2013/12/24

24. Dezember

Weil Gott in tiefster Nacht erschienen,
kann unsere Nacht nicht endlos sein.

Heute haben wir wieder unser Weihnachtsposter an die Wand geheftet. Wir haben es hier in Mosambik gekauft. Seither gehört es zu unserer Weihnachtsgrundausstattung. In nächtlicher Umgebung erscheinen die Hirten und die Weisen vor dem neu geborenen Kind. Es ist der Kontrast zwischen dem tiefen Schwarz des Hintergrundes und den lebendigen Farben der Figuren, der mich bei diesem Bild so anspricht und der mich an diese Zeile aus dem Weihnachtslied erinnert:

Weil Gott in tiefster Nacht erschienen,
kann unsere Nacht nicht endlos sein.

So wünschen wir allen, die mit Weihnachten ihre Mühe haben in diesem Jahr, dass sie, wenn alle anderen wirklich oder scheinbar fröhlich sind, wenigstens diese Hoffnung behalten. Auch das kann heißen: frohe Weihnacht.
 

23. Dezember

Einen Tag vor Heiligabend bin ich die sechzig Kilometer nach Anhane gefahren, um die Witwen im dortigen Wohnprojekt zu besuchen. Wie fast immer war es eine sehr schöne Begegnung. Alt und hinfällig gewordene Frauen, die zusammen mit den noch rüstigeren ihren Alltag meistern - so gut es eben geht. Das Projekt hat keinen Haushalt, das heißt: die Frauen leben von dem, was sie auf ihren Feldern anbauen und von dem, was Besucher ihnen gelegentlich bringen.


Das ist mal mehr, mal weniger. Alles ist willkommen. Ein Sack Reis. Ein Sack Maismehl. Öl und Zucker. Ich hatte noch zehn tiefgefrorene Hühner dabei. Die werden sie wohl nicht bis zum 1. Feiertag aufheben können, denn einen Kühlschrank gibt es nicht. Der Strom aus den Solarpanelen reicht nur für die Beleuchtung.


Sie leben einfach, die Frauen im Zentrum Anhane. Doch wenn man ihnen begegnet, spürt man deutlich: Sie sind froh, ein Bett zu haben und ein Dach über dem Kopf. Und die anderen, mit denen zusammen sie leben.



Natürlich wird es auch dort mitunter Streit geben. Doch im Grunde weiß jede: Hier zu sein ist besser als irgendwo auf der Straße zu leben und zu sterben


Wünschen wir ihnen FELIZ NATAL - FROHE WEIHNACHTEN. Ich bin ganz gewiss: Sie wünschen es uns auch.





2013/12/22

22. Dezember


Heute morgen im Gottesdienst in Muzima, einer wirklich armen Filialgemeinde, etwa 30 Minuten Allradstrecke außerhalb von Cambine im Busch gelegen. Ein Mädchen von vielleicht 12 Jahren liest auf Xitswa aus dem Lobgesang der Maria, Lukasevangelium, Kapitel 1:

  Meine Seele erhebt den Herrn
  und mein Geist freut sich Gottes,
  meines Heilandes...

  Er stößt die Gewaltigen vom Thron
  und erhebt die Niedrigen.
  Die Hungrigen füllt er mit Gütern
  und lässt die Reichen leer ausgehen...

Ob sie die Tragweite dieser Worte versteht?
Ob wir die Tragweite dieser Worte verstehen?

2013/12/21

21. Dezember

Ein ehrenwertes Haus?


In diesem Mietshaus wohnen wir seit einem Jahr,
und sind hier wohlbekannt.
Doch stell dir vor,
was ich soeben unter
unserer Haustür fand.
Es ist ein Brief von unseren Nachbarn,
darin steht: Wir müssen raus!
Sie meinen, du und ich wir passen nicht
in dieses ehrenwerte Haus.

Weil wir als Paar zusammen leben
und noch immer ohne Trauschein sind,
hat man sich gestern hier getroffen
und dann hat man abgestimmt.
Und die Gemeinschaft aller Mieter
schreibt uns nun: Ziehen sie hier aus!
Denn eine wilde Ehe, das passt nicht
in dieses ehrenwerte Haus.

Es haben alle unterschrieben,
schau dir mal die lange Liste an!
Die Frau von nebenan,
die ihre Lügen nie für sich behalten kann.
Und die vom Erdgeschoss,
tagtäglich spioniert sie jeden aus.
Auch dieser Kerl, der seine Tochter schlägt,
spricht für dieses ehrenwerte Haus!

Und dann die Dicke, die den Hund verwöhnt,
jedoch ihr eigenes Kind vergisst.
Der Alte, der uns stets erklärt,
was hier im Haus verboten ist.
Und der vom ersten Stock,
er schaut die ganze Zeit zum Fenster raus
und er zeigt jeden an, der mal falsch parkt
vor diesem ehrenwerten Haus.

Der graue Don Juan schaut dich
jedes mal im Aufzug schamlos an.
Die Witwe, die verhindert hat,
dass hier ein Schwarzer einziehen kann.
Auch die von oben. Wenn der Gasmann kommt,
zieht sie den Schlafrock aus.
Sie alle schämen sich für uns,
denn dies ist ja ein ehrenwertes Haus...

Wenn du mich fragst,
diese Heuchelei halt ich nicht länger aus!
Wir packen unsre sieben Sachen und ziehen fort,
aus diesem ehrenwerten Haus!
Udo Jürgens, 1975 


Vielleicht verhält es sich ja auch ganz anders mit dem adventlich geschmückten Haus auf dem Bild oben. Wer weiß? Ich lade euch ein: Lasst eurer Phantasie freien Lauf. Tut einmal dasselbe wie Udo Jürgens, als er sein Lied schrieb: Denkt euch Geschichten aus von Menschen, die hinter diesen Fenstern leben - hinter den erleuchteten und den dunklen. - Und: Wie wäre es wohl, wenn ich selber in diesem Haus wohnen würde?

2013/12/17

17. Dezember

Zuerst: Ich bitte um Entschuldigung, dass der Adventskalender dieses Jahr so wenige "Türchen" hat. Wir waren die vergangenen Tage unterwegs in Südafrika. Dort haben wir normalerweise guten Internetzugang. Diesmal war das anders: wegen häufiger Gewitter war der Netzzugang im Gästehaus häufig gesperrt, bzw. der Strom war ganz abgeschaltet. Nun sind wir zurück in Cambine und ich hoffe auf Besserung.

Heute habe ich eine Email von einem Kollegen erhalten. Darin findet sich ein Link, den ich gerne weiterreichen will. Besonders interessant ist er für diejenigen, die noch Geschenkideen suchen. Doch zugleich regt er an, ganz grundsätzlich über Weihnachten nachzudenken.

http://www.zeit-statt-zeug.de/

Viel Spaß beim Stöbern im Webshop!

15. Dezember


Auch wer zur Nacht geweinet

In Südafrika steht der heutige 3. Advent ganz im Zeichen der Beerdigung von Madiba, wie Nelson Mandela hier liebevoll genannt wird. Zehn Tage Staatstrauer - niemals zuvor, so hörten wir grade im Fernsehen, gab es das im Land. Ein Bischof der methodistischen Kirche im südlichen Afrika hielt die Predigt. Er erhielt dafür viel Beifall. In Afrika ist das kein Widerspruch: auch in einer Trauerfeier können Lachen und Händeklatschen ihren Platz haben.

