werden. Das wiederum verdirbt den Textilherstellern hier das Geschäft. Denn wer wenig hat, kauft nicht das Billige, sondern das Billigere. Oder man trägt Hemden mit Werbebotschaften. In Maxixe war neulich Bürgermeisterwahl. Als Wahlgeschenk verteilte der FRELIMO-Kanditat leuchtend gelbe T-Shirts mit seinem Bild und dem Aufruf, doch bitte wieder ihn zu wählen. - So kam es, dass einer der Chöre im Gottesdienst heute beinah komplett in den gelben Wahl-T-Shirts auftrat. Man stelle sich Vergleichbares in Deutschland vor...

Grotesk aber war ein anderes Kleidungsstück. Eine unserer Studentinnen, des Englischen offenbar nicht mächtig, trug ein T-Shirt mit der englischen Aufschrift: "Sorry, girls, I am gay!" - Leute, lernt Sprachen! Und zwar rechtzeitig.

2008/12/13

13. Dezember - money makes the world go round

Finanzkrise. Wirtschaftskrise. Hilfen für Banken oder die Not leidende Automobilindustrie. Seit Wochen bestimmen diese Stichworte die erste Meldung, die ich höre, wenn ich morgens auf Kurzwelle die Nachrichten aus Deutschland einstelle. Von zwei- und dreistelligen Milliardenbeträgen ist oft die Rede, die zu Hilfspaketen verschnürt unters Volk gebracht werden sollen. - Unters Volk? Das Volk kann zufrieden sein, wenn die Pakete helfen, dass es seinen Arbeitsplatz behält.

Ich kann mich zu Sinn oder Unsinn solcher Maßnahmen nicht äußern. Ich sage offen: Dafür verstehe ich zu wenig von der Sache. Auch ich bin einer der zahllosen finanz- und wirtschaftspolitischen Analphabeten, die es, wie mir scheint, nicht nur im ehemals planwirtschaftlichen Osten Deutschlands gibt. Ich glaube im Gegenteil, dass gerade diejenigen, die sich für Auskenner hielten, nun die am stärksten Geprellten sind.

Die Mahnung Tucholskys kommt mir in den Sinn: „Lass dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: »Lieber Freund, das mache ich schon seit zwanzig Jahren so!« - Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen.“
Wir haben uns aber beeindrucken lassen. Kann es sein, dass auch wir in der Kirche meinten, genau zu wissen, was wir tun? Haben wir im Namen des Sachverstandes den Chancen und Gewinnmöglichkeiten des Finanzmarktes vertraut, ohne zu spüren, dass allein schon diese Worte verräterisch sind? Stammen sie nicht aus dem Vokabular des Glücksspielers?

Ich will nicht polemisieren. Ich weiß aus eigener alltäglicher Erfahrung, dass es immer etwas von Glücksspiel hat, wenn man Geld verleiht – egal ob an einen bittenden Nachbarn oder an eine Bank. Vielleicht befremdet mich gerade deshalb so sehr, was wir noch 2007 während der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz erlebten. Der wohl durchdachte und gut begründete Antrag, einen Teil – des freilich nicht übermäßig großen – Vermögens der Kirche bei einer Bank für Mikrokredite anzulegen, wurde kurzerhand und ohne nennenswerte Begründung abgewiesen. Die Finanzfachleute sahen dazu keine Möglichkeit. Der einzige Verlust, der der Kirche dabei entstanden wäre, wäre eine etwas niedrigere Rendite gewesen. Ich hoffe, dass die derzeitige Krise keine höheren Verluste gebracht hat.

In der ZEIT erschien am 13. November 2008 ein Wirtschaftsteil spezial zum Thema Geld. Dort fand ich folgendes Beispiel aus Indonesien: Eine junge Frau hat gemeinsam mit ihrer Mutter einen Mikrokredit in Höhe von 65 Euro aufgenommen. Als die Mutter plötzlich stirbt, ist es ihr kaum noch möglich, den Kredit zurückzuzahlen und zugleich die Familie zu ernähren. Doch sie hatte für 1 Euro Jahresprämie eine Lebensversicherung abgeschlossen, die nun mit knapp 200 Euro einsprang und die restlichen Rückzahlungen, sowie die Beerdigungskosten übernahm. Dazu erhielt die Frau noch eine Summe, die sie in ihr Geschäft investierte. Damit konnte sie ihre Einnahmen spürbar verbessern und steht nun wirtschaftlich besser als vordem. Durch ein Hilfspaket von 200 Euro!

