2012/12/14

Adventskalender - 14. Dezember

Ich will nur schnell mal noch was bloggen

So sag ich in diesen Tagen manchmal, wenn Claudia sich schlafen legt, nur schnell mal noch... Dabei müsste ich es doch wissen, dass hier im Internet nie etwas nur mal schnell geht. Und so sitzte ich vorm Bildschirm und will etwas in den Adventskalender schreiben, aber die Seite wird nicht geladen. Die Minuten vergehen, es wird später und später und mir kommt wieder einmal der Spruch in den Sinn, den einer meiner älteren Kollegen an seine Arbeitszimmertür gepinnt hatte:
Lieber Gott, gib mir Geduld.
Aber sofort!
Advent, so heißt es, sei die Zeit, in der es ums Warten geht. Darum, etwas Er-Warten zu können. Das will gelernt sein. Ja, aber heißt das, immer gleichmütig und gelassen bleiben zu sollen. So als würde ich über den Dingen stehen? Also wenn ich vorm Bildschirm sitze und es tut sich minutenlang nichts außer dass sich irgendwelche Kringel drehen, die  mir vortäuschen, dass sich etwas täte, dann bleibe ich gewiss nicht ruhig! Dann werde ich ungeduldig, manchmal zornig. Dann schalte ich den Kasten auch gleichmal wütend ab: Dann eben nicht! Doch ist das wirklich Zorn? Ist es nicht eher Resignation? Das gibt es, dass man die Geduld verliert und in die Resignation abgleitet.

Der Dichter Kurt Rose hat 1986 die folgenden Zeilen geschrieben:
Ich gehöre dazu, zu den Dränglern und Rufern,
dass doch Gott sich erhebe mit der Macht seines Zorns
und ich hoffe verzagt, dass ein Herrlicher stünde,
dass ein Großer sich zeige vor der seufzenden Welt.

„Sehet hin, welch ein Mensch!“ Und ich hebe die Augen
und ich sehe die Ohnmacht, seh mein elendes Selbst
und ich hebe die Faust: Seht, auch dieser ein Mensch nur!
Keine Rettung vom Himmel! Kann ein Mensch uns befrein?

Ich gehöre dazu, zu den Rufern nach oben,
dass ein Gott sich erbarme. Ich gehöre dazu
und ich schrei mit dem Volk, ich bin blind mit den Blinden,
nicht erkenn ich die Zeichen in dem Menschengesicht.
Kurt Roses Lied ist ein Passionslied und ich weiß wohl, dass es in dieser Welt größeres Leid gibt, als einen wenig leistungsfähigen Internetzugang. Und ich seh mein elendes Selbst, dass sich vorm Bildschirm echauffiert, während es dem allgegenwärtigen Elend in dieser Welt oft so gleichgültig gegenüber steht. Warum hebe ich so selten die Faust?

Bin ich blind mit den Blinden? Warum erkenn ich nicht die Zeichen in dem Menschengesicht? In dem Kindsgesicht, das in so vielen Liedern romantisch besungen wird. Der große Gott Gerneklein. Ja, auch dieser ein Mensch, der auf den Dienst und die Fürsorge menschlicher Eltern angewiesen ist. Auch dieser ein Mensch, der Menschen ruft, der Resignation zu widerstehen und dafür die Sehnsucht wachzuhalten, dass es noch nicht aller Tage Abend ist. 

Für mich ist das Passionslied zugleich ein Adventslied.

Das Gedicht von Kurt Rose in der Vertonung von Herbert Beuerle findet sich im Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche unter der Nummer 212.

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