Wir besuchten heute zum ersten Mal den Gottesdienst der methodistischen Gemeinde in Nelspruit. Gelesen wurde die Passage aus Lukas 1, in der die beiden Schwangeren Elisabeth und Maria einander begegnen. Und vor Freude „hüpfte das Kind in ihrem Leib“, heißt es da. Der Pastor sprach über die adventliche Freude, die nicht nur ein flüchtiges Gefühl sei, sondern eine Lebenshaltung.

Es gibt ja solche Menschen, die Heiterkeit verbreiten, wenn sie einem nur begegnen. Mandela scheint so einer gewesen zu sein. Doch auch Menschen wie er sind nicht immer fröhlich. Auch sie kennen Enttäuschung und Wut, Schmerz und Trauer. Das Leben kann sehr ungerecht und verletzend sein. So sehr, dass einer den Grund unter den Füßen zu verlieren droht.

Am selben Tag wie Mandela starb eine gute Freundin von uns, weil sie nicht mehr weiterleben wollte. Ratlos stehen wir daneben. Wir teilen die traurigen, vielleicht auch zornigen Fragen, die ihr Tod all denen stellt, die ihr nahe standen. Freude im Advent - was kann das in diesem Zusammenhang heißen? Ist es nicht taktlos, jetzt von Freude überhaupt nur zu reden?

Ja, das kann sein. Vielleicht meine ich zu trösten. Doch ich vergrößere nur die Not und die Verunsicherung des Trauernden, weil ich sie mir nicht nahe gehen lasse. Doch stellt uns nicht jede brennende Kerze, jedes erleuchtete Fenster, jedes Weihnachtslied, das aus dem Supermarktlautsprecher rieselt, genau diese eine Frage: Was heißt adventliche Freude für die, deren Welt zerbrochen ist?

Das Volk, das im Dunklen wandelt, sieht ein helles Licht, heißt es bei dem biblischen Propheten Jesaja. Licht im Dunkel. Kann sein, dass ich es nur tränenverschwommen wahrnehme. Kann sein, dass ich es auch gar nicht sehen kann. Oder ich will es einfach nicht. Dann ist es wichtig, dass ich Menschen um mich habe, die das Licht stellvertretend für mich im Blick behalten. Und die mich einfühlsam daran erinnern, dass die Dunkelheit nicht allmächtig ist. Auch wenn es zeitweise so scheint.


2013/12/15

14. Dezember

Großzügig

Ach, wie eng ich doch manchmal denke! Heute zum Beispiel beim Abendessen. Wir sind im Restaurant. Gerade haben wir das Essen bekommen, da macht eine Rosenverkäuferin die Runde. Sie kommt an jeden Tisch. Statt einfach eine Rose zu kaufen, reagiere ich unsicher. Ich frage Claudia: Willst du eine? - Was soll sie da wohl antworten? Doch wir brauchen gar nicht antworten. Denn die Verkäuferin steht schon am Nachbartisch.

Dort sitzt ein südafrikanisches Pärchen. Der Mann verhandelt mit der Verkäuferin den Preis. Er zahlt - und kauft ihr alle Rosen ab, den ganzen Eimer. Er umarmt die Verkäuferin. Die freut sich natürlich riesig. Und alle freuen sich mit, denn der Mann vom Nebentisch verteilt die Rosen im Restaurant. „Frohe Weihnachten!“ Das ist sein einziger Kommentar.

Ach, wie eng ich doch manchmal denke.

2013/12/11

11. Dezember

 

Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein

Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein,
die Engel.
Sie gehen leise, sie müssen nicht schrein,
oft sind sie alt und hässlich und klein,
die Engel.

Sie haben kein Schwert, kein weißes Gewand,
die Engel.
Vielleicht ist einer, der gibt dir die Hand,
oder er wohnt neben dir, Wand an Wand,
der Engel.

Dem Hungernden hat er das Brot gebracht,
der Engel.
Dem Kranken hat er das Bett gemacht,
und hört, wenn du ihn rufst, in der Nacht,
der Engel.

Er steht im Weg und er sagt: Nein,
der Engel.
Groß wie ein Pfahl und hart wie ein Stein –
Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein,
die Engel.

Rudolf Otto Wiemer

2013/12/10

10. Dezember

Aus gegebenem Anlass...


2013/12/09

9. Dezember

Land der Sehnsucht
Nehmen wir einmal an, wir lebten in einem Land, in dem Krieg und Terror herrschen.
Nehmen wir einmal an, wir könnten uns unseres Lebens nicht mehr sicher sein und der Tod lauere uns überall auf.
Nehmen wir einmal an, es wären die Kinder aus unserer Familie, die auf der Flucht sind, ängstlich, verwaist, traumatisiert, orientierungslos.
Nehmen wir einmal an, wir lebten in Syrien - was würden wir machen? Würden wir nicht auch unserer Sehnsucht folgen, die keineswegs purer Abenteuerlust oder reinen Wohlstandsgelüsten entspringt, sondern vielmehr der Angst ums nackte Überleben? Würden wir nicht auch in ein Land fliehen wollen, in dem wir uns sicher fühlen können?
Nehmen wir einmal an, es gäbe ein Land, in dem sich jeder an folgendes biblisches Wort hält: Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst.
Nehmen wir einmal an, es gäbe ein Land, in dem dieses Wort von allen beherzigt wird, auch von denen, die mit Gott und Bibel nichts anzufangen wissen oder wollen, die aber dennoch überzeugt sind, dass kein Mensch, wirklich keiner, mehr oder weniger wert ist als der andere, sprich: als man selbst.
Nehmen wir einmal an, es gäbe ein Land, in dem Flüchtlingen mit ihrem Schmerz über den Verlust ihrer Heimat und ihrer Angehörigen nicht noch verhohlene oder unverhohlene Feindseligkeiten entgegenschlagen, sondern Respekt, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Nehmen wir einmal an, es gäbe ein Land, in der die Sorge um das Wohl der Flüchtlinge größer ist als darum, selbst zu verarmen.
Nehmen wir einmal an, niemand würde dies für einen frommen Wunschgedanken, eine naive Milchmädchenrechnung oder weit hergeholte Utopie halten.
Nehmen wir einmal an, es gäbe jemanden, der so ein Land kennt.
Ich würde ihn nach dem Weg fragen und zöge dorthin.
Andrea Wilke, Referentin im Bischöflichen Ordinariat Erfurt, Thüringische Landeszeitung, 01.09.2013

2013/12/08

8. Dezember - 2. Advent


Cambine  im Ausnahmezustand


Alle zwei Jahre findet die Jährliche Konferenz (= Synode) der Evangelisch-methodistischen Kirche in Mosambik in Cambine statt. Dann befindet sich das Dorf für eine halbe Woche im Ausnahmezustand. Hunderte von Gästen bevölkern es. Als Europäer frage ich mich: Wo bleiben die alle? Aber das ist für Afrikaner keine Frage. Strohmatte auf den Boden und gut. So könnten in einer Wohnung wie unserer gut und gerne acht bis zehn Gäste unterkommen. Irgendwie muss das gehen...


So viele Menschen müssen dann aber auch verpflegt werden. Für die Frauen, die dafür sorgen, dass alle satt werden, ist das eine Herausforderung. Schon wegen der Menge. Dann aber auch wegen des Konferenzprogramms. Denn das wird nie eingehalten. Einmal, so sagte uns eine der Küchenfrauen, hätten sie das Abendessen zur vereinbarten Zeit fertig gehabt. Die Konferenzsitzung sei dann aber erst gegen halb drei in der Nacht zu Ende gewesen. In Deutschland nicht denkbar. In Afrika durchaus.


Heute gibt es Reis und Bohnen. Wie gestern. Und morgen.


Guten Appetit!