Solche Mikrofinanzierungen werden inzwischen von großen und kleinen, von privatwirtschaftlichen und gemeinnützigen Banken angeboten. Doch gerade die Gemeinnützigen erleben in den jetzigen Zeiten der Verunsicherung einen Zulauf wie kaum vorher. Gut so! Hilfe empfangen, wenn man sie braucht, ist die eine Seite. Helfen, wenn man es kann, ist die andere Seite der Medaille. Und beide gehören zusammen. Warum also nicht mal darüber nachdenken, das Geld auf der hohen Kante – auch wenn es nicht viel ist – anders zu sortieren als bisher. Denn zumindest bei Gott wird das Geld nicht nur gezählt, sondern gewogen. Und schon Jesus hat uns vorgerechnet, dass das Scherflein der armen Witwe mehr wiegt als die steuerlich absetzbare Großspende aus dem Überschuss eines Besserverdienenden.

PS: In diesem Zusammenhang interessant ist auch das aktuelle Dokument der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland „Grundsatzerklärung Neubesinnung im Umgang mit Geld angesichts der weltweiten Finanzkrise“, zu finden im Internet unter der Adresse:
http://www.emk.de/fileadmin/meldungen-zk-2008/pdf/Grundsatzerklaerung_Umgang_mit_Geld_01.pdf

2008/12/12

10./11./12. Dezember – Sauna ohne Tauchbecken

Die vergangenen Tage habe ich schwitzend mit Fieber und Kopfschmerz im Bett verbracht. Der Grund dafür: Malaria. Doch hier wird jedes Unwohlsein Malaria genant, unabhängig davon, ob es wirklich eine ist oder nicht. Agente Jorgio, der Leiter der Gesundheitsstation, der uns gestern abend besuchte, meinte auch, wesentliche Symptome einer Malaria würden fehlen. Ich werde mir wohl eine typische Klimaanlagen-Erkältung eingefangen haben.
Doch was soll man tun? Wenn es draußen 35° hat und das Auto in der Sonne steht und aufgeheizt ist wie eine Saunakabine – und kein Tauchbecken ist in Sicht? Irgendwie muss man die Hitze doch kalt machen... oder wenigstens kühl. Im Vergleich zu anderen Autos, in denen wir mitfahren durften, sind wir schon vorsichtig und sparsam im Einsatz der Klimaanlage und trotzdem hat es wohl gereicht. – Heute geht es wieder besser und morgen ist es – hoffentlich – wieder gut.

Übrigens, kennt ihr die Bedeutung des Wortes Malaria? Eigentlich naheliegend, aber ich weiß es auch erst seit Claudia Tropenkurs letztes Jahr. Das Wort ist eine lateinische Bildung, „mal“ heißt „schlecht“ und „aria“ hat hier nichts mit Musik zu tun, sondern heißt „Luft“ – „schlechte Luft“. Als man noch nichts davon ahnte, dass Moskitos die Krankheitserreger durch Stechen übertragen, meinte man, schlechte Luft sei die Ursache. So kam die Krankheit zu ihrem Namen. (Mehr dazu siehe auch unter http://www.emkweltmission.de/netze-retten-leben.html)

Nebenbei: Es ist Mittagszeit, die Sonne brennt vom Himmel und vor meinem Fenster läuft gerade ein vielleicht zehnjähriges Mädchen vorbei, auf dem Kopf trägt es – sozusagen als Schutz vor der Sonne – einen 25-Kilo-Sack Reis.

