Afrikanische Sprichwörter. Manchmal
kommen sie mir vor wie deutsche Bauernregeln. Kräht der Hahn auf dem
Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist. Wenn man
nur sucht, findet man immer was Passendes. Und was heißt eigentlich
'afrikanisch' in diesem Zusammenhang? Morgenstund hat Gold im Mund.
Da sagen wir doch auch, dass es ein deutsches Sprichwort ist und kein
europäisches! Die nordafrikanischen Tuareg und die südafrikanischen
Buschleute, haben sie nicht genau so ihre eigenen Kulturen wie, sagen
wir, die Korsen und die Lappen in Europa? Ein wenig mehr
differenzieren sollten wir schon , wenn wir über Afrika sprechen!
Doch zurück zu den Sprichwörtern.
Da ist es eigenartig, dass die Afrikaner selber wenig differenzieren.
Auch hier wird oft ganz allgemein von afrikanischen Sprichwörtern
geredet. Wer zum Beispiel auf dem Oliver Tambo Airport in
Johannesburg in ein Flugzeug steigt, liest dort an einer Wand in
großen Lettern das Sprichwort, das wir für das Titelblatt des
Cambine Kalenders 2014 ausgewählt haben. Und auch dort wird es
schlicht als afrikanisches Sprichwort bezeichnet.
Willst du schnell gehen, gehe allein.
Willst du weit gehen, gehe mit anderen.
Schnell gehen? Ein Afrikaner tut das
normalerweise nicht. In Afrika rennt man nur, wenn man flieht oder,
weniger dramatisch, wenn man noch in den Bus will, der schon anfährt.
Oder man treibt Sport. Aber normalerweise geht man langsam. Das ist
ein Ausdruck von Würde. Und eine Folge der klimatischen Bedingungen.
Die schwüle Hitze lässt die Bewegungen träge werden. Es geht gar
nicht anders. Wer in Cambine schnell geht, fällt auf, joggende
Europäer zum Beispiel. Manchmal laufen ihnen Kinder nach. Doch auch
sie bleiben bald zurück. Wer schnell geht, wird schon deshalb bald
allein unterwegs sein.
Weit gehen. Für einen Afrikaner ist
das normal. Schon Schulanfänger haben oft einen Fußweg von einer
Stunde oder mehr zu bewältigen. Oder Gilda, ein Mädchen, das aus
dem Waisenhaus in ihre Familie zurückgekehrt ist, sie wohnt im
Nachbarort. Täglich hat sie zwei mal anderthalb Stunden Fußweg
zurückzulegen, auf wenig begangenen Pfaden quer durch den Busch.
Auch zu Friedenszeiten ist das nicht ungefährlich. Wie gut, dass sie
gemeinsam mit ihrer Cousine geht. So kann eine der anderen beistehen,
wenn Hilfe nötig ist.
Oder die Frauen, die mehrmals am Tag
zur Wasserstelle gehen. Würdevoll schreiten sie aufrecht erhobenen
Hauptes hintereinander her. Und wer abends nach Einbruch der
Dunkelheit von einer Reise zurückkommt, muss oft die letzten
Kilometer von der Hauptstraße in sein Dorf zu Fuß zurücklegen. Um
diese Zeit ist kaum mehr ein Auto unterwegs. Von der Abzweigung nach
Cambine bis ins Dorf sind es zehn Kilometer. Auch da ist es gut,
wenn man nicht allein unterwegs ist.
Schnell gehen oder weit gehen? Auch
für uns Europäer besteht das Leben nicht zuerst aus Rekorden. Wir
vergessen das nur manchmal. Wir denken, es müsste immer alles
schneller und effizienter werden. Doch wozu sollte ich mein Leben auf
der Überholspur zubringen? Das Leben ist kein Sprint, den ich unter
Aufbietung aller meiner Kräfte nur schnell hinter mich zu bringen
hätte. Eher gleicht es einem Langstreckenlauf. Will ich das Ziel
erreichen, muss ich meine Kräfte einteilen. Das fällt leichter,
wenn ich weiß: Ich bin nicht allein unterwegs.
Ich finde diesen Gedanken auch in der
Bibel. Jesus schickt seine Schüler weg. Sie sollen nicht bei ihm
bleiben, sondern zu den Menschen gehen, sollen ihre Sorgen und Nöte
teilen, Ungeister austreiben und Wunden heilen. Dabei sollen sie
nichts mitnehmen: keinen Brotbeutel, keine Brieftasche, keine
Kleidung zum Wechseln. Doch keinesfalls sollen sie allein unterwegs
sein. Immer zu zweit. Und so gehen sie los, immer paarweise und
niemals als Einzelgänger.
Auch wir sind bei der Jährlichen
Konferenz 2007 zu zweit ausgesandt worden. Wir sind weit gegangen in
den zurück liegenden Jahren, weiter als wir uns anfangs vorstellen
konnten: zuerst zum Sprache lernen nach Braga, Portugal, dann
zunächst nach Maputo und schließlich nach Cambine. Nun ist für
September 2014 die Rückkehr nach Deutschland geplant. Auch wenn das
Leben in der Fremde natürlich nicht immer einfach ist, sind wir sehr froh über die Erfahrungen, die wir sammeln durften. Den Weg der vergangenen sechs Jahre konnten auch wir nur gehen, weil wir
nicht allein unterwegs waren: Verwandte und Freunde, die Kontakt zu
uns gehalten haben oder die uns besuchen kamen. Unsere
mosambikanischen Kolleginnen und Kollegen. Die Missionspartner aus
den USA, aus Schweden, aus Deutschland. Wenn wir uns alle diese
Gesichter in Erinnerung rufen, können wir nur dankbar sein - vor allem
gegenüber Gott, der in alldem selber mit uns unterwegs ist.
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