Im Abschlussgottesdienst der Konferenz verliest die Bischöfin traditionell die Dienstzuweisungsliste. So erfahren die Pastoren und Pastorinnen, ob und wo sie im nächsten Jahr Gemeindearbeit tun werden. In Deutschland wird das langfristig mit den betroffenen Gemeinden und PastorInnen vorbesprochen. In Mosambik soll es auch heute noch vorkommen, dass mancher erst in diesem Gottesdienst erfährt, was seine Kirche in diesem Jahr mit ihm vorhat.


Nochmal zu den Gästen. Wir hatten keine zehn Gäste im Haus. Es war uns eine Ehre, der Bischöfin einen Schlafplatz anbieten zu dürfen. Den nutzte sie gerne, doch meistens nicht lange. Letzte Nacht endete ihre Sitzungszeit morgens um halb zwei. Halb sieben verließ sie das Haus schon wieder, denn um acht begann der Gottesdienst. 



Das war unser zweiter Advent.




2013/12/06

6. Dezember

Unbezwungen

Aus dieser Nacht, die mich umhüllt,
von Pol zu Pol schwarz wie das Grab,
dank ich welch immer Gottes Bild
die unbezwung'ne Seel mir gab. 
 
Wenn grausam war des Lebens Fahrt,
habt ihr nie zucken, schrein mich sehn!
Des Schicksals Knüppel schlug mich hart -
mein blut'ger Kopf blieb aufrecht stehn!

Ob zornerfüllt, ob tränenvoll,
ob Jenseitsschrecken schon begann:
das Grauen meines Alters soll
mich furchtlos finden, jetzt und dann.

Was kümmert's, dass der Himmel fern
und dass von Straf' mein Buch erzähl',
Ich bin der Herr von meinem Stern,
Ich bin der Meister meiner Seel'! 

William Ernest Henley


Mit diesem Gedicht möchte ich an Nelson Mandela erinnern. An diesen Worten hat er sich in den Jahren seiner Haft immer wieder aufgerichtet. Nun ist diese wechselvolle Leben zu Ende gegangen. Bischöfin Rosemarie Wenner hat in einem Brief dazu folgendes geschrieben:

Menschen in allen Kontinenten trauern um Nelson Mandela. Als der Bischofsrat der Evangelisch-methodistischen Kirche im November 2006 in Südafrika tagte, hatten wir die große Ehre, Nelson Mandela und seine Ehefrau Graça Machel zu einem kurzen Besuch bei uns zu haben. Nelson Mandela wurde in der Methodistischen Kirche im südlichen Afrika getauft und seine Ehefrau Graça Machel, die aus Mosambik stammt, gehört der Evangelisch-methodistischen Kirche an. ... Nach dem Ende der Apartheid wurde Nelson Mandela der erste Präsident der Regenbogennation. Er half seinem Volk, Unrecht beim Namen zu nennen und aufzuarbeiten und so Versöhnung zu bewirken. Nelson Mandela hielt am Glauben fest, dass eine andere Welt möglich ist, eine Welt, in der alle Menschen in Würde leben können und in der „Gerechtigkeit und Friede sich küssen“ (Psalm 85,11). Diesen Glauben lebte er in beeindruckender Weise. Wir trauern mit seiner Familie und mit seiner Nation. Mit den Geschwistern der Methodistischen Kirche im südlichen Afrika, mit denen wir in Partnerschaft verbunden sind, beten wir: 
 
Wir gedenken an einen deiner treuen Diener
und vergegenwärtigen sein Lebenszeugnis vor dir, o Gott;
Wir ehren Nelson Mandela und sein Vermächtnis,
ein Vermächtnis der Gerechtigkeit, der Versöhnung und der Freiheit;
Wir haben uns dem Wirken deines Reiches geöffnet,
das sich in Madibas Leben
und im Leben vieler anderer mutiger
Führungspersönlichkeiten widerspiegelt.
Jetzt folgen wir ihrem Beispiel,
so wie sie deinem Beispiel nacheiferten;
Wir nehmen ihren Traum einer anderen Welt auf,
so wie sie diese Vision von dir aufnahmen;
Wir werden den Menschen mit Bescheidenheit
und Opferbereitschaft dienen,
so wie sie uns dienten.
Möge die grenzenlose Gnade Jesu Christi,
Gottes unendliche Liebe und Mitgefühl
und die gemeinschaftsstiftende Weggemeinschaft des Heiligen Geistes mit uns sein.
 

4. und 5. Dezember



Kontaktsuche

Gestern und vorgestern konnte ich keinen Eintrag im Blog veröffentlichen, weil wir keinen Zugang zum Netz hatten. Wieder mal. Sogar die Mobiltelefone blieben stumm im Dorf. Das ist ärgerlich gerade jetzt, weil wegen der Konferenztagung viele Gäste im Dorf sind. Wir sehen sie mit erhobenen Händen durchs Dorf laufen. Sie suchen nach einer Stelle mit Netzzugang. Solche Stellen kann man nicht sehen. Man muss sie kennen oder finden. 


Einige dieser Orte haben ihren festen Platz. Unter dem Mangobaum in unserem Garten, z.B. haben wir fast immer Empfang, meistens sogar nur dort. Oder in der Ecke vom Arbeitszimmer. Manchmal allerdings klingelt das Telefon auch, wenn ich auf dem Sofa sitze. Ein andermal, wie eben grade jetzt, geht über Tage gar nichts. So wird telefonieren zum Abenteuer.

Jahrtausende lebte die Menschheit ohne Mobiltelefone. Und heute ist es ein Problem, wenn man es mal nicht benutzen kann? Wie kann man das verstehen? Viel ist über diese Frage schon gesagt worden. Und auch meine Antwort ist nicht neu.

Wir Menschen sind eben auf Gemeinschaft angelegt. Zu unserem Wesen gehört Kommunikation, der Austausch mit anderen. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, sagt Gott, bevor er dem Adam die Eva an die Seite stellt. In beiden biblischen Schöpfungsgeschichten gibt den Menschen nur als Doppelwesen: Mann und Frau, dazu geschaffen, miteinander zu kommunizieren.

Nun überliefert die Urgeschichte der Bibel nicht die privaten Erinnerungen der Familie Adam. Sie bietet vielmehr eine ur-typische Beschreibung des Lebens und der Welt, an der wir teilhaben. Dazu gehört, dass die Geschöpfe miteinander in Beziehung treten. Wenn Kommunikation abreißt, ist das immer ein Alarmsignal. Etwas, das Angst auslöst und das wir vermeiden möchten, weil der Mensch eben nicht sich selber genügen kann. Weil ich ein Mensch bin, brauche ich den anderen. Darum suchen wir ihn, wie in der Urgeschichte Gott den Adam und die Eva sucht, die sich im Garten vor ihm verstecken.

Wir suchen den Zugang zum Netz, sagen wir. Vielleicht suchen wir dabei mehr als wir denken.

2013/12/03

3. Dezember

Schlagzeilen

Die gibt es ja nicht nur in der Presse. Manche tragen sie als Botschaft auf dem T-Shirt, andere kleben sie ans Auto. Es macht mir Spaß, solche Botschaften wahrzunehmen.

Ein Tauchshop in Tofo verkauft z.B. ein T-Shirt mit der Aufschrift: EAT MORE PLANKTON. Als wir es sahen, war es nur in der Walgröße XXL vorrätig.

Unvergessen auch der Wachmann in Springerstiefeln und Uniform, die Kalaschnikow in der Hand, der vor einem Auto posiert, auf dem groß geschrieben steht: JESUS IS MY POWER. Heute sah ich einen Kleinbus mit dem lebenspraktischen Tipp: WENN DER TEUFEL KLINGELT, SCHICK JESUS AN DIE TÜR.