2008/12/09

9. Dezember - Wie geht ihr mit Bettlern um?

In Maxixe, so scheint mir, werden jetzt vor Weihnachten die Bettler immer mehr. Das sind die, die immer schon da sind: der Blinde zum Beispiel, von dem man uns sagte, dass er gar nicht blind sei. Oder der junge Mann, der immer halb nackt durch die Gegend läuft. Doch seit kurzem sind da auch andere, Straßenhändler zum Beispiel, die einen anbetteln, wenn man ihnen nichts abkauft.
Manchmal gebe ich was, manchmal nicht. Heute habe ich einen Händler weggeschickt, der Geld für Trinkwasser erbetteln wollte. Ich sagte ihm die Wahrheit: Du bist nicht der erste, der heute von mir Geld möchte. Ich kann nicht allen helfen! - Darf ich das? Oder ist das zynisch, wenn ich danach über die Straße gehe und im Supermarkt mehr Geld ausgebe als er vielleicht in einem halben Jahr in Händen hat?
Eine immer richtige Antwort wird es auf diese Frage wohl nicht geben. Denn soviel ich auch gebe und leihe und helfe, ich werde die Armut nicht aus der Welt schaffen. Das sagt mein Verstand. Und ich weiß, er hat recht. Und doch bleibtr am Ende ein Fragezeichen.

8. Dezember – Verloren?

Heute Mittag kam Claudia vom Dienst zurück - und war fassungslos. Ich muss dir was erzählen, kam sie ins Arbeitszimmer, wo ich am Tisch saß und meinen Unterricht überarbeitete. „Stell dir vor,“ sagte sie, „bei mir war heute eine Frau mit ihrem vielleicht zweijährigen Sohn. Mutter und Kind waren ganz und gar unaufgeregt. Sie wollte nur die Praxisgebühr bezahlen. Dann kam Jorgio, unser Chef, zur Tür herein. Das Kind sah den Mann und begann panisch zu schreien. Ich dachte erst, das Kind hätte Angst vor Jorgio. Das kann ja sein. Als Behandler muss man den Kleinen ja auch manchmal weh tun. Und manche Kinder vergessen das nie mehr. Aber was dann die Mutter zu ihrem Kind sagte, das hat mich tief erschreckt: Brauchst keine Angst haben, Kind, das ist doch nicht dein Vater. Auch das sagte sie ganz unaufgeregt, so als würde sie den Abgrund gar nicht spüren, der sich in ihren Worten auftat. Und vielleicht war sie sich ihm auch wirklich nicht bewusst.“
Ich weiß, so etwas gibt es nicht nur in Afrika. Dieses Elend existiert weltweit. Trotzdem müssen wir immer wieder an die beiden denken. Was mag an Leiden hinter dieser kurzen Begegnung stehen? Wir wissen es nicht.
An den verlorenen Sohn im Gleichnis (Lukasevangelium Kapitel 15) muss ich denken. Als er am Tiefpunkt seines Lebens angelangt war und Hunger und Elend litt, ging er in sich, heißt es. Und dabei keimte in ihm der Gedanke: Ich gehe zurück zu meinem Vater. Selbst wenn ich nicht mehr Sohn sein darf. Noch als Haussklave geht es mir bei ihm besser als hier. -Glücklicher verlorener Sohn! Er wusste, an wen er sich wenden konnte. Doch wohin wird dieser kleine mosambikanische Junge einmal gehen, wenn er einen Vater braucht?

