2012/12/30

Was tun?

Im Maisfeld neben dem Waisenhaus steht eine Laubhütte. Gerade so groß, dass ein Mensch unter ihrem Dach schlafen kann. In der Hütte wohnt Dona Joaquina, eine alte Frau, die kaum noch sehen kann. Sie geht gebückt an einem Stock. Manchmal sehe ich sie jeden Tag, manchmal wochenlang nicht. Wo sie dann ist? Ich weiß es nicht. Ich frage mich: Wie ist sie dahin gekommen? Und warum? Und überhaupt: Was ist das für ein Leben?

Das hat sich die Pastorin im Dorf offenbar auch gefragt. Sie spricht mit Dona Joaquina. Sie spricht auch mit den Verantwortlichen in Cambine und in Anhane. Dort führt die methodistische Kirche eine  Wohngemeinschaft für Frauen wie sie. Es ist ein Platz für sie frei. Dona Joaquina siedelt nach Anhane um. Alles scheint gut.

In Anhane bezieht die alte Dame nicht gerade ein Luxusquartier, aber besser als ihre Hütte im Feld ist es allemal. Wir sehen Dona Joaquina etwa alle Vierteljahre, wenn wir Anhane besuchen. Die anderen Frauen sagen uns: Wenige Tage nach ihrer Ankunft setzt Joaquina sich nieder und steht nicht mehr auf. - Kann sie plötzlich nicht mehr laufen? Oder will sie nicht mehr laufen? Immer wieder macht sie Schwierigkeiten. Einmal, so sagt man uns, steht sie auf und läuft, mühsam zwar, die 300 Meter bis an die Hauptstraße. Sie will ein Auto anhalten, das sie heim nach Cambine bringen soll.  Man holt sie zurück und überredet sie zu bleiben. Wo sollte sie auch hin in Cambine? Zurück in ihre Laubhütte?

Doch Joaquina will um keinen Preis in Anhane bleiben. Sie will zurück nach Cambine. Und sie beginnt, Druck zu machen. Sie sagt: Wenn ihr mich nicht nach Cambine zurück holt, werdet ihr das bereuen! Wenn ich hier in Anhane sterben muss, werdet ihr sehr darunter zu leiden haben! Dona Joaquina ist eine Feiticeira, eine Frau also, der man magische Kräfte zurechnet. Darum wird ihre Drohung allgemein sehr ernst genommen.

·        Soll man sie also zurück holen, aus Angst vor ihren magischen Kräften?
·        Oder wäre es das Beste, ihr Ansinnen zu ignorieren? So könnte man ihr zeigen, dass sie mit ihrer Drohung nicht alle erpressen kann.
·        Oder sollte man sie vielleicht trotzdem nach Cambine zurück holen? Aber nicht aus Angst vor ihrer Drohung, sondern einfach weil man den Willen eines alten Menschen nicht übergehen darf?

Was würdet ihr tun?

Zur Klarheit: Nicht ich muss in dieser Sache eine Entscheidung treffen. Ich erzähle nur eine Begebenheit, die sich im Moment in unserer Nachbarschaft ereignet.

2012/12/26

Weihnachten am Strand

Am 2. Feiertag am Strand von Morrungulo. Die Mittagssonne steht senkrecht über uns am Himmel.


Und der Strand ist überfüllt. Es ist Hochsaison.

2012/12/24

Adventskalender - 24. Dezember Heiligabend

Ich steh an deiner Krippen hier 

   
Ich kann mich nur wundern, wieso Jesus Christ,
ein armer und sterblicher Mensch worden ist.
Für einfache Leute, wie dich und wie mich.
Ich kann mich nur wundern!
Verstehn kann ichs nicht.

Bereits die Geburt, eine seltsame Nacht,
als Engel die fröhliche Nachricht gebracht,
als Könige, Kühe und Schafe gewacht.
und dann dieses Wunder:
Ein Stern voller Pracht.

Warum wählte er sich den Stall und kein Schloß?
Warum einen Esel, kein feuriges Roß?
Warum war die Ankunft nicht mächtig und groß?
Warum denn so einfach?
Ich frage ja bloß...

Gerhard Schöne

2012/12/23

Adventskalender - 4. Advent

Unser Weihnachtsgruß 2012

Oft kann man schon an den Türen und Fenstern ablesen,
ob man in einem Haus willkommen ist oder nicht.

Martin Buber erzählt in seinen „Geschichten der Chassidim“ folgende Begebenheit:
Wo wohnt Gott? Mit dieser Frage überraschte Rabbi Menachem Mendel von Kozk einige gelehrte Männer, die bei ihm zu Gast waren. Sie lachten über ihn: „Wie redet Ihr! Ist doch die Welt seiner Herrlichkeit voll!“ Er aber beantwortete die eigene Frage:
„Gott wohnt, wo man ihn einlässt.“
Wir grüßen Sie alle zum Christfest. Wir wünschen Ihnen, dass die Freude, „die allem Volk widerfahren wird“ (Lukas 2:10) an Ihnen nicht vorübergeht. Möge sie Herz und Sinne öffnen, füreinander und für Gott, der unter uns wohnen will. Damit wir lernen, als Menschen in Frieden miteinander zu leben.
Gottes Segen für ein friedliches neues Jahr 2013.
Claudia und Thomas

2012/12/22

Adventskalender - 22. Dezember

Mehr Licht!

Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das lautet ungefähr so:
Ich kann nicht verhindern, dass die Sonne scheint.
Aber ich kann dafür sorgen, dass mein Nachbar im Schatten sitzt.
In Deutschland ist mir dieser Spruch öfters unter der Rubrik Bosheiten begegnet. Und natürlich, dort wo der Himmel oft grau und verregnet ist, da kann man das nicht anders verstehen. Wer aber einmal in Afrika war und die sengende Kraft der Sonne kennengelernt hat, der wird den Sinn dieser Worte besser verstehen. Hier ist es geradezu ein Liebesdienst, wenn ich dafür sorge, dass mein Nachbar im Schatten sitzen kann.

Ähnlich verhält es sich auch mit Weihnachten: Licht leuchtet in der Finsternis. Wie passend lässt sich doch diese Botschaft in den dunkelsten Wochen des Jahres mit Kerzen, Schwibbögen und illuminierten Weihnachtsbäumen illustrieren!

Nur etwa 20km nördlich von Cambine verläuft der südliche Wendekreis. Das heißt: Jetzt in den Tagen um Weihnachten steht die Sonne mittags senkrecht über uns. Es ist hell und heiß, so heiß, dass unserem Lichterengel alle Jahre wieder die Kerze wegschmilzt. Weihnachtlichen Lichterbräuche gibt es deshalb hier nicht.

Dunkelheiten im übertragenen Sinne allerdings gibt es genug. Nur einige Beispiele: Viele unserer Nachbarn in Cambine haben schon seit Monaten kein Gehalt mehr bezahlt bekommen. Bei dem jungen Vorarbeiter auf der Baustelle im Waisenhaus hat man das HI-Virus festgestellt. Einem Kollegen, der gerade Geld vom Konto abgehoben hatte, wurde die Brieftasche gestohlen...