Immer wieder sehe ich einen älteren Toyota-Geländewagen mit einem noch ein wenig älteren Fahrer. Sie tragen zwei schlichte Worte in die Welt: PAZ E TRABALHO - Frieden und Arbeit. Ich kenne den Mann am Steuer dieses Wagens nicht, doch wegen dieser Worte ist er mir sympathisch.

Ganz anders geht es mir mit dem Fahrer des Kleinbusses, der die Botschaft verbreitet: EUER NEID IST MEIN RUHM. Ist das vielleicht die mosambikanische Version des deutschen Aufkleber-Klassikers "Eure Armut kotzt mich an"? Doch auch das kann man sehen:


Ser pobre não é defeito - Arm sein ist kein Makel.

Ich finde, es lohnt sich, auf solche Botschaften zu achten. Vielleicht habt ihr ja auch schon ähnliches gesehen. Nur Mut, schreibt es in den Kommentar. Ich würde mich freuen. 

2013/12/02

2. Dezember

Vom Grund unter den Füßen


Als ich heute nachmittag
auf unsere Veranda trat,
sah ich die Silhouetten
dieser zwei Techniker
hoch oben im Mast.
Ihre Aufgabe ist es,
ihn mit Seilen zu stabilisieren.

Als ich sie sah,
hatte ich festen Grund unter den Füßen,

Doch allein der Gedanke,
ich müsste an ihrer Stelle sein,
ließ ihn scheinbar wanken.









Ganz da oben.
Allein in schwindelnder Höhe.
Die Seile, die dem Ganzen
Halt geben sollen,
hängen noch schlaff herunter.

Einer muss das Risiko eingehen
und vorklettern ins Ungesicherte,
im Vertrauen darauf,
dass der Unterbau ihn trägt.

Stellt mich nicht jeder neue Tag
vor diese eine Aufgabe:
vorklettern ins Ungesicherte
voller Zuversicht,
dass das Leben trägt?

2013/12/01

1. Dezember - 1. Advent

Der 1. Advent - ein Trauertag

Wie oft wird in diesen Tagen gesagt werden, dass Advent 'Ankunft' bedeute? Von Sehnsucht und Erwartung wird die Rede sein, von Vorfreude auf das kommende Fest. Es wird uns an die Geburt des Kindes erinnern, das die schwangere Maria biblischer Überlieferung gemäß nach Bethlehem trug. Dort sollte es geboren werden als neuer David, als Heils- und Friedensbringer.

Doch dieses Jahr ist der 1. Advent kein freudiger Tag in Mosambik. Kurzfristig wurde er zum Trauertag erklärt. Vergangenen Freitag ist eine Maschine der mosambikanischen Airline LAM auf dem Weg von Maputo nach Luanda abgestürzt. Nach langer Suche fanden Suchtrupps in weit abgelegener Gegend das völlig ausgebrannte Wrack. Überlebt hat das Unglück offenbar niemand. Es waren 33 Menschen an Bord gewesen.

Nein, auch die Adventswochen sind nicht "aus der Zeit gefallen". Die Welt ist nicht friedlicher oder milder in diesen Tagen. Auch der heutige Welt-AIDS-Tag erinnert uns daran, "dass es noch Wirklichkeiten gibt,
worüber ganze Völker weinen", wie Bettina Wegner singt.

Ja, in dieser Welt feiern wir Advent. So soll es sein, so muss es sein, damit die Hoffnung nicht stirbt unter uns.

2013/11/28

Und wieder ein Funkloch weniger

die neue Movitel-Antenne gleich neben dem Haus der Pastorin
Endlich! Nach einigen Jahren bürokratischer Vorbereitungen bekommt Cambine wohl noch vor Weihnachten eine funktionierende Mobilfunkantenne. "Elektrosmog" und "Handystrahlung" interessieren in Mosambik niemanden. Die Dichte der Antennen ist allerdings auch viel geringer als in Deutschland. Und auch wir sind froh. Denn nun werden sich in absehbarer Zeit unsere Kommunikationsmöglichkeiten spürbar verbessern. Das wird auch Zeit. Für etwa 30 Euro monatlich bekommen wir einen limitierten Zugang zum Internet mit Übertragungsraten, die jetzt, wo ich diesen Blog schreibe, zwischen 0,1 kb/s und bestenfalls 12 kb/s schwanken. Zwischendurch reißt die Verbindung immer mal ganz ab und ich muss den Computer vom Netz trennen und mich neu einwählen: Beim Versuch, Ihren Post zu speichern oder zu veröffentlichen, ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut. - Es kann eigentlich nur besser werden.

2013/11/08

Zwei markante Bücher über Afrika

In den vergangenen Wochen bin ich auf zwei Bücher aufmerksam geworden, die mir erwähnenswert scheinen, auch wenn ich sie selber noch nicht in der Hand hatte.

Das erste Buch heißt „DAS ROTE TRIKOT, Eine afrikanische Reise“ (von Sylvain Victor, Aladin Verlag 2013, 48 Seiten, 12,90 €) Es geht in diesem Bilderbuch fast ohne Worte nicht um eine Reise im landläufigen Sinn. Es geht um den Weg, den ein rotes Trikot mit der Nummer 8 nimmt: von Herstellung und Kauf zur Nutzung durch einen Jungen irgendwo in Europa. Dann landet es im Altkleidercontainer und die afrikanische Reise beginnt... Denn am Ende trägt ein Junge aus Afrika das rote Trikot mit der Nummer 8. Die Bildgeschichte folgt ihm und auf diese Weise erfahren wir als Betrachter der Bilder viel über die Lebenswelt eines Kindes in Afrika. Und darüber, dass Gebrauchtkleiderhandel nicht so verwerflich ist, wie es manchmal dargestellt wird. Es ist die Geschichte eines gebrauchten Kleidungsstückes, das Kinder, miteinander verbindet, die einander nicht kennen. Genau das vermag die Bildgeschichte auch, wir müssen ihr nur folgen. Am besten, indem wir das Buch gemeinsam mit einem Kind anschauen.

Mehr über das Buch finden Sie hier:



Das zweite Buch heißt „ES GIBT DINGE, DIE KANN MAN NICHT ERZÄHLEN“ (von Kirsten Boie, Oetinger Verlag 2013 112 Seiten,12,95€) Kirsten Boie gehört ja zu den großen Kinderbuchautorinnen deutscher Sprache. Zumindest eine der vier Geschichten dieses Büchleins habe ich gelesen. Sie war vor Monaten in der ZEIT abgedruckt. Es ist beeindruckend – und bedrückend zugleich – wie nüchtern sie die Lebenswelt von AIDS-Waisen in Swasiland schildert. Die Autorin kennt die Situation in diesem armen und von AIDS geplagten Ländchen zwischen Südafrika und Mosambik aus eigener Anschauung. Die Geschichten, so schreibt sie, seien ihre Art, die Eindrücke ihrer Reisen zu verarbeiten. Nein, es ist keine leichte Kost, die hier geboten wird, dafür ist die Wirklichkeit, die hinter den Geschichten steht, viel zu ernst. „Kinder sollten die Geschichten frühestens mit zwölf Jahren lesen – und nicht allein“, schreibt die ZEIT über das Buch. Und Kirsten Boie schreibt im Nachwort zu ihrem Buch: „Ich könnte noch viel mehr Geschichten erzählen, und all diese Geschichten sind wahr. (…) Wenn die Geschichten traurig sind, kann ich es darum nicht ändern. Trauriger als die Wirklichkeit sind sie nicht.“

Mehr über das Buch finden Sie hier:


2013/11/05

Gedanken Prüfung

 
Da sitzen vierzehn junge afrikanische Männer und Frauen in Schulbänken. Sie sind über Schreibbögen gebeugt und ordnen ihre Gedanken: Jahresabschlussprüfung am Theologischen Seminar: Was meint der Begriff „sozialer Status? Beschreiben Sie die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs. Jesus als Beispiel guter Kommunikation. Was zeichnet seine Kommunikation aus? Schreiben Sie in englischer Sprache einen kurzen Aufsatz über die anstehenden Wahlen und die allgemeine Situation in Mosambik.