7. Dezember – Das große Fest

Das war es nun also, das große Fest der Graduation. Zehn Studienabgänger und vielleicht 350 Gäste. Wenigstens waren es nicht 500, wie zunächst erwartet. Um ehrlich zu sein: Die Feier hat mich in meiner Skepsis bestärkt.
Das liegt nicht daran, dass ich die Freude und den Stolz über ein abgeschlossenes Studium schmälern möchte. Auch kann ich verstehen, dass zehn junge Menschen, die in den vergangenen vier Jahren miteinander Schönes und Schweres erlebt haben, nun wo sich ihre Wege trennen werden, Abschied feiern wollen. Nur wenige Tage noch und sie erhalten die erste Dienstzuweisung, die sie im weiten Land verteilen wird. Selbst dass neben dem Gottesdienst gutes und reichliches Essen der Mittelpunkt des Festes ist, kann ich nachvollziehen. Richtig gut essen, richtig satt werden – das können hier viele nur, wenn ein Fest gefeiert wird. Hat man es selber auszurichten, scheut man weder Kosten noch Mühen, selbst wenn man dabei in die Gefahr gerät, weit über seine Verhältnisse zu leben.
Aber wie gesagt, das alles ist nicht der Grund meiner Skepsis. Ich misstraue vielmehr der Haltung, in der man hier in der Kirche uns Pastoren begegnet. Und die manche – wie mir scheint – nur zu gerne übernehmen. Schon Studenten im ersten Studienjahr werden als Pastoren bezeichnet und behandelt. In Gottesdiensten sitzen wir Würdenträger, getrennt von Familie und übriger Gemeinde ganz vorn rechts auf den besten Plätzen. Beim Essen nach dem Gottesdienst dürfen, nein, müssen wir unter das Sonnendach an den Tisch (gut, dafür bin ich dankbar!), während das Kirchenvolk unterm Baum auf dem Fußboden speist. Ich frage mich, was haben wir eigentlich gefeiert?
Der Direktor des Seminars brachte es für mich auf den Punkt: Ein Fest unterwegs. Für euch geht der Weg des Studium heute zu Ende - doch nur damit ein neuer Weg für euch beginnen kann. Genau so ist es. Kann sein, ich bin ungerecht, doch für mich hat das Fest den Beigeschmack: hier feierten die Geistlichen vor allem sich selber. – Ob das unserem Dienstverständnis entspricht?


Finalistas des Jahrgangs 2008

2008/12/07

2. Advent – Haben Rosen Dornen oder tragen Dornen Rosen?

Haben heute abend wieder unsere Auswahl an Adventsmusik von der Festplatte gehört. Gleich dreimal kam „Maria durch ein Dornwald ging“ vor: erst gesungen vom Thomanerchor, dann in einer Aktualisierung von Gerhard Schöne und schließlich in der meisterhaften Fassung des Ensembles Amarcord.
Normalerweise reagiere ich gereizt oder gelangweilt, wenn in kurzer Zeit dreimal dasgleiche Lied erklingt. Heute war es anders. Aus einer Rose mit hässlichen Dornen wurden Dornen, die wunderschöne Rosen tragen. Manchmal muss man etwas hundertmal hören, um es einmal wirklich zu hören!
Was für ein Bild: eine schwangere Frau durchwandert einen unheimlichen Ort und aus den lange schon abgestorben scheinenden Dornen erblüht in duftenden Rosen neues Leben!
Was ist das eigentlich für eine Metapher, der Dornwald? Sieben Jahre hat er keine Blüten getragen. Ich assoziiere mit dem Dornwald Schmerz und Trauer über erstarrtes, ungelebtes, gänzlich verlorenes Leben. Auch die Erinnerung an Buchenwald kommt mir in den Sinn: vernichtetes Leben. Der Dorn im Auge, der Stachel im Fleisch.
Und dieses Leben soll blühen, weil eine Frau in guter Hoffnung diesen Unort des Lebens durchschreitet - ihr ungeborenes Gotteskind unter dem Herzen?
Und dann dieses immer wiederkehrende kyrie eleison, Herr erbarme dich. - Sollen die Adventswochen nicht eine Zeit der Vorfreude sein, die uns eher ein Halleluja in den Mund legen als ein kyrie eleison? Stollen und Plätzchen, anstelle des Kelchs, des bittern, des Leids, gefüllt bis an den Rand.
Ich glaube, viele Menschen haben deshalb ein gebrochenes Verhältnis zu Advent und Weihnachten, weil es oft so verlogen daher kommt. Als stiege wirklich der Himmelsfrieden nieder, nur weil wieder mal Dezember ist. Nein, die Dornen- und Buchenwälder unserer Welt roden sich nicht selber, nur weil Weihnachten auf dem Kalender steht. Dazu braucht es Menschen, die Hoffnung nicht als Vertröstung verstehen.
In unserem Nachbarland Simbabwe leben die Menschen seit Monaten, ja seit Jahren unter unsäglichen Bedingungen, nur weil ein altersstarrsinniger Revolutionär nicht von der Macht lassen kann. Und jetzt kommt noch diese Choleraepidemie, die das geschwächte Volk nun in großer Breite bedroht. Wird ein Diktator wie Mugabe das Volk aus seiner Geiselhaft entlassen - nur weil die Welt im Advent wie von selbst friedlich und heil wird? Wohl kaum. Doch singt das Lied wirklich davon?
Nein. Der Dornwald wird nicht gerodet. Aber weil eine Frau Gott selber - in der Gestalt eines gefährdeten und ungeborenen Kindes - an diesen hoffnungslosen Ort trägt, entsteht dort neue Hoffnung, symbolisiert in den blühenden Rosen. Und Hoffnung im biblischen Sinn will ja nicht, wie Marx monierte, Opium des Volkes sein, das nichts kostet und nur dazu taugt, die Sinne zu benebeln. Und schon gar nicht die vage Haltung: Na ja, wird schon alles irgendwie gut gehen.
Wirklich christliche Hoffnung, wie sie in den biblischen Texten begegnet, ist vielmehr eine mutige und manchmal trotzige Zuversicht, die zu handeln wagt, auch im Wissen, dass es für das Gelingen keine Garantie gibt.
Es müssen nicht immer rote Rosen sein, an das Lied uns denken lässt. Es kann auch eine "Weiße Rose" sein, die aufblüht, wenn Menschen Gott ihren Dornwald durchqueren lassen.



