2011/09/28

Mutter und Kind wohlauf

Es ist immer eine Erleichterung, wenn man nach einer Geburt sagen kann: Mutter und Kind wohlauf. In den vergangenen Tagen konnten wir das nicht. Wir hatten begründete Angst um eine junge Mutter.

Dona Marta arbeitet bei uns im Haus. Ihr Bruder Felix lebt bei ihr zu Hause. Er findet keine Arbeitsstelle, so muss er in der Familie mithelfen, auf dem Feld, bei Botengängen und manchmal verdingt er sich als Tagelöhner. Felix ist Vater geworden. Seine Frau heißt Casterina und ist 17 Jahre alt. Nun haben sie einen kleinen Jungen. Und der Junge hat seine Mutter - Gott sei Dank.

Die Schwangerschaft verlief, wie wir hörten, ohne Probleme. Nur während der Geburt gab es Komplikationen: Der Blutdruck stieg heftig. Die junge Frau bekam Krämpfe. Es ging ihr sehr schlecht. Deshalb konnte sie ihr Kind weder stillen, noch sich um es kümmern. Erst war sie in Cambine im Krankenhaus, dann in Morrumbene, schließlich wurde sie nach Chicuque verlegt. Es hieß sogar: Vielleicht muss sie ins Provinzkrankenhaus nach Inhambane überwiesen werden. Und sowas wird nur in Erwägung gezogen, wenn es wirklich ernst ist. Dona Marta und eine andere Verwandte blieben die ganze Zeit über bei ihr.

In Chicuque gibt es neben dem Krankenhaus ein Grundstück, da steht ein Stahlcontainer und zwei große Bäume. An zwei Ästen hat jemand ein Moskitonetz befestigt. Am Fuß des Stammes zwischen dem verzweigten Wurzelwerk stehen Töpfe, lehnen Plastiksäcke mit Maniok, liegen Bündel von Feuerholz. Im Schatten der Äste sitzen Menschen, auffällig viele Frauen. Manche sind hochschwanger und bewegen sich langsam. Andere sind dafür um so geschäftiger dabei, Essen zu kochen. Es sind Verwandte der Patienten nebenan im Krankenhaus oder der werdenden Mütter. Dona Marta und ihre Verwandte waren zwei von ihnen.

Die Schwangeren sind hier, weil sie die letzten Tage vor der Entbindung sicherheitshalber in der Nähe der Klinik verbringen möchten. Sie wohnen zu weit entfernt, um bis zum Anbruch der Wehen zu Hause zu bleiben. Unter den Bäumen schlafen sie. Dort leben sie, bis sie hinüber ins Krankenhaus wechseln. Die Angehörigen bleiben, bis sie wieder nach Hause zurückkehren, mit ihren genesenen Verwandten oder ohne sie, mit dem Neugeborenen im Arm oder ohne es. Die Sterblichkeitsrate bei Neugeborenen und Müttern ist in Mosambik immer noch erschreckend hoch, trotz aller Fortschritte in der medizinischen Versorgung. So waren es Tage der Sorge und des Gebets, der Angst und der Hoffnung, die hinter Dona Marta und ihrer Familie liegen. Gestern aber kam die erlösende Nachricht: Mutter und Kind wohlauf.

Mit dem Auto holten wir sie ab, die junge Mutter mit dem Kind im Arm, die beiden frauen, die für sie und um sie sich sorgten und im Gepäck Töpfe und Schüsseln, Strohmatte und Windeln. Mutter und Kind wohlauf - Gott sei Dank.

Es kann auch anders ausgehen. Dona Maravilha, Dona Irene und Claudia sind schon den ganzen Tag unterwegs. Heute morgen hat ein Vater seinen zwei Wochen alten Sohn ins Waisenhaus gebracht. Die Mutter sei kurz nach der Geburt gestorben, sagte er, und er habe keine Bedingungen, für das Kind zu sorgen. Er muss gewusst haben, dass sein Sohn nicht gesund ist. Warum er ihn allerdings ins Waisenhaus brachte, und nicht vielmehr ins Krankenhaus, das können wir nur ahnen.

PS vom 2.10.2011: Dona Marthas Neffen geht es gut. Auch die junge Mutter ist inzwischen gut genesen. Der Junge allerdings, der vom Waisenhaus ins Krankenhaus gebracht worden war, hat die nächste Nacht nicht mehr überlebt.

1 Kommentar:

  1. Wie bei vielen Berichten von Euch, so geht es mir auch bei diesem Beitrag: Ich kann es mir nicht vorstellen, es ist für mich nicht zu begreifen. Es lässt sich für "Wohlstandsmenschen" wie mich wohl nur ansatzweise erahnen, wie man dort, wo ihr tätig seid (und auch an vielen anderen Orten dieser Welt), lebt. Darum danke ich Euch für die Einblicke in dieses Leben, die ihr an uns LeserInnen weitergebt.

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