Ihnen gegenüber sitze ich: Professor Tomás. Ein Stück konnte ich die jungen Menschen auf ihrem Weg begleiten. Manches haben wir in den vergangenen Jahren voneinander gelernt. Mitunter haben wir uns nur schwer miteinander verständigen können, zu unterschiedlich waren die kulturellen Hintergründe. Auch die Sprache blieb ein Hindernis. Portugiesisch ist nicht nur für mich eine angelernte Fremdsprache. Auch manche der Studierenden sind in ihr nicht zu Hause.

Im fernen Frankfurt sitzen heute die Verantwortlichen beieinander, die über meine Zukunft entscheiden. Schon werden wir öfters gefragt: Wohin werdet ihr gehen, wenn ihr nach Deutschland zurückkommt? Als Pastor der methodistischen Kirche kann ich mir das nicht aussuchen. Ich werde an einen Ort geschickt. Das heißt: meine persönliche Entscheidungsfreiheit ist gering. Das heißt aber auch: Ich muss mir nach der Rückkehr nicht mühsam eine Arbeitsstelle suchen. Und das hat seinen Wert, zumal mit Mitte fünfzig. So geht mir vieles durch den Kopf in diesen Tagen.

Erinnerungen an unseren schwierigen Anfang in Mosambik. Fragen: Hat es sich gelohnt? Was haben wir gelernt? Konnten wir etwas bewegen? Wo sind wir an unsere Grenzen gestoßen? Fragen, auf die ich noch keine abschließende Antwort habe. Eindrücke allenfalls, Gedanken, die zu ordnen sein werden.

Gedanken an die Zukunft: Wird es schwer werden, sich nach sieben Jahren auf einem afrikanischen Dorf wieder in Deutschland zurecht zu finden? Und nach zweiundzwanzig Jahren anderer Tätigkeit wieder in eine Gemeinde. Werde ich dem gewachsen sein? - Ich weiß es nicht. Ich hoffe.

Und wie wird es in Mosambik weitergehen?

Zunächst richtet sich die Sorge vieler auf die Frage: Wird der innere Frieden halten? Der Friedensschluss von Rom beendete 1992 den blutigen Bürgerkrieg zwischen RENAMO und FRELIMO. Seither sind die Gegner leidlich friedlich miteinander umgegangen. Nun zeigt es sich ganz deutlich, dass Mosambik nicht mehr ist als eine Fassadendemokratie. Weder die regierende FRELIMO, noch die größte Oppositionspartei RENAMO sind an einem fairen Prozess politischer Entscheidungsfindung interessiert. Die anderen Oppositionsparteien, wie z.B. die Demokratische Bewegung Mosambiks (MDM), sind auffällig zurückhaltend mit ihren Äußerungen. Am ehesten sind es noch die Kirchen, die sich zu Wort melden und zum Frieden mahnen.

Spreche ich mit Menschen, so lachen sie meist. Doch es kommt mir nicht ehrlich vor. Es scheint mir eher ein resigniertes Lachen zu sein, erwachsen aus dem Empfinden von Machtlosigkeit: Die Mächtigen machen ja eh, was sie für richtig halten. Das Volk wird nicht gefragt. Wie damals in den 70er und 80er Jahren, als die weltpolitische Lage noch vom Ost-West-Konflikt geprägt war. Darum geht es heute nicht mehr. Doch geht es in der aktuellen Krise sicher auch nicht um das Wohl des Volkes. Nächstes Jahr werden Präsidentschaftswahlen stattfinden. Nach der Verfassung darf Guebuza nicht noch einmal antreten. Wird er willens sein, die Macht abzugeben? Manche sagen: Der aktuelle Konflikt liegt ganz in Guebuzas Interesse. Hat er Grund, den Notstand auszurufen, darf er erst mal weiterregieren.

Für andere sind die aktuellen Gewalttätigkeiten schlicht Verteilungskämpfe. Wer darf am erwarteten Rohstoffboom verdienen und wer nicht? Statt für das noch gar nicht vorhandene Geld einen Zukunftsfond anzulegen, aus dem man später das Land entwickeln und wirksam die Armut bekämpfen könnte, kauft die Regierung schon jetzt in Europa hochmoderne Kriegsschiffe ein. Vor einiger Zeit schlug die Weltbank vor, die erteilten Lizenzen für die Rohstoffförderung neu zu verhandeln, um bessere Konditionen für Mosambik zu erreichen. Die Regierung ließ sich darauf nicht ein. Man fragt sich warum. Darf man vermuten, dass manche der an der Vergabe der Lizenzen Beteiligten bei einer Neuverhandlung viel zu verlieren hätten? Manche sehen das so.

Gibt es eine Chance, den Frieden im Land zu erhalten? Ich denke: ja. Aber m.E. erwächst diese Chance nicht zuerst aus purer Friedensliebe oder der vorrangigsten Pflicht einer Regierung, für das Wohl des Volkes zu sorgen. Es wäre schon viel, wenn sich bei den Kontrahenten die nüchterne Erkenntnis durchsetzte, dass ein neuer Bürgerkrieg dem Investitionsklima im Land sicher beträchtlich schaden würde. Das würde dann möglicherweise auch die eigenen zu erwartenden Einkünfte empfindlich schmälern. Könnten es am Ende sehr eigennützige Motive sein, die dem Spiel mit dem Feuer eine Grenze setzen? Ich hielte es zumindest nicht für verwerflich.

Allerdings hoffe ich zugleich, dass die aktuelle Krise in Mosambik bei den politisch Verantwortlichen in Deutschland ein Umdenken hervorruft. Mosambik ist nicht so demokratisch, wie sie es gerne hätten. Es ist durchaus kein Musterschüler in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Der Vergleich mit anderen afrikanischen Ländern ist nur ein schwaches Argument. Es gibt noch viel zu tun, um eine wirkliche und nachhaltige Entwicklung in Mosambik auf den Weg zu bringen. Dazu wird das Land auch weiterhin starke und selbstbewusste Partner brauchen. Deutschland sollte einer von ihnen sein.

Noch immer sitze ich an meinem Lehrerpult. Noch immer neigen sich die Studierenden über ihre Prüfungsbögen. Werden sie das Wissen und Können, das sie in ihrem Studium erwerben, anwenden, um ihr Land voran zu bringen? Ich weiß es nicht. Ich hoffe.

2013/10/26

Mosambiks fragliche Zukunft

Es hat sich ja schon lange angedeutet: die politischen Spannungen in Mosambik wuchsen. Die ehemaligen Bürgerkriegsgegner FRELIMO und RENAMO haben sich zu poltischen Parteien gewandelt, die für afrikanische Verhältnisse leidlich demokratisch miteinander umgehen. So jedenfalls hoffte die internationale Gemeinschaft. Und manche Entwicklungen schienen ihr recht zu geben. Mosambik "machte sich", wie man so sagt. Auch wir selber haben das in den reichlich fünf Jahren, die wir inzwischen hier sind, gespürt. Straßen wurden gebaut, Gesundheitszentren, Krankenhäuser, Schulen... Doch im Umgang miteinander scheinen Guebuza und Dhlakama, die führenden Politiker der beiden großen Parteien, ihre Kriegermentalität noch lange nicht überwunden zu haben.

