2008/12/02

2. Dezember – Advent an der Kreuzung



Was warten heißt, führen mir die Frauen vor Augen, denen ich an der Cruzamento begegne. Dort wo unsere Sandpiste von Cambine in die Hauptstraße mündet, befindet sich ein kleiner aber geschäftiger Markt. Plastikschüsseln, Glühbirnen, Seife, was man halt so braucht. Aber diese Stände sind es nicht, die den Platz beleben. Es sind die Frauen, die dort Früchte und Garnelen verkaufen wollen. Jetzt im Dezember ist Hochsaison für Mangos. Weil es hier Mangobäume ohne Zahl gibt, kosten zwanzig frische Früchte in diesen Tagen dreißig Cent. Mit randvollen Schüsseln auf dem Kopf laufen die Frauen oft lange Wege durch den Busch bis an die Kreuzung. Dort stehen sie dann und warten. Doch warten heißt für sie nicht Däumchen drehen, sondern gespannte Aufmerksamkeit. Bremst ein Fahrer seinen Wagen ab, merken sie es sofort und rennen auf das Auto zu. Kaum steht der Wagen, ist er von Frauen umringt, die alle ihre Früchte verkaufen möchten. Öffnet man die Fensterscheibe, muss man sich der vielen Angebote regelrecht erwehren. Das ist nicht jedermanns Sache. Trotzdem beeindrucken mich diese Händlerinnen jedes Mal aufs Neue.
Oft stehen die Frauen den ganzen Tag in der Sonne, manche tragen ein Kleinkind auf dem Rücken und trotzdem spürt man als Käufer nur selten Konkurrenz. Mir ist noch nie aufgefallen, dass Ellbogen eingesetzt werden, um zuerst am Fenster zu sein. Eher habe ich den Eindruck, dass zwischen den Frauen eine Atmosphäre der Solidarität herrscht. Doch bitte, romantisiert die Szene nicht, was die Frauen verbindet, ist nicht die Zufriedenheit mit dem wenigen, was sie haben. Ich glaube eher, es ist eine Gemeinschaft der Not, eine Frauen-Gemeinschaft, eine Insel in der männerdominierten Gesellschaft.
Advent an der Kreuzung? – Ja, für mich ist das ein schönes Bild für das, was uns in den Wochen vor Weihnachten beschäftigt: In der Situation des Mangels warten müssen und trotzdem die Frau – den Menschen – neben mir zu seinem Recht kommen lassen.

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