Nein, ich kann nicht verhindern, dass Menschen unter diesen Dunkelheiten zu leiden haben. Aber ich will mich darum mühen, dass das Licht der Welt, das wir zu Weihnachten feiern, auch ihren Augen ein wenig heller werden lässt.

2012/12/20

Adventskalender - 20. Dezember

Ein Gespräch über Bäume

Haben Sie sich schon einen Baum ausgesucht? Nicht zu groß, grade gewachsen, schönes dichtes Geäst, aber auch nicht zu dicht wegen der Kerzen. Nordmanntanne? Zu teuer... Erzgebirgische Fichte, frisch aus dem Wald? Mancher mag das reizvoll finden. Das kann aber noch teurer werden...

Es soll ja Leute geben, die geben dieses Jahr für einen Weihnachtsbaum gar kein Geld mehr aus. Sie sagen: Es lohnt sich nicht mehr. Am 21.12. geht die Welt eh unter. Morgen also. Wieder einmal. Die alten Mayas hätten das so ausgerechnet.

Wie auch immer, ich würde mir trotzdem einen Weihnachtsbaum kaufen! Diesmal aber keine Nordmanntanne, auch keine Kiefer oder Fichte. Und schon gar keinen Baum aus Plastik. Ich würde mir dieses Jahr einen Apfelbaum kaufen, um ihn zu pflanzen. Nein, nicht jetzt, das ginge ja gar nicht. Und hier in Mosambik müsste es auch eher ein Mangobaum sein. Mit dem Pflanzen hätte ich keine Eile. Ich würde mir in Ruhe eine schöne Stelle aussuchen und dort würde ich ihn pflanzen, dann, wenn man Bäume halt pflanzt. Ich könnte ihn ja derweil ein wenig schmücken. Als Hoffnungsträger sozusagen, dass ein neuer Frühling kommt.

Mangobaum in voller Blüte

Ich wünsche Ihnen schon mal frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr. Hoffnungshalber, sozusagen. 

2012/12/19

Adventskalender - 19. Dezember

Freiheit für Weihnachtsmuffel!


Ein kleiner Gruß an alle, die - aus welchen Gründen auch immer - ihre Schwierigkeiten mit Weihnachten haben. Weder muss man alles mit sich machen lassen, noch muss man alles mitmachen.

Weihnachten ist auch, was ich daraus mache.

2012/12/18

Adventskalender - 18. Dezember

Mit Frieden gewinnen alle

Das ist das Motto der Friedenslichtaktion 2012 der Christlichen Pfadfinder in Deutschland. Wie seit etlichen Jahren wird in der Geburtsgrotte in Betlehem eine kleine Flamme entzündet und in die Welt getragen, um allen Menschen in der Adventszeit als Zeichen für Frieden und Völkerverständigung zu leuchten. Auf der Website www.friedenslicht.de heißt es dazu:
Wir Pfadfinderinnen und Pfadfinder reichen dazu das Licht in einer Stafette in viele Länder Europas weiter und zeigen dabei, dass es beim Frieden keinen zweiten und dritten Platz, sondern nur Gewinner gibt.
Allen die das Friedenslicht aus Betlehem entgegennehmen, weitertragen und erhalten soll dabei bewusst werden, dass Frieden auf der Welt nicht durch einen Wettkampf oder alleine, sondern nur als gemeinsame Aufgabe erreicht werden kann. Egal welche Nationalität, Kultur und Religion ein Mensch angehört, ob er mit oder ohne Behinderung lebt, jung oder alt – reich oder arm ist oder welche Sprache gesprochen wird, für alle gilt gleichermaßen: Mit Frieden gewinnen alle!
In Zeiten in denen viele Menschen und Staaten nur auf sich selber schauen sowie Geld und Siege wichtiger als Solidarität und Gemeinschaft sind, zeigt das Friedenslicht aus Betlehem, dass es auch anders gehen kann. Gemeinsam kann jede/r dazu beitragen, dass mit Frieden alle gewinnen können.
Das Friedenslicht kommt aus Bethlehem, wo der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern unlösbar zu sein scheint. Die Fronten sind so verhärtet, die Spannung ist so groß, dass die Flamme der Gewalt jeden Tag neu aufflackern kann.
Auch das Friedenslicht trägt eine Flamme weiter, allerdings eine, die zum Ausgleich mahnt. Um Frieden zu schaffen, braucht es Menschen, die bereit sind, Urteile und Vorurteile hinter sich zu lassen und sich auf den gefährlichen Weg zwischen die Fronten zu begeben - in Bethlehem und überall auf der Welt. Auch daran will das Friedenslicht erinnern.

Vielleicht kommt das Friedenlicht ja auch in eure Gegend. Hier findet ihr eine Karte und eine Liste mit Terminen.

2012/12/17

Adventskalender - 17. Dezember


Freigiebig

 

Neulich fand ich in der ZEIT dieses Foto. So sucht man normalerweise einen WG-Platz oder verkauft junge Hunde. Hier verteilt jemand Liebe, freigiebig, kostenlos und wie es scheint ohne Hintergedanken. Natürlich ist das mit einem Papierschnipsel nicht getan. Einen Menschen lieben, das kostet einen höheren Einsatz. Doch die Schnipsel sind ein Symbol, ein schönes, wie ich finde. Sie erinnern mich an das bekannte, Ricarda Huch zugeschriebene Wort:

Liebe ist das einzige Gut,
das sich vermehrt,
wenn wir es verschwenden.

2012/12/16

Adventskalender - 3. Advent

Süßer die Glocken nie klingen

Glocken sind ein sehr interessantes Kulturgut: Kuhglocken und Schlittenglocken, Schiffsglocken und Handglocken. Und natürlich Kirchenglocken. Gerade sie kommen neuerdings immer wieder ins Gerede. In den säkularisierten Städten Europas gibt es immer mehr Menschen, die den Glockenklang gar nicht als süß empfinden, sondern als störenden Lärm. In Israel kam vor Monaten eine Gesetzesinitiative sogar ins Parlament, die zum Ziel hatte, Muezzinrufe und Glockenläuten "aus Umweltschutzgründen", also wegen der Lärmbelästigung, zu verbieten.

In Mosambik sieht und hört man Glocken eher selten. In vielen Dorfgemeinden, wie auch in Cambine, hängt einfach eine ausgediente LKW-Felge im Baum oder ein Stück Stahlschiene. Der Ton, der damit erzeugt wird, ist weithin zu hören. Auch wenn er natürlich nicht die Fülle eines Glockentons hat, so erfüllt er doch seinen Zweck. Er sagt: der Gottesdienst beginnt.

Unsere Glocke in Cambine

Wer sich allerdings näher mit Glocken beschäftigt, wird schnell erfahren, dass sie viel mehr Interessantes aufweisen als nur einen süßen Klang. Was gibt es da nicht alles zu entdecken? Geschichtlich, musikalisch, physikalisch, handwerklich, kulturell - Glocken sind in vielerlei Hinsicht ein interessantes Thema. Es lohnt, sich einmal die Zeit zu nehmen und im Internet zu stöbern. Dazu sind die beiden folgenden Websites ein guter Anfang:

2012/12/15

Adventskalender - 15. Dezember

Wie soll ich dich empfangen?

