2012/02/15

Fifty/fifty

Letzten Montag früh um acht. Weder der Gärtner ist zur Arbeit gekommen, noch die Hausangestellte. Auch um neun ist noch niemand da. Wir überlegen, was der Grund sein könnte. Sind beide gleichzeitig krank geworden? Eher unwahrscheinlich. Möglicherweise ist in der Familie jemand gestorben und sie müssen zur Beerdigung. Das könnte sein.

Am nächsten Morgen fragen wir nach. M. bittet um Entschuldigung. Sie habe auf dem Telefon kein Guthaben und konnte deshalb nicht anrufen. Schicken können habe sie aus irgendeinem Grund auch niemanden, sagte sie noch. Wir wollen natürlich trotzdem wissen, was denn nun der Verhinderungsgrund war. Wir fragen nach.

Ja, sagt sie, sie hätten eine "Zeremonie" gehabt. - Was, ist jemand gestorben? - Nein, das nicht, aber um den Jahreswechsel herum sei es in ihrer Kultur üblich, diese Zeremonie zu vollziehen. Es gehe dabei um ihre Vorfahren. Und, naja, der Curandeiro (also der traditionelle Heiler, der für die Zeremonie zuständig ist) hätte sich für Sonnabend mittag angekündigt. Er sei dann aber erst am Sonntag abend gekommen. Naja, und deshalb habe die Zeremonie noch den ganzen Montag gedauert.

Wir fragen weiter: Wie ist das? Ihr seid doch Christen. Wie passt das denn eigentlich zusammen, euer christlicher Glaube und die althergebrachten Rituale des Medizinmanns? Darauf konnte sie uns keine andere Antwort geben als: Das ist in unserer Tradition eben so!

Was sie nicht aussprach, was ich aber trotzdem hörte, war: Das versteht ihr Europäer eh nicht. Kann schon sein, ich verstehe das nicht oder zumindest falsch, aber offenbar hat der Historiker Christoph Marx doch nicht unrecht, wenn er das Ergebnis der christlichen Mission in Afrika beschreibt als "Anreicherung afrikanischer Religiosität mit christlichen Elementen" (Spiegel Spezial Geschichte, 2/2007, S.52). Oder wie es Professora Iliana, meine Kollegin am Theologischen Seminar, mit ihren Worten einmal sagte: Wir sind zu 50% Christen und zu 50% Afrikaner.

1 Kommentar:

  1. Genauso habe ich es in Kamerun auch erlebt (wo ich acht Jahre an einer Missionseinrichtung gelebt habe) - zu 50 % überzeugte Presbyterianer, Baptisten oder Katholiken, Teilnehmer an jedem gathering, jeder conference und gleichzeitig gibt es nach der christlichen Beerdigung die juju-Tänzer, gibt es die traditionellen Heiler. Und dann wird auch klar, weshalb bei psychischen Krankheiten auch die Missionsärzte ihre PatientInnen oft genug zu den traditional healers schickten - ohne sie geht es nicht, sie haben zu 50% eben auch noch Macht, und wer auch nur zu 50% glaubt, dass er von Mächten, die nicht christlich sind, bedrückt wird, möchte (und kann!) nur von diesen wieder befreit werden. Tja...
    Freundliche Grüße
    Jan Klevinghaus

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