2013/01/26

Wasser, mal zu wenig, mal zu viel

Im Raum sind etwa zweihundert Männer, Frauen und Kinder. Viele von ihnen erheben lautstark ihre Stimmen. Gleichzeitig. Manche schreien regelrecht. Sie schreien zu Gott. Sie bitten ihn um Regen. Ihr Felder sind dabei zu vertrocknen. Ob sie etwas ernten werden? Im Moment sieht es nicht danach aus. Für Mais, Bohnen und Erdnüsse waren die zurückliegenden Wochen viel zu trocken. - Der Raum ist die Kirche von Cambine, die zweihundert Menschen die versammelte Gemeinde. Inzwischen ist das einen Monat her.

Dann ziehen schwere schwarze Wolken auf. Endlich: Es regnet! Gott hat unsere Gebete erhört, sagen die Beter. Möge es nicht gleich wieder aufhören! Und es hört nicht auf, Tag und Nacht regnet es, nur von kurzen Pausen unterbrochen. Mal fällt der Regen sanft und andauernd, dann wieder so heftig, dass der Sandboden ihm nicht widerstehen kann. Felder und Straßen werden ausgespült. Wasser spült Schlamm in die Hütten aus Palmwedeln. Durch die Wellblechdächer dringt das Wasser auch ins Innere der festen Häuser.

Nicht nur in Cambine regnet es, im ganzen Süden Mosambiks, dazu in Südafrika und Simbabwe. Die großen Flüsse Mosambiks kommen alle aus dem Hinterland. Und wenn es dort anhaltend regnet, gibt es in der mosambikanischen Küstenebene jedesmal ein Problem.

Wir sind unterwegs in Nordosten Südafrikas. Gemeinsam mit Freunden wollen wir in den Kruger Park. Wir hören: Viele Gates sind gesperrt. Brücken und Straßen sind nicht passierbar. Zuviel Regen! Ob wir überhaupt in den Park dürfen? Wir werden es sehen. Matthias, der Ranger, ruft uns an: Fahrt nach Malelane. Dort ist das Gate noch offen. Bleibt auf den asphaltierten Hauptstraßen! Alle anderen Wege sind gesperrt. Wir halten uns an den Rat und haben zwei gute Tage im Park.

Nicht alle akzeptieren, dass die Straße gesperrt ist.

Wir sehen allerdings auch, dass überall Wasser steht. Keine Tiere, die morgens und abends zum Fluss gehen um zu trinken. Sie haben es nicht nötig. Sie finden Wasserstellen überall. Die Flüsse gleichen Seen. Wasserläufe, die sonst Bächlein waren, haben nun Wege und Brücken überspült.

sonst ein kleiner Bach - ein Zufluss zum Sabie River
Sabiebrücke nahe beim Camp Lower Sabie

Das Camp, in dem wir die zweite Nacht zubringen wollten, ist nicht erreichbar. Wie fragen uns: Was wird werden, wenn wir in wenigen Tagen von Maputo nach Norden fahren wollen? Da müssen wir diese Flüsse überqueren. Wird die Flut die Küstenebene vor uns erreichen?

Nun sind wir auf dem Heimweg. Es gab Schwierigkeiten an der Grenze. Um alle unsere Wege erledigen zu können, mussten wir einen Tag länger in Maputo bleiben. Abends im Quartier hören wir: Die Stadt Chokwe steht unter Wasser. Sie liegt etwa 70 Kilometer nordöstlich der Hauptstraße. Noch ist die N1 nach Norden geöffnet. Doch wer weiß, wie lange? Am nächsten Morgen brechen wir früher auf als sonst.

In der Nkomati-Ebene sehen wir rechts und links der Straße überflutete Wiesen. Doch es scheint keine Gefahr zu geben. Voriges Jahr um diese Zeit hatte hier der Fluss die Hauptstraße unterspült. Sie blieb einige Tage unpassierbar.

Auf einem Damm in der Limpopo-Ebene warten Menschen auf ihre Evakuierung

Wir fahren weiter und erreichen die Limpopo-Ebene nahe der Stadt Xai-Xai. Hier führt die Straße für zehn Kilometer über einen etwa drei Meter hohen Damm. Rechts und links ist er von Wasser umgeben. Noch steht das Wasser einen reichen Meter unterhalb der Straße. Man sagt, es wird weiter steigen. Wir sehen, dass Menschen ihr Hab und Gut in Sicherheit bringen. Ganze Rinderherden werden durch die Fluten in Sicherheit gebracht.

eine Rinderherde wird in Sicherheit gebracht

Auf der anderen Seite des Tales liegt Xai-Xai, die Hauptstadt der Provinz Gaza. Sie teilt sich in die Unterstadt in der Flussebene und die sichere Oberstadt. Wir sehen, dass einzelne Supermärkte und Bürohäuser offenbar schon evakuiert sind. Restaurant und Tankstellen haben noch geöffnet. Polizeiautos mit Sirenen fahren hin und her. Wir sehen Lastwagen, auf denen Menschen sitzen, die ihren Hausrat in die Oberstadt bringen. Dort hat die Stadtverwaltung eine Busch- und Wiesenfläche als Raum für Notunterkünfte bereit gestellt.

