2011/02/14

Zum Schreien! Aber gar nicht komisch.

Nun haben wir die kleine Laura also begraben. Die Anteilnahme im Dorf war groß. Das hat uns gut getan. „Sterblichkeit bei Kindern bis 1 Jahr“ - in den Statistiken der Weltgesundheitsorganisation WHO ist das eine Rubrik, die den internationalen Vergleich ermöglichen soll. Da liest man dann: Mosambik 104 von Tausend, Deutschland 4 von Tausend (CIA World Fact Book). Zunächst mal sind das Zahlen. Wir sind nun daran erinnert worden, dass hinter diesen Zahlen immer Schicksale stehen, Kinder, die sterben, Angehörige, die um sie trauern.

In einer E-Mail schrieb uns unser Sohn Manuel nach Lauras Tod: „Es ist einfach so unvorstellbar, wie viele tausendmal täglich sich genau das gleiche auf diesem riesigen Kontinent abspielt, ohne dass auch nur einer davon in Europa Kenntnis nimmt... Man müsste allen einen Namen geben. Ich finde es sehr gut, dass LAURA groß im Blog zu lesen ist!“ Unvorstellbar auch, dass im Krankenhaus nicht einmal die einfachsten Schmerzmittel vorrätig waren, von der medizintechnischen Ausstattung gar nicht zu reden.

Im krassen Kontrast dazu schreibt Manuel in seiner E-Mail dann weiter: „Im März werde ich einen Probeeinsatz machen bei einem weltweit operierenden Patientenrückholdienst mit Ambulanz-Lear-Jets. Ich werde einmal mitfliegen, um danach zu entscheiden, ob die Famulatur dort Sinn macht. Wenn alles gut geht, werde ich da im Sommer vier Wochen um die Welt fliegen und reiche Europäer nach Hause holen in einer fliegenden Intensivstation.“

Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir sind sehr froh, dass es diesen Service gibt! Denn „reiche Europäer“, das könnten im Notfall auch wir selber sein. Und trotzdem: Der Unterschied schreit zum Himmel. Nur: Wer hört diesen Schrei noch?

2011/02/09

keine heile Welt

„Ich will mich freuen über mein Volk. Nie mehr hört man dort lautes Weinen und Klagen. Dort gibt es keinen Säugling mehr, der nur wenige Tage lebt, und keinen Greis, der nicht das volle Alter erreicht; wer als hundertjähriger stirbt, gilt noch als jung...“ (Js 65:19-20)


Mit diesen starken Worten beschreibt der Prophet Jesaja seine Hoffnung auf eine von Gott geheilte Welt. Unsere Welt ist aber nicht heil und unsere Hoffnung ist angefochten.

Heute nachmittag, als Claudia und Maravilha bei ihr waren,
ist Laura im Krankenhaus Chicuque gestorben.
Ihr Leben währte 15 Monate.

Das macht uns betroffen und wir sind darüber sehr traurig. Wir legen ihr kurzes Leben in Gottes Hände und vertrauen darauf, dass sie bei ihm geborgen ist. Zugleich stellen wir uns viele Fragen. Noch ist es zu früh, um Antworten zu geben. Doch unsere Hoffnung stellt uns in die Verantwortung, was uns möglich ist zu tun, damit auch in Mosambik die Kindersterblichkeit weiter sinkt.

2011/02/07

Laura

Laura ist eines der Zwillingsmädchen aus dem Waisenhaus. Wer unseren letzten Freundesrundbrief in der Hand hatte, hat sie schon gesehen. Da tragen wir sie auf dem Arm. Leider geht es Laura im Moment ziemlich schlecht. Ich habe Angst, dass sie sterben wird.

Seit einer Woche hat sie Durchfall, der nicht zu stoppen ist. Seit Freitag liegt sie im Krankenhaus in Morrumbene. Weil die Pädiatrie vorgerichtet wird, liegt sie auf der Neugeborenenstation. „Station“ ist dabei schon ein zu großes Wort. Eher ist es ein großes Zimmer oder ein Saal, wie ich ihn noch aus meiner Lehrzeit in der Chirurgie kenne. Dort besuchen wir sie jeden Tag. Und jeden Tag kehre ich deprimierter nach Hause zurück. Zum Einen weil es Laura nicht wirklich besser geht, zum anderen schockiert mich, was ich dort erlebe. Dabei weiß ich ja, dass ich die medizinische Versorgung in Mosambik in keiner Weise mit der in Deutschland vergleichen kann.

Gestern starb während unseres Besuches ein Neugeborenes. Es wollte einfach zu früh auf diese Welt, im 7. Monat. Eine Intensivstation für Frühgeborene gibt es hier leider nicht. Während unseres Besuches heute starb ein Kind in Lauras Alter, 15 Monate. Die Mutter weinte zum Erbarmen. Und das alles in dem Saal, in dem auch die Mütter liegen, die frisch entbunden haben oder gar noch auf die Geburt warten. Ein anderes kleines Kind schwebt auch in großer Lebensgefahr. Es braucht dringend eine Blutkonserve, doch die benötigte Blutgruppe 0, Rhesusfaktor negativ, ist nicht vorrätig. Ich habe Blutgruppe 0, aber Rhesusfaktor positiv, konnte also leider auch nicht helfen.

Doch neben diesen der Armut geschuldeten notvollen Verhältnissen gibt es auch Dinge, die man ohne viel Geld ausgeben zu müssen, besser machen könnte oder müsste. Die nötigsten Anforderungen der Hygiene einhalten, zum Beispiel. Der Nachtschrank neben Lauras Bett war nicht nur voller Staub, sondern regelrecht verdreckt. Der allgegenwärtige rote mosambikanische Sand. Als ich ihn wegwischte, meinte meine Begleiterin: Jetzt ist es wieder schön. Dass es mir nicht um Schönheit ging, sondern um Hygiene, war ihr nicht bewusst.

Oder die Ernährung: Hier ist es ja so, dass das Pflegepersonal nur für die medizinische Versorgung zuständig ist. Alle Tätigkeiten, die darüber hinausgehen, erledigen bei Kindern die Mütter, bei erwachsenen Patienten andere Angehörige: waschen, Essen bereiten, gegebenenfalls füttern oder Windeln wechseln... Wenn die Schwestern die Angehörigen wenigstens beraten würden! Die Mütter z.B. darüber aufklären, was sie den Kindern bei Durchfall geben sollen. Ich habe den Eindruck, selbst das geschieht nicht. Ich wollte Laura eine reife, zerdrückte Banane geben. Die diensthabende Schwester hat es untersagt. Und auch meine Begleiterinnen glauben mir nicht, dass Banane besser als Joghurt ist. Ach, ich fühl mich so richtig hilflos!

Eines freilich bleibt mir: Ich bete zu Gott, dass er Laura trotz all dieser widrigen Bedingungen helfen kann. Und wer von Euch auch dazu in der Lage ist, möge bitte dasselbe tun.


Im Krankenhaus Morrumbene warten Menschen auf Behandlung