2011/01/30

Sehr krank

Laut Weltgesundheitsorganisation liegt die AIDS-Rate bei Erwachsenen in Mosambik bei etwa 12%. Getroffen habe ich HIV-positive oder AIDS-kranke Menschen allerdings noch nie – immer nur „sehr kranke“. Zum Beispiel heute nachmittag: Gegen 15 Uhr kommt in Cambine ein Sammeltaxi an. Endhaltestelle. Menschen steigen aus und gehen ihrer Wege. Zurück bleibt eine junge Frau. Sie kann kaum stehen, geschweige denn den Rest des Weges zu Fuß gehen. Sie ist krank und trotzdem hat sie die lange Reise von Maputo bis Cambine allein bewältigen müssen. Nun ist sie am Ende und kann nicht mehr. Gegen 18 Uhr sitzt sie noch immer da. Langsam wird es dunkel. Niemand holt sie ab.

Da klopft jemand an die Tür. Er bittet mich, die junge Frau nach Hause zu fahren. Ihre Familie wohnt fünf Autominuten außerhalb des Dorfes. Als wir dort ankommen, ist außer einer entfernten Verwandten keiner da. Wir setzen die junge Frau auf eine Matte und stellen ihr Gepäck ab. Eine Theologiestudentin spricht ein langes Gebet und wir fahren zurück. Ich frage meine Begleiter, welche Krankheit die junge Frau wohl hat. Das wüssten sie nicht, sie seien ja keine Ärzte, sagen sie. Sie sei eben sehr krank.

Ich sage: Mir scheint, die junge Frau hat AIDS. Und nun, als es ausgesprochen ist, das böse Wort, stimmen meine Begleiter mir zu. Ja, sagen sie, und wenn ihre Familie nach Hause kommen und sie finden wird, dann wird es sicher richtig Ärger geben. Denn dann müssen sich alle der Realität stellen, dass da unter ihnen eine ist, die nicht nur sehr krank ist, sondern an AIDS leidet.

Wenn zwölf von hundert Erwachsenen eines Volkes „sehr krank“ sind und niemand nennt die Krankheit beim Namen, obwohl jeder ihn kennt, dann ist nicht nur das Immunsystem einzelner sehr krank, sondern das der gesamten Gesellschaft.

2011/01/28

Das Haus wechseln

Mit diesen Worten umschreibt die portugiesische Sprache, was wir im Deutschen „Umzug“ nennen. In der methodistischen Kirche in Mosambik ist der Januar der Monat, in dem die Häuser gewechselt werden. Im Dezember werden die neuen Dienstzuweisungen ausgesprochen und im Januar wird umgezogen. Da bleibt wenig Zeit für Vorbereitungen und Renovationen. Eine Familie zieht aus, die nächste zieht ein – innerhalb von 24 Stunden. Das geht gar nicht anders, denn die Umzüge werden vom kircheneigenen Fuhrpark durchgeführt. Der Transporter, der gerade entladen wurde, wird sogleich wieder mit Hausrat beladen. Und weiter dreht sich das Karussell...

Anders läuft es nur bei den jungen Kollegen und Kolleginnen. Die haben noch nicht so viel. Da kann es schon mal sein, dass ein Umzug mit dem Linienbus abgewickelt wird, wie zum Beispiel bei Pastor Merim. Voriges Jahr begann er seinen Dienst in Pemba, 2000 km nördlich von Maputo. Bei der Anreise verunglückte der Bus und ein Großteil seiner Habe ging zu Bruch. Er selber wurde nicht verletzt, Gott sei Dank. In Pemba wurde er dann krank und musste zur Behandlung wieder in den Süden. Nun wurde er deshalb nach Cambine versetzt und ist schon hier. Seine Sachen aber sind noch oben im Norden. Er müsste hinfahren und sie holen. Doch dazu hat er kein Geld. Auch die Kirche kann ihm die Reise nicht bezahlen. Was tun?

Ein Kollege wird alles verpacken und es dann einem Busfahrer anvertrauen. Der wird es irgendwie, zusammen mit Bergen von anderem Gepäck, auf dem Dach seines Busses verstauen. Und irgendwann wird Pastor Merim vom Fahrer angerufen werden, dass er zur bestimmten Stunde am bestimmten Ort seine Sachen in Empfang nehmen kann, hoffentlich vollzählig und nicht wieder beschädigt.

Pastor Mauricio, der ehemalige Direktor des Theologischen Seminars,
zieht mit seiner Familie nach Maputo.






2011/01/22

Swasiland: König reich, Volk arm


Gleich nach der Grenze steht dieses Schild:
Radfahrer, Fußgänger achtet auf Löwen und Elefanten.


Die Swasis sind ein freundliches und entspanntes Völkchen, sagt Jane, die englische Lady mit dem schneeweißen Haar, auf deren Farm wir zu Gast sind. Sie muss es wissen, sie wohnt seit Jahren hier. Aber, sagt sie, das hat auch eine Kehrseite: Wer mit allem zufrieden ist, übernimmt auch keine Verantwortung, etwas zu ändern.

armes Leben ins beeindruckender Landschaft

Und zu ändern gäbe es vieles: Fast 70% der Bevölkerung von Swasiland lebten 2009 in Armut. Die AIDS-Rate ist die höchste der Welt, dafür ist die Lebenserwartung die niedrigste der Welt. Von Demokratie ist das Land weit entfernt. König Mswathi III. ist für seine verschwenderische Hofhaltung bekannt. Die Rechte der Frau sind gesellschaftlich in vielen Bereichen sehr stark beschnitten. Die Zurückhaltung der Swasis gegenüber Veränderungen sagt also möglicherweise gar nichts über ihr Naturell aus, sondern rührt wohl eher von den politischen Verhältnissen im Ländchen her.

Eine Touristin überreicht auf traditionell swasiländische Weise ein Geburtstagsgeschenk.

Dabei haben wir in den vergangenen Tagen den Eindruck gewonnen, dass sich in Swasiland mehr bewegt als zum Beispiel in Mosambik. Es gibt hier auffällig viele Initiativen, in denen vor allem Landfrauen ausgesprochen schöne Dinge produzieren: Batikstoffe, aus denen Tischdecken und Kleider gefertigt werden, Gebrauchsgegenstände und Schmuck aus Sisal und Rietgras, Webereien, Schmuck aus Altpapier, Kerzen in einer Manufaktur. Und nicht zu vergessen: das Glaswerk in Ngwenya, das ausschließlich Altglas verarbeitet und daraus Glaswaren in zum Teil sehr interessantem Design herstellt.

Im Shop vom Glaswerk Ngwenya

Als König Mswathi III. 1986 sein Amt übernahm, war er noch ein unmündiger Prinz, der im Amt von der ranghöchsten Frau seines verstorbenen Vaters vertreten wurde. Mswathi III. ist einer von etwa 600 Söhnen, die der alte König seinem Volk hinterließ. Dass die Töchter gar nicht erwähnt werden, sagt auch etwas aus über dieses Land, das so gerne mit der Schönheit seiner Mädchen für sich wirbt. Jedes Jahr im August/September findet die Incwati-Zeremonie mit dem sogenannten Reed-Dance statt. Die unverheirateten Frauen des Landes tanzen dann vor dem König und seinen Oberen – der Königinmutter zu Ehren. Auch heute noch tun sie das auf traditionell entkleidete Weise.

Tausende Tänzerinnen auf dem Weg zum Reed-Dance.