"Zwei starrsinnige Männer führen Mosambik an den Abgrund", so lautet die Überschrift  zu einem lesenswerten Kommentar von Johannes Beck. Noch will ich nicht wie Beck von einem Scheitern auf der ganzen Linie sprechen, aber die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, leider. 

Wahlen stehen an: dieses Jahr Kommunalwahlen, nächstes Jahr Parlamentswahlen. Die RENAMO als größte Oppositionspartei will das unbedingt verhindern. Sie fühlen sich durch die Regierungspartei FRELIMO benachteiligt. Das ist sicher nicht unbegründet. Vollkommen inakzeptabel ist aber, dass sie das  mit gewaltsamen Mitteln versuchte, auf die der Staat gewaltsam reagierte - wohlwissend, welches Risiko er damit einging.

Es ist ruhig im Land. Alles geht scheinbar seinen normalen Gang. In den Schulen bereiten sich Lehrer und Schüler auf die Prüfungen vor. In den Bäckereien wird Brot gebacken und verkauft. Die Geschäfte haben dasselbe Angebot wie immer. Tankstellen haben geöffnet. Und doch ist alles irgendwie anders. Man sieht es den Menschen nicht an. Sie sprechen auch nicht davon. Allen liegt daran, Normalität zu demonstrieren. Nur wenn man sie fragt, sprechen sie von ihrer Besorgnis, es könnte wieder Krieg geben, Den, so heißt es allerdings offiziell, will niemand, auch nicht die Granden aus FRELIMO und RENAMO. Nur ihre Taten sprachen bisher eine andere Sprache.

Letzten Sontag im Gottesdienst in Cambine wurde lauthals und vielstimmig um Frieden gebetet. Morgen werden wir es sicher wieder tun. Das mag nicht viel sein. Und ob Gebete den Starrsinn zweier alter Männer aufzubrechen vermögen? Es gibt viele, die daran zweifeln. Doch waren es nicht schon einmal Menschen mit Kerzen in den Händen und Gebeten auf den Lippen, die es vermochten, alte starrsinnige Männer von ihrem Podest zu fegen? 

2013/10/11

Ende der Besuchszeit

In mosambikanischen Krankenhäusern sind Besuchszeiten klar geregelt. Anfang und Ende sind klar auf deutlich erkennbar angebrachten Tafeln festgeschrieben. Und mit Sicherheit wird sich allemal eine resolute Person finden, die dafür sorgt, dass die Zeiten auch eingehalten werden. Auch bei uns in Cambine ist die Besuchszeit klar geregelt. Dazu braucht es nicht einmal Schilder. Und dass die Zeiten respektiert werden, dafür sorgt zuverlässig die Sonne.

Ende September, Anfang Oktober beginnt die Temperatur zu steigen. Und wenn es, wie dieses Jahr, dazu noch öfters regnet, kann es ziemlich heiß und schwül werden. Das ist keine gute Zeit für Besucher aus den gemäßigten Zonen. Erst wenn es im April, Mai wieder kühler wird, ist verstärkt mit Besuchern zu rechnen. So war es auch in diesem Jahr.

Als wir im Juni aus Deutschland zurück kamen, begann die Besuchszeit. Anfang dieser Woche endete sie. Gruppen von freiwilligen Helfern, Missionsinteressierte, Freunde, Verwandte, Vertreter der EmK-Weltmission, sie alle waren gern gesehene Gäste in den vergangenen Monaten. Viele Begegnungen, zahllose Gespräche manchmal bis tief in die Nacht, gemeinsames Unterwegssein, Arbeiten, Feiern... All das hat die zurück liegenden Monate zu einer interessanten Abwechslung und intensiven Erfahrung werden lassen, für die wir sehr dankbar sind. Doch es wäre nicht ehrlich, wollte ich verschweigen, dass es bisweilen auch anstrengend war. Denn nebenher gibt es ja auch im ganz normalen Alltag dies und das zu tun. Aus der Fülle der Eindrücke können hier nur wenige kurz angedeutet werden.

Im Juli hatten wir privaten Besuch. Mit einem Linienbus reisten wir ihm bis Nelspruit entgegen. Schon diese Hinreise in einem überfüllten afrikanischen Minibus war eine ganz eigene Erfahrung. Über zwölf Stunden unterwegs, inklusive zwei Stunden Aufenthalt an der Grenze, um auf die illegalen Grenzgänger zu warten, das erlebt man nicht alle Tage. Um so erholsamer war dann die gemeinsame Tour mit der „Julicombo“. (s.u.)


 Sebastian und Annika kamen nach Afrika, um sich auf dem Kontinent umzuschauen. Mal sehen, was sich irgendwann vielleicht aus dieser Informationstour ergeben wird.

Beim Streichen der Wellbleche fürs Dach
Volunteers in Mission aus Virginia, USA, kamen zu einem Arbeitseinsatz auf der Baustelle des neuen Studentenwohnheims des Theologischen Seminars nach Cambine. Sie sorgten dafür, dass der Neubau ein "wohlbedachtes" Projekt wurde.

Zu Gast in der Gemeinde Chokwe im Limpopotal
Mit Missionssekretär Frank Aichele und dem Geschäftsführer der EmK-Weltmission, Holger Würth, waren wir im August unterwegs. In Maputo trafen wir die Bischöfin und reisten dann nach Chokwe. Die Region war im Januar von dem schweren Hochwasser betroffen. Der Gemeindepastor hatte nur Tage vor der Flut seinen Dienst in der Gemeinde angetreten. Als das Wasser kam, brachte er mehrere Tage und Nächte auf dem Vordach seiner Kirche zu.

Dr. Eisentraut und Zahnarzthelfer Manuel im Einsatz
Im September waren die Zahnärztin Dr. Claudia Eisentraut und unser Sohn Manuel bei uns zu Gast. Die beiden sind seit der Schulzeit miteinander befreundet. Nun kamen sie zu einem humanitären Einsatz nach Cambine. Über hundert Hilfesuchende konnten sie betreuen. Unter ihnen war auch Altbischof Machado. Er kam extra die 120 Kilometer von seinem Wohnort angereist. Normalerweise können Zahnärzte in Mosambik nur Zähne ziehen. Für Füllungen und Zahnsanierungen fehlt ihnen fast immer das Material und die Ausrüstungen. Schwierig war es, Menschen unbehandelt wieder wegzuschicken. Es ging aber nicht anders, denn der Einsatz war ja auf wenige Tage begrenzt.

Beim Montieren des Sonnenkollektors auf dem Vordach unseres Hauses
Abgeschlossen wurde die Besuchszeit durch die Cambinefreunde aus Lage in Ostwestfalen. Alle zwei Jahre kommt diese Gruppe in wechselnder Zusammensetzung nach Mosambik. In diesem Jahr haben sie eine solarenergiebetriebene Trinkwasserpumpe installiert, vorhandene Anlagen gewartet und schließlich erhielt auch unser Haus einen Sonnenkollektor zum Wassererhitzen. Mit den Studierenden am Seminar haben wir einen Gottesdienst vorbereitet und mit den Kindern im Waisenhaus ein Fest gefeiert. 

Nun seid ihr alle wieder abgereist und Cambine ist zum Alltag zurückgekehrt. Die Eindrücke der vergangenen Monate allerdings, die werden uns noch lange begleiten. Ein herzliches Dankeschön euch allen, die ihr euch aufgemacht habt, um euer Interesse an Cambine zu bekunden und die ihr auf vielerlei Weise eure ganz persönlichen Spuren hinterlassen habt.  DANKE.