Bild von Sophie Scholl, Mitglied der studentischen Widerstandsgruppe "Weiße Rose" gegen die Nazidiktatur

2008/12/06

6. Dezember – Gestiefelt...

haben wir heute nicht, wir tragen ja nur Sandalen. Also Nikolaustag auf europäische Art haben wir nicht gefeiert. Das haben wir übrigens auch voriges Jahr schon nicht getan, da saßen wir an diesem Tag im Flugzeug. Morgen wird es ein Jahr her sein, dass wir in Mosambik angekommen sind. Schon ein ganzes Jahr!
Heute abend unter einem sehr hellen halben Mond haben wir dieses Jahr Revue passieren lassen: Ja, es war ein gutes Jahr – nicht alles war und ist gut, nicht alles einfach. Aber das ist immer so, ganz gleich, wo man lebt. Manches ist und bleibt für uns befremdend – in Deutschland genau so wie in Mosambik, doch insgesamt können wir sagen: Selbst wenn wir aus irgendeinem Grund bereits jetzt nach Deutschland zurückkehren müssten, für uns hätte sich der Aufwand schon gelohnt.







Waren heute wieder einkaufen, für morgen, fürs große Fest. Mit 25 Kästen Limonade im Kofferraum über Stock und Stein.


Nachmittags der Verabschiedungsgottesdienst für die „Finalistas“ und jetzt läuft die Feier der Studenten. Wie gesagt, wir haben den nahezu moskitofreien Abend genutzt und unter einem hellen halben Mond in aller Ruhe unser letztes Jahr bedacht. Studenten haben das Recht, auch ohne ihre Lehrer zu feiern.

5. Dezember - ankommen und abholen

In Cambine ankommen – das ist nicht so einfach, wenn du auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen bist. Bis Maxixe oder Morrumbene, die nächsten größeren Orte kommst du immer irgendwie. Auch an der Cruzamento halten manchmal Busse. Für die letzten zehn Kilometer brauchst du dann ein Chapa. Doch die fahren unregelmäßig und abends dann irgendwann gar nicht mehr. Klar, dass man uns immer wieder fragt: Wäre es möglich, heute abend um acht meinen Bruder von der Cruzamento abzuholen? – Klar ist das möglich, meistens jedenfalls. Doch um ehrlich zu sein: Lust habe ich oft nicht, abends noch mal loszufahren, zumal ich nie weiß, wie lange das „schnell-mal-abholen“ wirklich dauern wird...
Im Advent reden wir Christen gern vom Ankommen Gottes in der Welt. Müssen wir ihn vielleicht auch „abholen“, dass er nicht vergessen und verloren an irgend einer Kreuzung stehen bleibt? Ich glaube schon, denn auch Gott kommt nicht einfach an und ist dann eben da. Wie alle, die irgendwo ankommen, ist auch er darauf angewiesen, dass Menschen sich in ihren Plänen stören lassen, ihre Unlust überwinden und sich dem zuwenden, der da gerade kommt. – Sich stören lassen in seinen Plänen - vielleicht ist das schon der halbe Weg zur Kreuzung, an der Gott auf uns wartet.