Advent, so heißt es, ist die Zeit, in der wir uns innerlich und äußerlich darauf vorbereiten, dass Gott in diese Welt kommt. Wie bereiten wir uns vor, wenn Gäste in unser Haus kommen? Da gibt es viel zu tun. Mit abwarten und Tee trinken ist es nicht getan. Das trifft auch dann zu, wenn wir die Wochen des Advents nicht nur als Bratapfel- und Glühweinzeit verstehen. Die innere Vorbereitung auf das Christfest bedeutet auch, dass ich mich in die Pflicht nehmen lasse. Wie das aussehen kann, haben uns Freunde aus den USA vor einiger Zeit geschrieben. Gemeinsam mit einigen anderen Mitgliedern ihrer Gemeinde haben sie sich gegenseitig das folgende Versprechen gegeben, zunächst mal befristet auf ein Jahr:

Als Menschen,
  • die wir unser persönliches geistliches Leben vertiefen möchten, und die wir lernen wollen,
  • durch unseren Glauben an Jesus Christus Gott besser zu dienen und
  • durch unsere Gemeinde unseren Mitmenschen besser zu dienen versprechen wir einander, mit Gottes Hilfe, uns an folgende Regeln zu halten:

    • Wir wollen für andere beten, einschließlich derjenigen auf unserer Gebetsliste, für unseren Pastor, für unsere Gemeinde, und vor allem für die Besucher unserer Gottesdienste.

    • Wir wollen uns täglich genügend Zeit frei halten für die tägliche Andacht, zum Gebet und zur Lektüre sowohl der Heiligen Schrift, als auch von Literatur, die unserem geistlichen Wachstum dienlich ist..

    • Wir wollen, wenn irgend möglich, wöchentlich am Gottesdienst teilnehmen.

    • Wir wollen, so regelmäßig wie möglich, das Sakrament des Heiligen Abendmahls empfangen.

    • Wir wollen uns bemühen, die uns von Gott gegebenen Gaben verantwortungsvoll zu gebrauchen: unseren Geist, unsere Energie, unsere Talente.

    • Wir wollen uns bemühen, unser Leben mehr und mehr als Dienst an anderen zu verstehen und Dienste anderer an uns dankbar anzunehmen.

    • Wir wollen uns üben im Hören auf andere Menschen als einen Dienst der Gnade.

    • Wir wollen die Ungerechtigkeit, die in unserem Land und in der Welt geschieht, aufmerksamer wahrnehmen und sie zu unseren Gebetsanliegen machen, oder wo es möglich ist zum Anlass nehmen, selber aktiv zu werden.

    • Wir wollen uns regelmäßig einmal wöchentlich eine Stunde treffen zu Andacht und Gespräch.

    • Weil wir wissen, dass es Zeiten geben wird, in denen wir den Regeln, die wir uns geben, nicht genügen werden, versprechen wir, einander in ermutigender und konstruktiver Weise zu beizustehen.

    Dieses Versprechen ist gültig vom Juli 2012 bis Juli 2013. Es kann aber von Zeit zu Zeit geändert werden, sofern die Gruppe sich darüber einig ist..

2012/12/14

Adventskalender - 14. Dezember

Ich will nur schnell mal noch was bloggen

So sag ich in diesen Tagen manchmal, wenn Claudia sich schlafen legt, nur schnell mal noch... Dabei müsste ich es doch wissen, dass hier im Internet nie etwas nur mal schnell geht. Und so sitzte ich vorm Bildschirm und will etwas in den Adventskalender schreiben, aber die Seite wird nicht geladen. Die Minuten vergehen, es wird später und später und mir kommt wieder einmal der Spruch in den Sinn, den einer meiner älteren Kollegen an seine Arbeitszimmertür gepinnt hatte:
Lieber Gott, gib mir Geduld.
Aber sofort!
Advent, so heißt es, sei die Zeit, in der es ums Warten geht. Darum, etwas Er-Warten zu können. Das will gelernt sein. Ja, aber heißt das, immer gleichmütig und gelassen bleiben zu sollen. So als würde ich über den Dingen stehen? Also wenn ich vorm Bildschirm sitze und es tut sich minutenlang nichts außer dass sich irgendwelche Kringel drehen, die  mir vortäuschen, dass sich etwas täte, dann bleibe ich gewiss nicht ruhig! Dann werde ich ungeduldig, manchmal zornig. Dann schalte ich den Kasten auch gleichmal wütend ab: Dann eben nicht! Doch ist das wirklich Zorn? Ist es nicht eher Resignation? Das gibt es, dass man die Geduld verliert und in die Resignation abgleitet.

Der Dichter Kurt Rose hat 1986 die folgenden Zeilen geschrieben:
Ich gehöre dazu, zu den Dränglern und Rufern,
dass doch Gott sich erhebe mit der Macht seines Zorns
und ich hoffe verzagt, dass ein Herrlicher stünde,
dass ein Großer sich zeige vor der seufzenden Welt.

„Sehet hin, welch ein Mensch!“ Und ich hebe die Augen
und ich sehe die Ohnmacht, seh mein elendes Selbst
und ich hebe die Faust: Seht, auch dieser ein Mensch nur!
Keine Rettung vom Himmel! Kann ein Mensch uns befrein?

Ich gehöre dazu, zu den Rufern nach oben,
dass ein Gott sich erbarme. Ich gehöre dazu
und ich schrei mit dem Volk, ich bin blind mit den Blinden,
nicht erkenn ich die Zeichen in dem Menschengesicht.
Kurt Roses Lied ist ein Passionslied und ich weiß wohl, dass es in dieser Welt größeres Leid gibt, als einen wenig leistungsfähigen Internetzugang. Und ich seh mein elendes Selbst, dass sich vorm Bildschirm echauffiert, während es dem allgegenwärtigen Elend in dieser Welt oft so gleichgültig gegenüber steht. Warum hebe ich so selten die Faust?

Bin ich blind mit den Blinden? Warum erkenn ich nicht die Zeichen in dem Menschengesicht? In dem Kindsgesicht, das in so vielen Liedern romantisch besungen wird. Der große Gott Gerneklein. Ja, auch dieser ein Mensch, der auf den Dienst und die Fürsorge menschlicher Eltern angewiesen ist. Auch dieser ein Mensch, der Menschen ruft, der Resignation zu widerstehen und dafür die Sehnsucht wachzuhalten, dass es noch nicht aller Tage Abend ist. 

Für mich ist das Passionslied zugleich ein Adventslied.

Das Gedicht von Kurt Rose in der Vertonung von Herbert Beuerle findet sich im Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche unter der Nummer 212.

2012/12/13

Adventskalender - 13. Dezember

Advent = Werbung + Großereignis


Wer möchte diese Behauptung unterstreichen, bestreiten oder einfach nur kommentieren?

Seid so frei und nutzt die Kommentarfunktion. Ich bin gespannt...