2013/08/06

Familienbande - Fortsetzung

Hier folgt nun die Fortsetzung der Saga. Und die findet nicht in Deutschland statt! Auch die Besetzung hat gewechselt: ich (Claudias Nichte Manuela), Claudias Bruder Frieder, Schwägerin Gerlinde und Freund der Familie Hans-Jürgen Steuber besuchten Claudia und Thomas im Juli für knapp drei Wochen. Auch heute, anderthalb Wochen nach unserer Rückkehr, fällt es schwer, so viele bewegende Eindrücke in ein paar kurze Worte zu fassen.

Tomaten kaufen in Maxixe
Was hält nach? Mit Claudia und Thomas durch Cambine zu spazieren und zu spüren, dass sie längst keine Fremden mehr sind, dass sie etwas ausstrahlen, aber davon auch etwas zurück bekommen. In so viele verschiedene freundliche Gesichter zu blicken, wenn Claudia und Thomas gegenwärtig waren - das rührte mich.

Mit den Kindern im Waisenhaus
Was bleibt ist Bewunderung, wie sie in ihrer beherzten und fröhlichen Art ihrem Dienst und Arbeit nachgehen - und es ist wahrlich nicht immer leicht. Sehr dankbar bin ich für jeden Händedruck, so manche Umarmung, das Knuddeln der Kleinen im Waisenhaus, das Kennenlernen von Cambine und seinen Menschen und dem Wirken von Claudia und Thomas mitten darin. Mit eigenen Augen zu sehen, was nur durch viele Spenden wachsen kann – das ist natürlich Grund zur Freude und zum Danken!

Frühstück am Indischen Ozean
Die Reise nach Mosambik und alles Erlebte trage ich im Herzen. Betet für Claudia und Thomas und für die Menschen, die ihnen in Cambine wichtig geworden sind.

Manuela Möckel

2013/07/04

Familienbande


Am Taufsonntag in Leipzig - links Pauls Familie, rechts Mareis

Ich liebe dieses Wort. Es ist so schön mehrdeutig. Das Lied von der Affenbande klingt für mich an, auch wenn das wenig schmeichelhaft sein mag. Zugleich ruft es die Verbändelungen ins Bewusstsein, in die jeder Mensch hineingeboren wird und die sich dann ein Leben lang weiterentwickeln. Die Verwandten gehören dazu und nicht zuletzt die Freunde, die man gewinnt oder verliert. Wie wertvoll dieses Netzwerk an zwischenmenschlichen Beziehungen ist, ist uns in den vergangenen Jahren deutlicher bewusst geworden ist als je zuvor. Und auch die vergangenen Tage in Deutschland haben erneut dazu beigetragen.


Mit seiner Lieblingstante Emily lacht Raphael besonders gern
Wir haben dankbar erlebt, wie Familienbande sich erweitert. Natürlich ist hier die Rede von Raphael, dem kleinen Menschen, den wir bis dahin nur von Bildern kannten. Nun haben wir ihn endlich als lebendiges Wesen erleben dürfen – und freuen uns sehr, dass es ihn gibt.
 
 
Paul und Marei mit ihrem zufriedenen Raphael

Doch auch von seinem Vater Paul muss hier die Rede sein. So oft konnten wir einander ja noch nicht begegnen. Gleiches gilt von seiner Familie. Die Zeit in Deutschland gab uns Gelegenheit, diese Begegnungen endlich nachzuholen. Wir sind dafür sehr dankbar: die Abende bei Pauls Eltern im Pfarrgarten in Schwerin, der Tag bei den Urgroßeltern auf der Insel und schließlich die Feier von Raphaels Taufe in Leipzig, an der auch viele von Mareis und Pauls Freunden aus Leipzig teilnahmen. - War schon schön. Wir werden lange davon zehren. Müssen.
 
 
Klar, dass diesmal der Abschied besonders schwer fiel. Wenn alles läuft wie man es sich wünscht, wird uns Raphael beim Wiedersehen entgegengelaufen kommen.

Sommer in Deutschland

Dreieinhalb Wochen waren wir in Deutschland, von Ende Mai bis Mitte Juni. Wir hatten auf Frühling gehofft, auf frühsommerliche Temperaturen. Blühende Landschaften. Ein Volk, dass sich nach dem langen grauen Winter an der Sonne gütlich tut. Doch als wir nach Deutschland kamen, war dort gerade Regenzeit. Es war kalt und alles grau in grau. Als wir im Erzgebirge mit dem Auto unterwegs waren, meldete sich einmal sogar der Eiswarner. Da näherte sich die Außentemperatur dem Gefrierpunkt.


Solche Temperaturen gibt es in Mosambik nicht einmal an einem kalten Wintertag.

Wenige Tage danach versanken weite Teile Ostdeutschlands in den Fluten. Selbst in Mosambik zeigte man offenbar in den Fernsehnachrichten Bilder von den Überschwemmungen in Deutschland. Als wir nach unserer Rückkehr davon erzählten, nickten nur alle sehr mitfühlend. Was Hochwasser bedeutet, das weiß man in Mosambik sehr gut.


Ohne Kommentar.
 
Wir selber blieben von den Fluten unberührt. In Radio und Fernsehen konnten wir verfolgen, was vor sich ging. Auf der Autobahn sahen wir THW, Bundeswehr und Feuerwehr auf dem Weg in die Flutgebiete. Wir allerdings ließen uns nicht von unserem Ziel abbringen, schließlich hatten wir den weiten Weg auf uns genommen, um endlich unseren Erz-Enkel Raphael kennenzulernen. Und das haben wir dann auch getan. Bevor wir seine Taufe feierten, konnten wir etliche Tage gemeinsam mit ihm und seinen Eltern zusammen sein. Das war eine gute Zeit. So haben wir den großen Abstand, der uns normalerweise trennt, ein wenig ausgleichen können.

am Schwarzen Busch auf der Insel Poel

Darüber ist es dann doch noch Sommer geworden. Stadtbummel in Schwerin, Baden am Schwarzen Busch auf der Insel Poel, Familienfeier in Leipzig, die Tage zu Hause im Erzgebirge – natürlich ist das schöner, wenn die Sonne scheint. Schnell kam der Tag der Rückreise. Es war der Tag, über den die Meteorologen sagten: „Nach Tropennacht ein tropischer Tag mit Unwettern“. Und tatsächlich: kaum hatten wir uns in die Bahn nach Frankfurt gesetzt, fühlten wir uns in afrikanische Verhältnisse versetzt. In den Zügen fielen die Klimaanlagen aus. Weichen konnten nicht mehr gestellt werden, offenbar weil es den Computern zu heiß war... Wie auch immer, wir kamen auf dem Flughafen mit drei Stunden Verspätung an. Bloß gut, dass wir genug Puffer eingeplant hatten. Ein Anschlussbus hätte vielleicht gewartet, ein Airbus sicher nicht.

Bisher kannte ich das eigentlich nur vom Weihnachtsmarkt.

2013/05/25

Altkleider in Afrika: Segen oder Fluch?