2008/12/04

4. Dezember

Am Sonntag wird in Cambine ein großes Fest stattfinden. Fünfhundert(!) Gäste werden erwartet. Und wie überall auf der Welt, wo Mangel herrscht, spielt auch hier bei einem Fest die Verpflegung die entscheidende Rolle. Heute morgen gegen fünf fuhren wir los, um noch vor der größten Hitze beim Bauern direkt auf dem Feld Gemüse zu kaufen: grüne Bohnen, Paprika, Gurken und Tomaten. Das ganze Auto voller Schüsseln – für umgerechnet 35 Euro. Die Arbeit der Menschen ist hier eben billig.



Ja, und heute abend musste ich feststellen, dass wir in den vergangenen 28 Jahren Unsummen an Geld einfach zum Fenster hinausgeworfen haben. Zum ersten Mal in unserer gemeinsamen Zeit hat Claudia mich geschoren. Ich finde, das hätte sie schon viel eher tun sollen.

2008/12/03

3. Dezember - Jetzt doch Schnee in Afrika?


Was soll das denn sein?

Der heutige Beitrag richtet sich wohl eher an die (Haus-)Frauen und ihr werdet gleich erfahren, warum. Während ihr in Deutschland die Wohnung schön warm macht, viele Kerzen anzündet und Weihnachtsplätzchen backt, stehe ich in meiner Küche und schwitze, und das nicht nur wegen der 30 Grad Zimmertemperatur. Auf dem Herd steht ein großer Topf, dessen Inhalt ich nun ungefähr eine halbe Stunde rühre. Und nun ahnt ihr vielleicht auch schon, dass ich Marmelade koche. Ein bisschen komme ich mir vor wie im falschen Film: Marmelade kochen im Dezember.



Wenn ich ehrlich bin, muss ich wohl sagen, dass ich jetzt doch auch lieber Plätzchen backen würde - und im Juni Erdbeermarmelade kochen. Aber so ist das wohl mit uns Menschen: Wir vermissen immer gerade das, was wir im Moment nicht haben können. Ihr sehnt euch nach Wärme, Sonnenlicht, Baden im Indischen Ozean...
Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass mir die Mangomarmelade gelingt und sie uns schmecken wird.




Armindo, ein Student aus dem ersten Studienjahr ist extra für uns in den Baum gestiegen und hat sie geerntet. Wir haben noch ganz viele Mangos am Baum hängen. Ihr seid herzlich eingeladen, uns beim Essen der Früchte zu helfen. Sie schmecken wirklich viel besser als die, die wir in Deutschland aus dem Supermarkt kennen!

Und was ist das nun oben auf dem ersten Bild? - Was man noch sehen kann, wenn man auf anderthalb Kilo geschnittene Mangos die gleiche Menge Zucker schüttet. Isses nich süß?