2012/12/12

Adventskalender - 12.12.12

Die Sache mit der Christbaumkugel

Kennen Sie Axel Hacke? Herr Hacke ist Schriftsteller und stellt als solcher Texte her. Diese zeugen von einem Humor, den ich sehr gerne mag. Ich weiß, nicht alle können über dasselbe lachen. Trotzdem, hier kommt eine Kostprobe:

Adventskalender - 10./11.Dezember

Advent in der Hauptstadt

Maputo im Regen
Montag früh um fünf haben wir Cambine verlassen. Gegen 13 Uhr sind wir in Maputo angekommen. Bloß gut, dass wir so zeitig aufgebrochen waren. Am Nachmittag wurde es fast unerträglich heiß und schwül. Dann kam der Regen. Auf allen Straßen und Kreuzungen Pfützen, Schwemmsand und der übliche Müll. Dazu Verkehrschaos. Ampeln waren ausgefallen. Außerdem tagt vor Weihnachten immer die Nationalversammlung. Da ist die Straße vor dem Parlamentsgebäude ganztägig gesperrt. Weil das aber eine wichtige Verkehrsader ist, bilden sich morgens lange Staus stadteinwärts und nachmittags in der Gegenrichtung. 

Hier geht erstmal gar nichts mehr
Was treibt einen in der Adventszeit vom ruhigen Cambine ins hektische Maputo? Na was wohl? Eine angeordnete Volkszählung ist nicht der Grund. Wir sind auch nicht Maria und Joseph, und Maputo ist nicht die Stadt Davids. Was uns treibt, ist der übliche vorweihnachtliche Grund: Einkäufe - allerdings nicht in erster Linie für uns selber.

Wir sind schon froh, dass wir nicht für alle Kinder im Waisenhaus Geschenke besorgen müssen. Aber schon die wenigen auf unserer Liste halten uns ganz schön auf Trab. Zum Beispiel: ein Satz Fußballschuhe für die Jungsmannschaft. Insgesamt haben wir um gerechnet etwa 250 Euro dafür zur Verfügung. Im ersten Geschäft, in dem wir nachfragen, kostet das billigste Paar um die 200 Euro. Das wird also nichts. Ob es überhaupt was Billigeres gibt? Dona Maravilha kennt noch ein Geschäft in der Unterstadt. Also hinfahren, Runden drehen, Parkplatz suchen. Doch auch dort finden wir nichts Brauchbares. Doch wir werden an ein drittes Geschäft verwiesen, gleich um die Ecke. Dort endlich gibt es Schuhe in ausreichender Anzahl und zu bezahlbaren Preisen. Am Ende bekommen wir für 300 Euro achtzehn Paar ordentliche Fußballschuhe. Das also hat sich schon mal gelohnt. Nun brauchen wir noch Schuluniformen. Die aber gibt es ganz woanders, in der Avenida Lenina. Also, auf zu Wladimir Iljitsch...

Doch noch etwas anderes beschäftigt uns in diesen Tagen hier in Maputo. Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren kamen wir hier an. Die ersten drei Monate Mosambik erlebten wir hier. Im Moment wohnen wir nochmal in unserem Zimmer von damals, zum letzten Mal allerdings. Das Gästehaus wird geschlossen. Künftig wird das Zentralbüro der Kirche die Räumlichkeiten nutzen. Folglich werden Albertina, Rosa, Lucia und Salvador, die in all den Jahren die Gäste betreuten, ihre Anstellungen verlieren. Nur Estefão, der Wächter, wird übernommen werden. Vielleicht. So richtig geredet hat aber noch niemand mit ihnen. Nur derjenige, der für den Umzug zuständig ist, hätte vor vierzehn Tagen mal eine Bemerkung gemacht. So sagen es die Betroffenen. 

Wenn das so stimmt, und das ist zumindest sehr wahrscheinlich, dann ist das nicht nur traurig für sie, dann ist das richtig ärgerlich. Denn so geht man nicht mit langjährigen Angestellten um, schon gar nicht als kirchlicher Arbeitgeber. Aber es ist, wie so oft: Wir scheinen uns darüber mehr aufzuregen, als die Betroffenen selber. Und das, obwohl die meisten von ihnen wirklich nicht wissen, wie es im Januar weitergehen soll.

2012/12/09

Adventskalender - 2. Advent


In der Küche riecht es lecker

Wie kommt es eigentlich, dass es gerade in der Advents- und Weihnachtszeit soviel spezielles Backwerk gibt? Mit anderen Worten: Warum kennen wir Weihnachtsstollen aber keinen Osterstollen? Oder warum backt man Plätzchen im Advent und nicht vor Pfingsten?

Eine Antwort auf diese Frage liegt im Kirchenjahr selber begründet. Zu Weihnachten feiern wir die Geburt des Kindes von Bethlehem. Das ist etwas sehr Menschliches, sehr Konkretes. Wohl deshalb hat die Volksfrömmigkeit im Laufe der Jahrhunderte ein besonders reiches Brauchtum mit diesem Fest verbunden. Viele dieser Bräuche haben ihren festen Platz in den drei oder vier Wochen zwischen dem 1. Adventssonntag und dem Weihnachtsfest. Die Adventszeit dient als zur inneren und äußeren Vorbereitung auf das Christfest. Die Bäckerei ist nur ein Teil dieser Vorbereitung.

Ein zweite Antwort finden wir in der Geschichte, speziell in der Sozialgeschichte. Über viele Jahrhunderte war das Leben des Volkes weithin von großer Armut geprägt. Nicht selten gab es auch Hungerzeiten. Im Alltag war das Essen im Alltag meist einfach und karg. Es reichte eben nicht zu mehr. Um so wichtiger war es dann, dass an Festtagen der Tisch reichlich – oder wenn möglich üppig – gedeckt war. Die Menge und die Art der Zubereitung der Speisen sollten ausdrücken, wie viel Bedeutung die feiernde Familie dem jeweiligen Fest beimaß. Dabei war das Adventsgebäck zusammen mit Früchten und Nüssen ursprünglich als Geschenk gedacht, zum Nikolausabend etwa oder auch zu Weihnachten.

Heute ist unser Leben weithin nicht mehr von so großer Armut geprägt wie früher. Und Spekulatius und Lebkuchen muss auch keiner mehr selber backen. Spätestens im September kann man Adventsgebäck im Supermarkt kaufen. Man kann sich daran stören. Aber man muss es ja nicht kaufen. Dann wächst vielleicht sogar die Vorfreude darauf, im Advent selber etwas zu backen. Es muss ja nicht viel sein. Es reicht ja, wenn es das bevorstehende Fest mit seinem Duft und Geschmack unverwechselbar macht.

