2008/12/13

13. Dezember - money makes the world go round

Finanzkrise. Wirtschaftskrise. Hilfen für Banken oder die Not leidende Automobilindustrie. Seit Wochen bestimmen diese Stichworte die erste Meldung, die ich höre, wenn ich morgens auf Kurzwelle die Nachrichten aus Deutschland einstelle. Von zwei- und dreistelligen Milliardenbeträgen ist oft die Rede, die zu Hilfspaketen verschnürt unters Volk gebracht werden sollen. - Unters Volk? Das Volk kann zufrieden sein, wenn die Pakete helfen, dass es seinen Arbeitsplatz behält.

Ich kann mich zu Sinn oder Unsinn solcher Maßnahmen nicht äußern. Ich sage offen: Dafür verstehe ich zu wenig von der Sache. Auch ich bin einer der zahllosen finanz- und wirtschaftspolitischen Analphabeten, die es, wie mir scheint, nicht nur im ehemals planwirtschaftlichen Osten Deutschlands gibt. Ich glaube im Gegenteil, dass gerade diejenigen, die sich für Auskenner hielten, nun die am stärksten Geprellten sind.

Die Mahnung Tucholskys kommt mir in den Sinn: „Lass dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: »Lieber Freund, das mache ich schon seit zwanzig Jahren so!« - Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen.“
Wir haben uns aber beeindrucken lassen. Kann es sein, dass auch wir in der Kirche meinten, genau zu wissen, was wir tun? Haben wir im Namen des Sachverstandes den Chancen und Gewinnmöglichkeiten des Finanzmarktes vertraut, ohne zu spüren, dass allein schon diese Worte verräterisch sind? Stammen sie nicht aus dem Vokabular des Glücksspielers?

Ich will nicht polemisieren. Ich weiß aus eigener alltäglicher Erfahrung, dass es immer etwas von Glücksspiel hat, wenn man Geld verleiht – egal ob an einen bittenden Nachbarn oder an eine Bank. Vielleicht befremdet mich gerade deshalb so sehr, was wir noch 2007 während der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz erlebten. Der wohl durchdachte und gut begründete Antrag, einen Teil – des freilich nicht übermäßig großen – Vermögens der Kirche bei einer Bank für Mikrokredite anzulegen, wurde kurzerhand und ohne nennenswerte Begründung abgewiesen. Die Finanzfachleute sahen dazu keine Möglichkeit. Der einzige Verlust, der der Kirche dabei entstanden wäre, wäre eine etwas niedrigere Rendite gewesen. Ich hoffe, dass die derzeitige Krise keine höheren Verluste gebracht hat.

In der ZEIT erschien am 13. November 2008 ein Wirtschaftsteil spezial zum Thema Geld. Dort fand ich folgendes Beispiel aus Indonesien: Eine junge Frau hat gemeinsam mit ihrer Mutter einen Mikrokredit in Höhe von 65 Euro aufgenommen. Als die Mutter plötzlich stirbt, ist es ihr kaum noch möglich, den Kredit zurückzuzahlen und zugleich die Familie zu ernähren. Doch sie hatte für 1 Euro Jahresprämie eine Lebensversicherung abgeschlossen, die nun mit knapp 200 Euro einsprang und die restlichen Rückzahlungen, sowie die Beerdigungskosten übernahm. Dazu erhielt die Frau noch eine Summe, die sie in ihr Geschäft investierte. Damit konnte sie ihre Einnahmen spürbar verbessern und steht nun wirtschaftlich besser als vordem. Durch ein Hilfspaket von 200 Euro!

Solche Mikrofinanzierungen werden inzwischen von großen und kleinen, von privatwirtschaftlichen und gemeinnützigen Banken angeboten. Doch gerade die Gemeinnützigen erleben in den jetzigen Zeiten der Verunsicherung einen Zulauf wie kaum vorher. Gut so! Hilfe empfangen, wenn man sie braucht, ist die eine Seite. Helfen, wenn man es kann, ist die andere Seite der Medaille. Und beide gehören zusammen. Warum also nicht mal darüber nachdenken, das Geld auf der hohen Kante – auch wenn es nicht viel ist – anders zu sortieren als bisher. Denn zumindest bei Gott wird das Geld nicht nur gezählt, sondern gewogen. Und schon Jesus hat uns vorgerechnet, dass das Scherflein der armen Witwe mehr wiegt als die steuerlich absetzbare Großspende aus dem Überschuss eines Besserverdienenden.

PS: In diesem Zusammenhang interessant ist auch das aktuelle Dokument der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland „Grundsatzerklärung Neubesinnung im Umgang mit Geld angesichts der weltweiten Finanzkrise“, zu finden im Internet unter der Adresse:
http://www.emk.de/fileadmin/meldungen-zk-2008/pdf/Grundsatzerklaerung_Umgang_mit_Geld_01.pdf

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