2009/06/11

Grenz-Erfahrungen

Von unserem Heimatort im Erzgebirge waren es nur etwa siebzig Kilometer bis nach Hof in Bayern. Trotzdem dauerte es über dreißig Jahre, bis ich das erste mal im Leben nach Hof kam. Daran musste ich denken, als wir vor einigen Tagen mit unserer Hausangestellten Martha, ihrem Sohn und einer kleinen Nichte den Strand von Barra besuchten. Von Cambine bis Barra sind es ein paar Kilometer mehr als von Schönheide nach Hof. Doch haben wir allezeit freie Fahrt. Kein Schlagbaum und kein Minenfeld schneiden uns den Weg ab. Und doch hat auch Martha mehr als dreißig Jahre gebraucht, um einmal nach Barra zu kommen. Zwischen Cambine und Barra gibt es also doch eine Grenze, die nicht jeder überwinden kann.

Den deutsch-deutschen Todesstreifen vermochte niemand zu übersehen. Die Scheidelinie, von der hier wir hier reden, ist nahezu unsichtbar. Sie verläuft längs der Straße. Zwischen den Palmen scheint sie sich zu verlieren. Auf dem Parkplatz von Barra ist sie wieder da. Sie verläuft quer durchs Restaurant bis an den Strand. Selbst in der Speisekarte ist sie als unsichtbare Linie vorhanden. Es ist die Grenze zwischen arm und reich, die hier in Afrika an vielen Stellen immer noch und immer wieder eine Grenze zwischen Schwarz und Weiß ist.



Anders als im alten Südafrika ist Apartheid hier nicht per Gesetz verordnete Rassentrennung. Es ist eine Apartheid, die sich schlicht aus den Einkommen ergibt. Wer hat hier schon ein Auto, mit dem er die Strecke fahren könnte? Mit öffentlichen Verkehrsmitteln schafft man an einem Tag allenfalls den Hinweg. Und wer kann sich in Barra eine Übernachtung leisten? Nur der, dem auch ein Auto nicht zu teuer ist...



Nach einigen Stunden am Strand sitzen wir gemeinsam im Restaurant. Martha fällt es sichtlich schwer, ein Gericht zu wählen. Beim Blick in die Speisekarte schüttelt sie immer wieder den Kopf. Eine Fischplatte für 300 Meticais? Das ist für sie ein Wochenverdienst. Sollte sie uns das wirklich zumuten? Und was die Getränke kosten... Am Ende zahle ich für die Mahlzeit ungefähr so viel, wie Martha bei uns in einem Monat verdient. Dabei zahlen wir schon vergleichsweise gut. Da ist sie wieder, diese Grenze. Diesmal verläuft sie quer über unseren Tisch.



PS: In dem Strandauto auf dem Bild ganz oben sind die Angestellten einer Touristen-Tauch-Schule unterwegs.

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