Hier ein Rezept, das seinen Ursprung in Frankfurt hat, und das wir erst seit Kurzem kennen und schätzen:

Bethmännchen
Zutaten
            100 g Mandeln
            200 g Marzipanrohmasse
            1 Eiweiß
            20 g Mehl
            50 g Puderzucker
            1 Eigelb
            (evtl. Rosenwasser)
    Zubereitung
    - Mandeln in eine Schüssel legen, mit kochendem Wasser überbrühen und nach dem Abkühlen häuten.
    - Die Hälfte der Mandeln mahlen und mit der Marzipanrohmasse verkneten.
    - Ein Ei trennen, Eigelb aufbewahren und Eiweiß zur Marzipanrohmasse geben.
    - Mehl, Puderzucker und Rosenwasser zufügen und mit der Marzipan-Mandelmasse verkneten.
    - Der Teig bleibt recht klebrig. Mit bemehlten Händen kleine Kugeln formen.
    - Bethmännchen auf ein mit Backpapier belegtes Blech setzen.
    - Restliche Mandeln halbieren und Bethmännchen mit je drei Mandelhälften verzieren.
    - Eigelb mit wenig Wasser verquirlen und Bethmännchen damit einpinseln.
    - Im vorgeheizten Ofen bei 130 - 150°C ca. 10-15 Minuten auf der mittleren Stufe goldbraun backen.
    - Vorsicht gegen Ende der Backzeit (evtl. nur 6 min.) ständig beobachten, damit sie nicht zu dunkel werden. Erst wenn sie abgekühlt sind, sind sie fester. 

    Soweit muss man es ja nicht treiben!

    2012/12/08

    Adventskalender - 8. Dezember

     Und wenn das achte Lichtlein brennt...

    Heute abend beginnt Chanukka, das jüdische Lichterfest. Es erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im jüdischen Jahr 3597 (164 v. Chr.) nach dem erfolgreichen Aufstand der Makkabäer, wie er im ersten Buch der Makkabäer und im Talmud überliefert ist. Die Makkabäer beendeten die damalige Fremdherrschaft über Judäa, beseitigten den von Griechen im jüdischen Tempel errichteten Zeus-Altar und führten den traditionellen Tempeldienst wieder ein.

    Die Chanukkia war ein Leuchter im Tempel, der niemals erlöschen sollte. Nach der Überlieferung war aufgrund der Fremdherrschaft nur noch ein Krug geweihtes Öl vorzufinden. Dieses Öl reichte für gerade mal einen Tag. Für die Herstellung neuen geweihten Öls wurden aber acht Tage benötigt. Durch ein Wunder habe das letzte Licht allerdings ganze acht Tage gebrannt. Bis dahin war neues geweihtes Öl hergestellt worden. An dieses Wunder erinnert das achttägige Chanukkafest. Jeden Tag wird ein Licht mehr angezündet, bis am Ende alle acht brennen. Heute abend leuchten in vielen jüdischen Wohnungen die ersten Lichter auf dem Leuchter.

    Chanukkaleuchter - Amsterdam 1723

    Adventskalender - 7. Dezember

    Eine Sucht, die man nicht therapieren darf

    Gibt es die? Ich behaupte: Ja, unbedingt! Denn die Sucht, von der ich rede, ist keine Krankheit. Sie ist eher eine Nebenwirkung von Liebe und Leidenschaft. Sie ahnen es, ich meine die Sehnsucht.
    Diese Unzufriedenheit mit dem, was ist, wie es ist. Dieser innere Aufruhr, der sich nicht abfinden will: Was ist, wie es ist, muss nicht bleiben, wie es ist. Wer Sehnsucht nach einem geliebten Menschen empfindet, leidet darunter, dass er vom ihm getrennt ist. Es ist die Sehnsucht, die ihn treibt, diese Trennung zu überwinden.
    Und die Sehnsucht nach einem besseren Leben haben, nach einer besseren Welt? Sind das deshalb  Spinner? Solche, die man in ihrer Naivität nicht ernst nehmen kann? Die "Gutmenschen", die sich immer noch nicht damit abgefunden haben, dass diese Welt nun mal so ist, wie sie ist?
    "Es war schon immer so", das mag vielleicht eine brauchbare Operettenzeile sein, in einem Adventslied werden wir diese Worte allerdings vergeblich suchen. Denn Adventslieder sind Sehnsuchtslieder, wie zum Beispiel dieses hier:

    O Heiland, reiß den Himmel auf,
    herab, herab vom Himmel lauf.
    Reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
    reiß ab, wo Schloss und Riegel für.

    Singen Sie manchmal eines dieser alten Sehnsuchtslieder? Oder kommen Sie sich dabei  komisch vor? Ich frage Sie: Geht das eigentlich, Advent feiern ohne dabei auch nur einen Hauch von Sehnsucht in sich zu spüren? Von diesem Leiden daran, dass die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte? Von dieser Unzufriedenheit, die mehr ist als einfach Weltschmerz? Weltschmerz lähmt. Sehnsucht aber treibt um und treibt an. Sehnsucht macht erfinderisch und macht uns Beine. Sehnsucht ist Leidenschaft, die Leiden schafft. Ja, doch gerade diese Leidenschaft ist es, die unser Leben reicher macht. Ohne sie wäre es nicht nur arm sondern armselig. Und Adventslieder helfen uns, gegen diese Armseligkeit anzusingen.

    Auch wenn wir sie gleich gar nicht als Adventslieder erkennen.
    (bitte anclicken)

    2012/12/06

    Adventskalender - 6. Dezember

    Keine Ankunft ohne Aufbruch

    Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt, heißt es in einem Sprichwort. Am Nikolausabend 2007 stiegen wir in Frankfurt in das Flugzeug nach Johannesburg. Am Tag darauf kamen wir in Maputo an. Fünf Jahre sind es inzwischen, dass wir in Mosambik leben und arbeiten.
    Kein Ankommen ohne Aufbruch. Wer nie Vertrautes zurücklässt, um sich auf Neues einzulassen, wird nie irgendwo ankommen. Er ist immer schon da, wo er immer schon war. Sollte das das Leben sein?
    In den Herrnhuter Losungen stand dazu dieser Tage ein bedenkenswertes Gebet:

    Ich weiß, Herr,
    dass ich mich täuschen kann,
    auch da, wo ich mich von dir geführt glaube,
    aber ich will den Irrtum nicht fürchten,
    will nicht ängstlich stehen bleiben,
    denn du begleitest und segnest meinen Weg,
    wenn ich dich darum bitte.
    Sabine Naegeli


    2012/12/05

    Adventskalender - 5. Dezember

    Feier des Lebens

    Im Grunde war heute der ganze Nachmittag gelaufen. Und der halbe Vormittag dazu. In Chicuque wurde Pastora Anita beerdigt, eine der beiden ersten ordinierten methodistischen Pastorinnen in Mosambik. 67 Jahre ist sie alt geworden. Sie war verheiratet und hinterlässt nun ihren Mann und neun erwachsene Kinder mit ihren Familien.

    Um 12 Uhr beginnt die Trauerfeier. Es ist ein schwül-heißer Tag. Wir haben Glück, wir sitzen unter einem Ventilator. Während die versammelte Gemeinde singt und betet, füllt sich langsam die Kirche. Gegen 12:30 Uhr werden nacheinander die ersten Gruppen nach vorn gerufen: die Enkel der Verstorbenen, die Kinder, ihre Schwager und Schwägerinnen, ihre Freundinnen, Pastorinnen und Pastoren, die mit zusammengearbeitet hatten... Manche singen einfach ein Lied, andere richten eine letzte Botschaft an die Verstorbene. So geht das über zwei Stunden. Später erfahren wir, dass die Liste derer, die an dieser Stelle etwas beitragen wollten, noch um einiges länger gewesen sei. Man habe schon die Liste der Botschaften schon begrenzt.

