2008/12/09

8. Dezember – Verloren?

Heute Mittag kam Claudia vom Dienst zurück - und war fassungslos. Ich muss dir was erzählen, kam sie ins Arbeitszimmer, wo ich am Tisch saß und meinen Unterricht überarbeitete. „Stell dir vor,“ sagte sie, „bei mir war heute eine Frau mit ihrem vielleicht zweijährigen Sohn. Mutter und Kind waren ganz und gar unaufgeregt. Sie wollte nur die Praxisgebühr bezahlen. Dann kam Jorgio, unser Chef, zur Tür herein. Das Kind sah den Mann und begann panisch zu schreien. Ich dachte erst, das Kind hätte Angst vor Jorgio. Das kann ja sein. Als Behandler muss man den Kleinen ja auch manchmal weh tun. Und manche Kinder vergessen das nie mehr. Aber was dann die Mutter zu ihrem Kind sagte, das hat mich tief erschreckt: Brauchst keine Angst haben, Kind, das ist doch nicht dein Vater. Auch das sagte sie ganz unaufgeregt, so als würde sie den Abgrund gar nicht spüren, der sich in ihren Worten auftat. Und vielleicht war sie sich ihm auch wirklich nicht bewusst.“
Ich weiß, so etwas gibt es nicht nur in Afrika. Dieses Elend existiert weltweit. Trotzdem müssen wir immer wieder an die beiden denken. Was mag an Leiden hinter dieser kurzen Begegnung stehen? Wir wissen es nicht.
An den verlorenen Sohn im Gleichnis (Lukasevangelium Kapitel 15) muss ich denken. Als er am Tiefpunkt seines Lebens angelangt war und Hunger und Elend litt, ging er in sich, heißt es. Und dabei keimte in ihm der Gedanke: Ich gehe zurück zu meinem Vater. Selbst wenn ich nicht mehr Sohn sein darf. Noch als Haussklave geht es mir bei ihm besser als hier. -Glücklicher verlorener Sohn! Er wusste, an wen er sich wenden konnte. Doch wohin wird dieser kleine mosambikanische Junge einmal gehen, wenn er einen Vater braucht?

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