2008/12/02

2. Dezember – Advent an der Kreuzung



Was warten heißt, führen mir die Frauen vor Augen, denen ich an der Cruzamento begegne. Dort wo unsere Sandpiste von Cambine in die Hauptstraße mündet, befindet sich ein kleiner aber geschäftiger Markt. Plastikschüsseln, Glühbirnen, Seife, was man halt so braucht. Aber diese Stände sind es nicht, die den Platz beleben. Es sind die Frauen, die dort Früchte und Garnelen verkaufen wollen. Jetzt im Dezember ist Hochsaison für Mangos. Weil es hier Mangobäume ohne Zahl gibt, kosten zwanzig frische Früchte in diesen Tagen dreißig Cent. Mit randvollen Schüsseln auf dem Kopf laufen die Frauen oft lange Wege durch den Busch bis an die Kreuzung. Dort stehen sie dann und warten. Doch warten heißt für sie nicht Däumchen drehen, sondern gespannte Aufmerksamkeit. Bremst ein Fahrer seinen Wagen ab, merken sie es sofort und rennen auf das Auto zu. Kaum steht der Wagen, ist er von Frauen umringt, die alle ihre Früchte verkaufen möchten. Öffnet man die Fensterscheibe, muss man sich der vielen Angebote regelrecht erwehren. Das ist nicht jedermanns Sache. Trotzdem beeindrucken mich diese Händlerinnen jedes Mal aufs Neue.
Oft stehen die Frauen den ganzen Tag in der Sonne, manche tragen ein Kleinkind auf dem Rücken und trotzdem spürt man als Käufer nur selten Konkurrenz. Mir ist noch nie aufgefallen, dass Ellbogen eingesetzt werden, um zuerst am Fenster zu sein. Eher habe ich den Eindruck, dass zwischen den Frauen eine Atmosphäre der Solidarität herrscht. Doch bitte, romantisiert die Szene nicht, was die Frauen verbindet, ist nicht die Zufriedenheit mit dem wenigen, was sie haben. Ich glaube eher, es ist eine Gemeinschaft der Not, eine Frauen-Gemeinschaft, eine Insel in der männerdominierten Gesellschaft.
Advent an der Kreuzung? – Ja, für mich ist das ein schönes Bild für das, was uns in den Wochen vor Weihnachten beschäftigt: In der Situation des Mangels warten müssen und trotzdem die Frau – den Menschen – neben mir zu seinem Recht kommen lassen.

2008/12/01

1. Dezember

Claudia hat heute morgen am Adventskalender das erste Türchen geöffnet. Sie konnte das gedruckte Bildchen gar nicht richtig identifizieren. Ich meine, es soll die Herbergssuche darstellen. - Jetzt schon? Ich denke, Maria und Joseph müssen sich erst noch auf den Weg machen... Naja, geht ja gut los.
In der Gesundheitsstation war Hochbetrieb, Claudia nahm innerhalb kurzer Zeit 40 Meticais Praxisgebühr ein, umgerechnet sind das etwa 1,30 €. Gezahlt wurde diese Summe von achtzig Patienten, die innerhalb von zwei – drei Stunden „abgefertigt“ wurden. So muss man das wohl nennen: Name und Beschwerden nennen und danach ein Rezept empfangen, mehr läuft da in der Regel nicht. Und mehr wollen die meisten auch gar nicht. Wichtig ist, eine Tablette zu empfangen, denn nur was man in Händen hält und was man in den Körper einführen kann, kann auch helfen. So scheinen viele zu denken – bestimmt nicht nur in Afrika. Aber das ist ja bekanntermaßen ein Trugschluss.
Thomas hatte heute mehrere sehr kurzfristig anberaumte (Krisen-)Sitzungen. Dass die Prüfungen und Nachprüfungen dieses Jahres keine Sternstunden waren, das wussten wir bereits, dass sie aber so schwache Leistungen aufwiesen, war nicht zu ahnen. Da müssen wir uns schon fragen, warum das so ist und wie wir damit umgehen. Die nächste Sitzung wird morgen Vormittag stattfinden.




Ein echte Sternstunde hatten wir dann allerdings vorhin in der Dämmerung. Nicht nur die Adventssterne in der Wohnung können es heimelig werden lassen, auch die wirklichen Sterne am Himmel haben ja ihren besonderen Reiz. Venus und Jupiter sind derzeit ganz nah am Mond zu sehen, der bei uns – wenn er nicht voll ist - stets auf dem Rücken liegt.



Übrigens: Der Stern von Bethlehem soll ja auch zwei Sterne gewesen sein – eine Konjunktion von Saturn und Jupiter. Der eine sei nach damaliger Sterndeutung der Stern der Juden gewesen, der andere der Königsstern. Und dass diese beide Sterne ganz nah beieinander standen, dass könnte in den Jahren 6 - 4 vor Christi Geburt tatsächlich der Fall gewesen sein. Und in dieser Zeit muss Jesus geboren worden sein, denn die Regierungszeit von Herodes, dem Großen, von dem die Evangelien berichten, endet im Jahre 4 vor Christi Geburt. Ist das nicht seltsam, dass Jesus vor Christi Geburt geboren worden sein muss?
(So hab ich das jedenfalls in der sehenswerten Vorführung zum Stern von Bethlehem im Planetarium in Jena gelernt.)