    Schließlich sprechen die offiziellen Vertreter der Kirche, die zuständige Superintendentin, der Bischof im Ruhestand. In ihrer Predigt weist amtierende Bischöfin ausdrücklich darau hin, wie schwierig das gewesen sei, damals vor dreißig Jahren: Die Frau ist Pastorin. Sie predigt im Gottesdienst. Sie leitet einen Gemeindebezirk, wird schließlich Superintendentin. Und ihr Mann? Der bleibt zu Hause, kümmert sich um Haushalt und Kinder. Im Mosambik der 70er/80er Jahren ist das ein Unding und noch heute ist es zumindest ungewöhnlich.

    auf dem Friedhof von Chicuque

    Nach der Predigt zieht die gesamte Gemeinde am Sarg vorbei. Nicht nur die Kirche ist voll, noch draußen im Schatten der Bäume stehen große Gruppen von Menschen. Sie alle nehmen Abschied. Auch die Familie geht dem Sarg voraus auf den Friedhof. Es sind die versammelten Pastoren und Pastorinnen, die den Leichnam zu Grabe tragen. Die Gemeinde singt dabei "Glory Halleluja", das alte Lied der Afro-Amerikaner, das so gar nicht traurig stimmt.

    Seit Beginn der Trauerfeier sind vier Stunden vergangen. Es hat ein wenig abgekühlt und es nicht mehr so schwül. Ein Gedanke beschäftigt mich: Es wird auch geweint, dennoch habe ich in diesen vier Stunden nur selten das Gefühl, auf einer Trauerfeier zu sein. Warum ist das so? Dann fällt mir auf, dass auch keiner von einer Trauerfeier spricht. Was wir miterleben, wird "celebração da vida dela", genannt: "die Feier ihres Lebens" - und das ist es auch. Zu dieser Feier wollen viele etwas beitragen, wollen etwas erzählen, wollen Danke sagen, wollen ihre Verbundenheit ausdrücken - so viele, dass es eben vier Stunden dauern muss.

    Ich finde, das ist ein guter Gedanke: Nicht den Tod, das Leben sollen wir feiern. Schon jetzt, während wir leben und auch dann, wenn wir auf ein gelebtes Leben zurückblicken - sei es das eines anderen oder sei es das eigene.

    2012/12/04

    Adventskalender - 4. Dezember


    Zeit, die wir uns nehmen,
    ist Zeit, die uns was gibt.

    2012/12/03

    Adventskalender - 3. Dezember

    Wach auf, der du schläfst!


    Eigentlich sind die Menschen beneidenswert, die jederzeit und allerorten einen gesunden Schlaf haben können. Besinders diejenigen werden dem zustimmen, die öfters nachts kein Auge zu bekommen und sich nach Schlaf sehnen.
    Heute morgen vor dem Geschäft, in dem wir fürs Waisenhaus oft Reis kaufen, lag dieser junge Mann im Schatten auf dem Fußweg und schlief. Man sieht das hier öfters, dass Menschen am Wegrand dösen und schlafen. Man gewöhnt sich an dieses Bild. Man schaut sich kurz um, schüttelt vielleicht den Kopf und geht weiter. Ich habe den jungen Mann heute morgen auch nicht wachgerüttelt. Ich dachte mir:
    Wer weiß, welche Nacht er hinter sich hat?
    Wer weiß, warum er die Nacht zum Tage macht und den Tag zur Nacht?
    Außerdem würde er möglicherweise meinen ganzen Plan durcheinander bringen. Ich habe noch so viele Wege auf meiner Liste...
    Hoffentlich war es wirklich ein gesunder Schlaf, den er da schlief auf dem harten Fußweg im Schatten vor dem Geschäft, in das wir so oft gehen.

    Adventskalender - 1. Advent

    So, nun hat schon das erste Türchen geklemmt. Erst hatte ich keinen Zugang zum Netz, dann war der Strom weg. Das war gestern am Sonntag. Naja, das lässt sich nicht ändern, öffnen wir das Türchen eben heute, am Montag.

    An der Haltestelle für Überlandbusse in Maxixe




    Ankommen

    An der Haltestelle in Maxixe kommen täglich viele Busse an. Sie kommen aus Beira im Zentrum des Landes oder aus Maputo im Süden. Sogar eine Direktverbindung aus dem fast 1000 Kilometer entfernten Johannesburg gibt es. Jedesmal, wenn so ein Bus ankommt, gibt es ein unglaubliche Gedränge. Die Reisenden wollen Getränke kaufen, hart gekochte Eier, Backwaren oder eine frische Kokosnuss. Händler, die mit genau diesen Waren Umsatz machen wollen.
    Manche der Reisenden steigen aus. Sie kommen an. Wenn der Bus weiterfahren wird, werden sie zurückbleiben. In den Straßen der Stadt sind sie leicht zu erkennen: an ihrer Hautfarbe, an ihrem Gepäck, an ihrer Kleidung.
    So ähnlich ist es immer, wenn ich in einer neuen Umgebung ankomme. Sie ist mir fremd und ich selbst bin in ihr fremd. Das Ankommen selbst braucht nur einen Moment: Ich steige aus und betrete neuen Boden. Doch das Eigentliche kommt erst danach: das Da-sein. Das ist keine Minutensache. Das Da-sein in der Fremde ist ein andauerndes Geschehen, Geschenk und Herausforderung zugleich. Es wird mich anstrengen und bereichern. Es wird mich verwandeln, wenn ich mich darauf einlasse. Irgendwann werde ich spüren: auch das Fremde wird sich verwandeln. Mit jedem Tag, den ich lebe, mit jedem Menschen, dem ich begegne, wird es weniger fremd sein.     

    2012/12/01

    Adventskalender

    Adventskalender mit dem Weihnachtsmarkt und St. Annen Annaberg

    Sie sind ein schöner Brauch, die besonderen Kalender für die Adventszeit. Jeden Tag bis Weihnachten ein Fensterchen öffnen, einen Text lesen oder einen Zentimeter Kerze abbrennen. Jeder Tag hat seinen Platz und sein wiederkehrendes Ritual. Und jeden Tag kommt das Fest der Geburt Christi einen Tag näher. Für Kinder ist dieser Brauch natürlich verbunden mit der Vorfreude auf zu erwartende Geschenke. Doch auch für Erwachsene hat es seinen Reiz. Es hebt die Adventswochen als besondere Zeit aus dem gewohnten Lauf der Tage heraus. Ich glaube, das ist ein Wert an sich. Wir spüren das in Mosambik besonders deutlich. Advent als besondere Zeit, das hat hier keine Tradition, nicht in der Kirche und schon gar nicht außerhalb.

    Adventskalender im Blog. Manche werden sich denken: Der muss Zeit haben! Hat der nichts anderes zu tun? Doch, ich habe auch anderes zu tun. Trotzdem, ich will auf diese Weise versuchen, etwas Advent in den Advent zu holen - auch für mich selber.
    Mal sehen, ob und wie es mir gelingen wird.