Lange galt: Europäische Secondhand-Ware zerstört die heimische Textilindustrie. Experten sehen das längst anders, von Gunhild Seyfert, erschienen in: Publik-Forum 2013/3, 8. Februar 2013
Wohin mit der blauen Hose, die nicht mehr passt? Und was tun mit dem Mantel, der seit Jahren ungetragen im Schrank hängt? Einfach in die Mülltonne damit? Dann doch lieber spenden. Aber: Erreicht die Spende die bedürftigen Menschen wirklich, oder werden dubiose Geschäfte damit gemacht? Und hat man nicht immer wieder davon gehört, dass unsere Altkleider in Afrika die einheimische Textilindustrie zerstören?
In der Tat ist vieles undurchsichtig, was mit gesammelter Kleidung passiert. Dabei wächst der Altkleiderberg ständig. 750 000 Tonnen kamen 2011 hierzulande in die Sammlungen. Das sind 47 000 Lkw-Ladungen, eine gigantische Schlange von Kiel bis München. Es ist viel mehr, als hiesige Sozialkaufhäuser und Kleiderkammern brauchen. Gebrauchtkleidung wird deshalb exportiert: nach Osteuropa, in den Nahen und Mittleren Osten und nach Afrika. Die Weltbevölkerung wächst, und viele Menschen können nur über Secondhand an bezahlbare gute Kleidung kommen.
»Dem Überfluss hier steht eine weltweite steigende Nachfrage gegenüber« konstatiert Andreas Voget, Geschäftsführer des Dachverbands FairWertung. Kirchennahe und gemeinnützige Organisationen haben FairWertung 1994 gegründet, um mehr Transparenz ins Altkleidergeschäft zu bringen. Der Dachverband hat Standards für faires und verantwortliches Sammeln und Verwerten von Gebrauchtkleidung entwickelt. Organisationen, die sich verpflichten, diese Grundsätze einzuhalten, dürfen mit dem Namen und Zeichen von Fair-Wertung für ihre Kleidersammlungen werben. Außerdem erforscht der Dachverband, der selbst keine Kleidersammlungen durchführt, welche Auswirkungen Altkleiderimporte in Afrika haben.
Dass europäische Secondhand-Kleidung die Textilmärkte in Afrika zerstört hat, ist laut FairWertung eine Mär. Diese oftmals erzählte Geschichte sei in den 1990er-Jahren entstanden und schon damals falsch gewesen, sagt Voget. Trotzdem werde sie immer wieder aufgewärmt, auch im Fernsehen. So strahlte die ARD im November 2011 zur besten Sendezeit den Report »Die Altkleiderlüge« aus. Anfang Januar wurde sie vom NDR wiederholt. Suggestive Bilder aus Daressalam, der brodelnden Hafenstadt Tansanias, werden mit einer ziemlich einfach gestrickten Erzählung verknüpft. Deutsche Altkleiderspenden hätten »größtmöglichen Schaden angerichtet« und die heimische Textilindustrie »in eine schreckliche Katastrophe gestürzt«. Die Beweisführung für diese These stützt sich dabei jedoch nur auf einen einzigen Informanten, der die Reporter zu seinen zahlreichen Bekannten führt. Ob diese glaubwürdig sind, bleibt ungefragt und ungeprüft. Bei seriösen Quellen, zum Beispiel. bei Wirtschafts- und Entwicklungsexperten oder Gewerkschaftern, recherchieren die Reporter nicht.
Empörung - aber falsche Fakten
Obwohl man sich nach diesem Film moralisch sehr empört fühlt: Anders als deutsche Geflügelteile oder europäisches Milchpulver zerstört der Export von Gebrauchtkleidung in Afrika keine heimischen Märkte. In Kamerun etwa und in vielen anderen afrikanischen Ländern hat es nie einen eigenständigen Textilsektor gegeben, der ohne staatliche Subventionen und Importbeschränkungen hätte überleben können. In Tansania und Kenia gab es zwar eine Textilindustrie, aber sie lag überwiegend in chinesischen Händen. Damals galt noch das GATT, ein Vorläufer der Welthandelsorganisation WTO, und es gab feste Quoten für den Export. In afrikanischen Ländern, die ihre Exportquoten nicht ausnutzten, machten sich chinesische Unternehmen diese Situation zunutze und bauten dort eine Textilindustrie auf. Als die WTO die Quoten außer Kraft setzte, brach diese künstlich aufgeblasene Industrie zusammen.
Anfang der 1980er-Jahre forderten der Internationale Währungsfonds und die Weltbank von vielen Regierungen im Rahmen der Programme zur Ent- und Umschuldung, ihre Subventionen und Importverbote für die Textilindustrie fallen zu lassen. Diesen Einschnitt überlebten die meisten Produzenten nicht.
Aber auch schon davor war diese Industrie in Afrika von Materialausfällen, Strom-und Wassermangel geplagt und konnte besonders die ärmeren Menschen nicht ausreichend mit guter und bezahlbarer Kleidung versorgen.
Entwicklungsexperte Francisco Mari, Referent des Evangelischen Entwicklungsdienstes, befürwortet den Handel mit gebrauchter Kleidung inzwischen ausdrücklich. Viele Menschen erwirtschafteten sich damit einen kleinen Verdienst. »Beim Importeur im Hafen kostet ein Hemd 70 Cent, später auf dem Markt 1,50 Euro«, berichtet Mari aus Tansania. »Dazwischen liegen einige Schritte, bei denen verschiedene Menschen jeweils zehn bis zwanzig Cent verdienen.« Da ist die Schneiderin, die mit ihrer Nähmaschine große, wenig attraktive Stücke in gefragte Kinderkleidung umnäht. Oder die Frau, die Obst aus den Bergen in der Stadt verkauft und auf dem Rückweg in ihren Körben Secondhand-Kleidung für den Markt auf ihrem Dorf mitnimmt. Mit Gebrauchtkleidung gebe es eine weitverzweigte Wertschöpfungskette, betont Mari. Für ein zweijähriges »Dialogprogramm Gebrauchtkleidung in Afrika«, das der Verein FairWertung organisierte, war er mehrfach in Afrika, um mit Vertretern von Jugendverbänden und Textilgewerkschaften zu sprechen, sich mit kirchlichen Gruppen zu treffen und mit Menschen, die im informellen Sektor und im Kleingewerbe arbeiten. »Wir möchten gute Qualität zu einem fairen Preis und wir entscheiden selbst, was wir tragen.« Solche Statements hörte Entwicklungsexperte Francisco Mari dabei immer wieder. Ihm fiel auf, dass ihm in afrikanischen Städten vor allem europäisch gekleidete Männer, Frauen und Kinder begegneten.
»Wir müssen euren Abfall kaufen«
Doch es gibt auch in Afrika kritische Stimmen dazu: »Wir empfinden es als demütigend, dass die Touristen unsere traditionellen Stoffe mit nach Hause nehmen, während wir euren Abfall kaufen müssen.« Diese Aussage hörte attac-Mitbegründerin Jutta Sundermann während ihres mehrwöchigen Kenia-Aufenthalts im Jahr 2011 von politischen Aktivisten in den Slums von Nairobi.
Eine soziale und ökologische Katastrophe seien die Arbeits- und Produktionsbedingungen in der gesamten globalisierten textilen Kette, kritisiert Jutta Sundermann darüber hinaus. Für sie ist die Altkleiderflut ein Indiz dafür, »wie viel bei uns falsch läuft«. Ihrer Meinung nach »müssen wir zu einer Kultur finden, dass wir nicht so viel wegschmeißen«.
Aber auch wenn man die unmenschlichen Bedingungen in der Produktion und unseren überbordenden Konsum von Textilien zu Recht kritisiert: Secondhand-Kleidung ist heutzutage kein Abfall mehr, sondern für viele Menschen in Afrika eine Möglichkeit, sich gut und preiswert zu kleiden. Sie ist keine Spende, die abhängig macht, sondern eine Ware, mit der Menschen vielfältig handeln. Das macht unsere Gebrauchtkleidung in Afrika - nicht mehr, nicht weniger.