WIr erreichen Cambine. In den Flusstälern unserer Region sieht es nicht ganz so dramatisch aus. Die Flüsse sind kürzer. Sie haben kleinere Einzugsgebiete. Doch auch hier hat der Regen ausgereicht, viele Felder zu überschwemmen, leider auch die Reisfelder des Landwirtschaftsprojektes. Der Reis war für die Kinder des Waisenhauses bestimmt. Nun werden wir ihn im Laden kaufen müssen. 

Reisfeld vor der Flut
Reisfeld überflutet

Am Sonntag im Gottesdienst werden die Beter wieder ihre Stimmen erheben. Um Regen werden sie dann wohl nicht mehr flehen. Sie werden Gott um Hilfe anrufen für die, die Hab und Gut verloren haben, ihr Haus und die erwartete Ernte. Und wir werden Geld und Hilfsgüter sammeln, um die zu unterstützen, die Hilfe brauchen. Denn das Leben wird weitergehen.

PS: Inzwischen ist die N1 sowohl im Limpopotal gesperrt, als auch in der weiter südlich gelegenen Nkomati-Ebene.

2013/01/10

Was wir getan haben

Heute also waren wir in Anhane und haben Dona Joaquina, nein, nicht abgeholt - nur besucht. Die Pastorin und ich. Dazu hatten wir den "líder tradicional" gebeten, uns zu begleiten. Der líder tradicional ist eine typisch afrikanische Institution. In jedem Dorf gibt es den "chefe da localidade". Man könnte sagen, das ist der Bürgermeister in Verwaltungsangelegenheiten, der Vertreter der Regierung. Daneben amtiert der líder tradicional. Er ist sowas wie eine Respektsperson, die nicht von der Regierung geschickt ist. Eben eine lokale Autorität, der Meister der Bürger.

Er war auch derjenige, der als erster ein klare Ansage machte: Dona Joaquina  wird nicht nach Cambine zurück kommen, jedenfalls nicht in ihre Hütte im Feld. Und eine andere Unterkunft haben wir für sie in Cambine nicht. Genau das hat er ihr auch klar verkündet. Ihre Reaktion hat der líder freilich nicht akzeptiert: Dann ziehe ich eben bei dir ein.

Der líder tradicional spricht mit Dona Joaquina
Nach einigem Palaver hin und her kamen wir überein, dass der líder sich mit einer Familie in Verbindung setzen wird, die Dona Joaquina ihm nannte. Vielleicht wird sie bei ihnen bleiben können. Wenn nicht, wer weiß, was dann aus ihr werden wird.

Unser Besuch in Anhane war klar angekündigt. Ein Treffen mit dem Pastor und der Verantwortlichen für die Witwen-WG war fest vereinbart. Keine der beiden Personen trafen wir an. Nachdem von ihnen in den vergangenen Wochen immer wieder Druck gemacht wurde, Dona Joaquina abzuholen, hat uns das schon überrascht. Aber was solls, auch das ist Afrika.

2013/01/06

Hundert Meticais

5:0. Ein klarer Sieg. Das Spiel ist aus. Doch der größte Auftritt kommt erst noch. Die Mannschaft aus dem Nachbarort tritt die Heimfahrt an. Sie sind mit einem alten Pickup unterwegs. 25, 30 Leute haben auf der Ladefläche Platz. Als der Letzte aufsteigt, kracht es - und die Stoßstange liegt auf dem Boden. Ein angeschweißtes Stahlrohr, das hauptsächlich als Trittleiste zum Aufsteigen dient.

Der Fahrer steigt aus, sieht den Schaden und macht - offenbar nach Gutdünken - eine Person für den Schaden verantwortlich. Carlitos ist der eine, ein Jugendlicher aus dem Waisenhaus. Der wehrt sich natürlich, denn er hat ja mit dem Auto der gegnerischen Mannschaft gar nichts zu tun. Und abgesehen davon, bei wem auch immer die Stange abbrach, sie muss bereits vorher angebrochen gewesen sein. 29 stiegen auf und beim 30. bricht sie ab. Und der soll den Schaden zahlen?

Wie nicht anders zu erwarten, erhebt sich ein lauter Wortwechsel. Immer mehr Menschen laufen zusammen. Irgendwann ruft man uns dazu. Es geht ja um einen Jugendlichen aus dem Waisenhaus. Also nochmal die ganze Geschichte von vorn. Und langsam für die Mulungus. Für mich wird schnell klar, hier wird versucht, den Schaden auf einen Unbeteiligten abzuwälzen. Doch ich kann nicht der Schlichter sein. Ich kann nicht in Xitswa verhandeln. Wir rufen nach Julio, dem Direktor.

Also nochmal die ganze Geschichte, diesmal in Xitswa für Pastor Julio. Inzwischen ist es dunkel geworden. Handies und Taschenlampen werden gezückt. Viele Augenpaare begutachten die Bruchstellen. Ja, die Stange war schlecht angeschweißt. Jetzt ist sie ab und muss wieder dran.

Wieviel kostet das denn? Na vielleicht hundert Meticais, umgerechnet etwa drei Euro... Am Ende einigen wir uns darauf, die Summe zu zahlen. Klar, das sieht nach Schuldeingeständnis aus, obwohl Carlito offenbar nur im falschen Moment am Auto vorbei lief. Immerhin ist es eine Einigung. Endlich fährt das Auto davon. Wir sind froh, das eine funktionierende Rücklicht um die Kurve biegen zu sehen. - Wir werden damit rechnen müssen, dass immer mal wieder jemand auf die Idee kommt, dass im Waisenhaus was zu holen ist.