    2012/11/20

    Auf und davon


    Eines Tages war Orlando in Cambine im Gottesdienst aufgetaucht. Es hieß, er sei aus Inhassoro gekommen, eine Strecke, die ein Kind kaum allein zu Fuß zurücklegt. Wie er von so weit weg ausgerechnet nach Cambine kam? Keiner weiß es. Jedenfalls zog er im Waisenhaus ein. Das war vor etwa anderthalb Jahren. Da war er zwölf.
    In die Gemeinschaft mit den anderen Kindern fügte er sich ein. Er blieb eher unauffällig. Keine außerordentlichen Leistungen, die er vollbrachte. Keine bemerkenswerten Probleme, die er verursachte. Und dass ein Dreizehnjähriger nicht immer vor Begeisterung glüht, wenn es z.B. darum geht, auf dem Feld zu arbeiten, das soll vorkommen.
    Seit gestern ist Orlando verschwunden. Mit noch einem Jungen war er morgens auf dem Markt, Brötchen verkaufen. Sie erzielten einen guten Umsatz: 300 Meticais. Als sie zurück ins Waisenhaus kamen, war der Bäcker grade mal nicht da. Ihm hätte Orlando das Geld übergeben sollen.
    Acht Euro in der Tasche, für Orlando ist das viel Geld. Jetzt oder nie, mag er sich gedacht haben und machte sich davon. Vielleicht zurück nach Inhassoro, vielleicht sonstwohin. Nur: mit acht Euro kommt man auch in Mosambik nicht weit. Vielleicht kommt er zurück, wenn ihn z.B. die Polizei aufgreift. Möglicherweise sehen wir ihn auch nie wieder. Neulich, so sagte uns eine der Hausmütter, sei bei einer von ihnen noch mehr Geld abhanden gekommen. Vielleicht hat Orlando seine Flucht viel besser vorbereitet, als wir ahnen.

    Die Cruzamento auf dem Weg von Cambine an die Hauptstraße

    2012/11/17

    Tumulte in der Hauptstadt

    Vorgestern gab es wieder einmal Tumulte in Maputo. Straßen wurden blockiert. Der öffentliche Nahverkehr kam zeitweise zum Erliegen. Die Polizei hatte offenbar alle Mühe, die Situation "unter Kontrolle" zu halten, oder besser: zu bringen. Was war geschehen?
    Wieder einmal hat die Regierung versucht, die Preise im Nahverkehr zu erhöhen. Außerdem sollten die Routen der Chapas, also der Minibustaxis, verändert und verkürzt werden. Daraufhin tat das Volk, wie vorher schon im Februar 2008 und im September 2010, deutlich seinen Unmut kund. Inzwischen ist es wohl wieder ruhiger in Maputo. Doch gelöst ist die Situation noch nicht.
    In Cambine haben wir von alledem nur durch die Medien vernommen. Und dadurch, dass Dona Maravilha, die Direktorin des Waisenhauses, genau an diesem Tag nach Maputo unterwegs war. Sie schickte uns eine SMS. Sie ist gut angekommen.
    Übrigens: Die totale Stromabschaltung für heute abend und morgen ist inzwischen abgesagt worden. Man wolle es mit "alternativen Mitteln" versuchen - was immer das heißen mag. Offenbar ist es den Sicherheitskräften nicht geheuer, in dieser Situation die Stadt Maputo und drei Provinzen eine ganze Nacht im Dunkeln zu lassen. Wir werden sehen, was passieren wird.

    PS: In diesem Zusammenhang ein herzliches Dankeschön an Tunduru, der sehr aufmerksam die Vorgänge in Mosambik verfolgt, und mich schon öfters auf aktuelle Meldungen im Internet hingewiesen hat. 

    Brotloser Dienst

    Letzten Sonntag im Gottesdienst anlässlich der Distriktskonferenz: Meine anwesenden Lehrerkollegen am Theologischen Seminar werden nach vorn gerufen. Der Superintendent erklärt der versammelten Gemeinde, dass diese Pastoren Hunger leiden. Sie sehen zwar nicht so aus in ihren chicen Anzügen, aber es ist wahr: Seit April haben sie kein Gehalt mehr bekommen. Und wann die Kirche das nächste Geld überweisen wird, weiß keiner. 
    Auf große Ersparnisse wird keiner der vier zurückgreifen können. Denn das Traurige ist: das läuft in jedem Jahr so ähnlich. Mal reicht das Geld für die Gehälter bis Juni, mal eben auch nur bis April. (Ich habe davon schon verschiedentlich berichtet.) 

    Meine Kollegen Lehrer am Theologischen Seminar: Seit Monaten ohne Gehalt
    Nun ist es nicht so, dass meine Kollegen gar nichts zwischen die Zähne bekämen. Immerhin haben sie in Cambine die Möglichkeit, auf dem Feld etwas anzubauen. Doch trotzdem reicht es oft hinten und vorne nicht. Der Superintendent bittet um eine Kollekte. Es kommen 1300 Meticais (etwa 35 €) ein. Das ist zwar nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, immerhin ist es ein Zeichen der Verbundenheit.
    Noch ernster ist die Situation bei den von der Kirche angestellten Hilfskräften im Gesundheitswesen. Die haben seit November 2011 kein Gehalt mehr bekommen. Und keiner von ihnen wagt es, etwas zu unternehmen. Sie sagen sich wohl: Wenn ich aufmucke, werde ich meinen Arbeitsplatz verlieren. Dann habe ich gar keine Chance mehr, das ausstehende Geld zu erhalten. Also weiterarbeiten. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
    Dazwischen sitzen wir Europäer täglich am gut gedeckten Tisch. Natürlich spüren wir den Impuls, ihnen helfen zu sollen. Aber wie soll das gehen? Punktuell können wir diesem und jenem etwas zukommen lassen. Doch das Gehaltsproblem als solches ist struktureller Art. Das zu lösen steht in der Verantwortung der Kirche für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

    2012/11/14

    Mit Energie bauen wir die Zukunft

    Gerade erhielten wir eine E-Mail von der Sicherheitsbeauftragten der deutschen Botschaft in Maputo. In einem Anhang zu dieser Mail informiert der einzige, staatliche Energieversorger EDM über eine bevorstehende Stromabschaltung:
    EDM informiert seine geschätzten Kunden und die Öffentlichkeit im allgemeinen, dass von Sonnabend, 17.11.2012, 22 Uhr bis Sonntag, 18.11.2012, 18 Uhr im gesamten Süden des Landes der Strom abgeschalten wird.
    Diese Abschaltung erfolgt wegen der probeweisen Inbetriebnahme von Transformatoren in der Unterverteilungsstation MOTRACO in der Provinz Maputo. Ziel dieser probeweisen Inbetriebnahme ist die Verbesserung der Netzqualität.
    Da die Leitungen jederzeit kurzzeitig unter Strom stehen können, sind sie trotz der Abschaltung als ständig stromführend zu betrachten.
    EDM appelliert an das Verständnis seiner Kunden und der allgemeinen Öffentlichkeit und bittet ernstlich, die Störungen zu entschuldigen, die durch die Stromabschaltung hervorgerufen werden.
    Maputo, 14. November 2012  -- mit Energie bauen wir die Zukunft --
    Man muss sich das vorstellen, der gesamte Süden des Landes! Da nicht genau beschrieben wird, welche Provinzen die Abschaltung umfasst, können wir nicht genau sagen, um welches Gebiet es sich handelt. Offenbar geht es zumindest um die Provinzen Maputo, einschließlich der Hauptstadt, sowie Gaza und Inhambane. Von der südlichen Grenze Mosambiks bis an die nördliche Grenze der Inhambane-Provinz sind es immerhin etwa 800km. 

