2009/03/09

Impressionen

Estrela ist Pastorin, letzten Dezember hat sie ihre erste Dienstzuweisung erhalten. Seit Januar arbeitet sie nun in einer Gemeinde. Noch während des Studiums hatte sie begonnen, an der Abendschule den Abschluss der zwölften Klasse nachzuholen. Wochentags hat sie jeden Abend von 17 Uhr bis 22 Uhr Unterricht. Und danach läuft sie über dunkle, holprige Wege durch den Palmenwald nach Hause. Zwei Stunden Weg, vor Mitternacht ist sie nie zu Hause, sagt sie.

Zur Zeit arbeitet Claudia in der Apotheke des Gesundheitszentrums. Aida heißt die Kollegin, die sie dort anlernt. „Naja“, meinte Claudia nach den ersten Tagen, „so ganz einfach ist die Zusammenarbeit nicht. Ich habe schon den Eindruck, dass sie sich auf meine Kosten etwas ausruht.“ Doch dann kamen sie miteinander darüber ins Gespräch und Claudia erfuhr, warum Aida sich ausruht: Jeden früh um vier beginnt für sie die Arbeit auf dem Feld. Da ist es noch dunkel. Wenn Aida dann gegen halb acht in der Apotheke erscheint, hat sie normalerweise noch nicht gefrühstückt. Das tut sie gemeinsam mit den anderen gegen elf: Erst muss jemand auf den Markt gehen und Brot kaufen. - Während der Arbeitszeit? Natürlich, wann denn sonst? Früh hat der Markt doch noch gar nicht auf. Und am Nachmittag geht es wieder auf das Feld, jeden Tag. Muss das sein? Ja, es muss. - Im Moment warten Claudias Kolleginnen schon wieder seit fast drei Monaten auf ihr Gehalt. Wovon sollten sie in solchen Zeiten leben, wenn nicht vom Ertrag ihrer Felder?

Wenn wir kurz vor der Abenddämmerung unsere 80-Minuten-Strecke gehen, sind wir nie allein unterwegs. Gemeinsam mit uns sind hunderte von jungen Leuten auf dem gleichen Weg: Schülerinnen und Schüler unterschiedlichen Alters auf dem Heimweg von der Schule. Sie laufen einzeln, pärchenweise oder in Gruppen. Meist gibt es in diesen Grüppchen eine besonders vorwitzige Person. Die versucht dann mit uns Schritt zu halten. Irgendwann folgt der Versuch, mit uns in Kontakt zu treten, meist mit einen Gruß auf Englisch: „Good afternoon, my friend!“ oder „Hello, I’m fine and you?“ Normalerweise grüßen wir kurz zurück, gehen aber nicht weiter ein auf den Annäherungsversuch. Wir wollen ja laufen und nicht reden. Manchmal aber spüren wir auch, dass auf unsere Kosten Witze gemacht werden. „Mulungu“ werden wir dann genannt, das ist auf Shitzua das Wort, mit dem die Weißen bezeichnet werden. Ich komm mir manchmal vor wie ein weißer Neger. Dabei wollte ich doch einfach nur ein Stück laufen.

Gestern war der 8. März – Frauentag. Heute haben wir darüber gestritten. Kommt uns auf dem Weg ein Kind entgegen und grüßt: „Professor Thomas!“ - Claudia sagt: „Da hast du’s wieder: Frauen werden hier nicht gegrüßt! Die zählen eben nicht soviel wie die Männer.“ Ich weiß, das sie recht hat. Ich frage zurück: „Was kann ich dagegen tun? Das ist hier nun mal so.“ Sie fühlt sich unverstanden: „Mit wem soll ich denn drüber reden, wenn nicht mit dir? Und nicht einmal du verstehst mich...“ „Nein, aber mal ehrlich, was soll ich dazu sagen? Hast du ‘ne Idee, was man dagegen tun kann ?“ – Wir schweigen, trotzig laufen wir strammen Schrittes nach Hause. Wir haben keine Antwort gefunden. Was kann man da machen? Habt ihr ‘ne Idee?

2 Kommentare:

  1. Liebe Claudia und lieber Thomas,

    es ist sehr interessant, was ihr schreibt und ich verfolge euren Blog gerne und gespannt. Wie unterschiedlich doch die Menschen in den verschiedenen Ländern leben.
    Für mich geht es am Freitag zurück in die Heimat, in der ich wieder einen Neubeginn habe und mich auch erstmal wieder einfinden werden muss.
    Ich wünsche euch alles Gute, Kraft, Ausdauer, Geduld und Gottes Segen.

    Sophia

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  2. Down by the sally gardens:

    Klar hab ich eine Idee.
    Ihr könnt es anders machen. Grüßt die Frauen, so, wie ihr es für angemessen haltet.
    Wenn ihr nach euren Gefühlen handelt ist es authentisch.
    Liebe und dann tu was dir gefällt!

    Bis bald.

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