    Bemerkenswert ist, dass EDM seine Kunden und die allgemeine Öffentlichkeit überhaupt informiert. Das ist ein Fortschritt, auch wenn uns die Nachricht nicht direkt, sondern über die Botschaft erreicht. Die wiederum gibt die Nachricht aus Sicherheitsgründen weiter:
    Längere Stromausfälle über Nacht können zu einem Anstieg der Kriminalität führen. Ich rate daher noch mehr als sonst davon ab, in der Nacht von Samstag auf Sonntag zu Fuß unterwegs zu sein. Bitte halten Sie Ihr Wachpersonal außerdem zu erhöhter Wachsamkeit an und achten Sie darauf, dass Ihre Häuser und Wohnungen gesichert sind.
    Das gilt natürlich hauptsächlich für die großen Städte. Bei uns in Cambine wird es am kommenden Wochenende voraussichtlich nur wenig dunkler sein als sonst auch. Mit Wasser werden wir uns bevorraten und den Kühlschrank nur öffnen, wenn unbedingt nötig. Licht werden wir trotzdem haben. Dafür nutzen wir Solarenergie.

    aktueller Kommentar dazu:
    http://nachrichten.t-online.de/stromausfall-in-muenchen-legt-grosse-teile-der-stadt-lahm/id_60922738/index

    2012/11/10

    "Heim"kehr

    Das war die Überschrift einer E-Mail, die in der vergangenen Woche bei uns ankam. Ja, wir sind wieder einmal von daheim nach Hause zurückgekehrt. Nach reichlich acht Wochen, die wir in Europa unterwegs waren, sind wir nun schon wieder eine ganze Woche in Cambine. Die Reise verlief ohne Zwischenfälle und gefährliche Situationen. Dafür sind wir jedesmal von Neuem dankbar. Wir reisen oft und gerne, wer uns kennt, weiß das. Und doch ist es auch für uns nicht selbstverständlich, dass wir jedesmal heil ankommen.
    Die ersten Tage in Mosambik haben wir hauptsächlich damit zugebracht, Liegengebliebenes aufzuarbeiten. Das gilt vor allem für die Buchhaltung im Waisenhaus. Drei Monate nachbuchen, das ist schon eine Herausforderung, auch wenn Direktorin Maravilha gut vorgearbeitet hat. Und weil es jetzt auf den Jahreswechsel zugeht, gilt es auch den Haushalt für 2013 vorzubereiten. Mit alldem sind wir zwar noch nicht fertig, aber wenigstens sind wir ein gutes Stück vorangekommen.
    Im Theologischen Seminar ging gestern die Prüfungszeit zu Ende. Meine Fächer wurden dieses Jahr schn früher abgeprüft. Eine Woche im November ist noch für die Wiederholungsprüfungen bestimmt, dann gibt es den nächsten Unterricht erst nächstes Jahr Anfang Februar. Offiziell sind bis dahin Ferien. Allerdings heißt das nicht, das alles Freizeit wäre. Mehr darüber zu gegebener Zeit.
    Den heutigen Tag habe ich einmal mehr am Computer zugebracht - mit mäßigem Erfolg. Immerhin habe ich mir Zugang zum Netz verschaffen können. Für den Rest werde ich mir Hilfe erbitten müssen.
    Heute morgen waren wir gleichmal als Krankentransport im Einsatz. Arlindo, der Vierjährige aus dem Waisenhaus, hatte sich einen ansehnlichen Maniokschnitz tief ins Nasenloch geschoben. Alle Versuche, ihn wieder rauszubekommen, schlugen fehl. Also ab ins Krankenhaus. Da ging es dann ganz schnell. Und nun ist wieder in alter Frische unterwegs.
    Morgen wartet wieder ein laaanger Gottesdienst auf uns: Distriktskonferenz in Morrumbene. Wie auch immer, wir werden dabei sein und die große versammelte Gemeinde von den Schwestern und Brüdern in Europa grüßen.
    Ihr seht, unser afrikanischer Alltag hat uns wieder. So ist das eben, wenn man mehr als ein Zuhause hat.

    Arzgebirg, wie bist du schie... aber trotzdem kann ich
    glücklich nicht allein in Sachsen sein.
       

    2012/09/30

    Zu Gast in Schweden

    Gemeindebesuche in Schweden? Ja, daran lag uns sehr. Unser Dorf Cambine wäre nicht, was es ist, ohne das langjährige Engagement der methodistischen Kirche in Schweden. Immer wieder trafen wir in Gemeinden auf Menschen, die einst in Cambine als Missionare arbeiteten oder als deren Kinder dort aufwuchsen. Man zeigte uns Fotografien aus den 60er Jahren. Auf ihnen ist ein gutes Dutzend von weißen Kindern und Jugendlichen zu sehen. Sie alle lebten damals gemeinsam mit ihren Missionars-Eltern in Cambine.

    In Stockholm trafen wir Ann-Marie und Rune Korswing,
    schwedische Pioniermissionare in Mosambik (1959-75)

    Die enge Beziehung vieler schwedischer EmK-Gemeinden zur Partnerkirche in Mosambik hat darin ihren Grund. Diese Beziehung zu pflegen ist unser Anliegen, denn die methodistische Kirche in Schweden befindet sich in einem tief greifenden Umbruch. Man könnte auch von einer Spaltung sprechen. Bisher war die methodistische Kirche in Schweden Teil der weltweiten United Methodist Church, die im deutschen Sprachbereich offiziell Evangelisch-methodistische Kirche heißt. Nun ist die EmK in Schweden gemeinsam mit der baptistischen und der Missionskirche Teil einer neu gegründeten Kirche, die  „Gemensam Framtid“ heißt: Gemeinsame Zukunft.


    Gemensam Framtid - Ist das ein Kirchenname? Für mich ist es vor allem Ausdruck der verwegenen Hoffnung, dass sich aus der Verschmelzung von drei sehr unterschiedlich geprägten mehr oder minder kleinen Kirchen eine gemeinsame Zukunft für alle drei eröffnen werde. Ob das gelingt? Man kann es nur hoffen. Etwa ein Drittel der schwedischen EmK-Gemeinden und Pastoren teilen diese Hoffnung nicht. Sie haben sich entschieden, künftig nicht zur neuen Kirche zu gehören und werden sich wohl der schwedischsprachigen EmK in Finnland anschließen. Bei unserem Besuch geht es uns vor allem darum, allen zu danken, die sich auf vielfältige Weise der Arbeit in Cambine und Mosambik verbunden wissen. Und zugleich liegt uns daran, die engagierten Gemeinden und Kirchenglieder zu ermutigen, in ihrem Einsatz nicht nachzulassen, ganz gleich ob sie künftig zur „Gemeinsamen Zukunft“ oder weiter zur EmK gehören wollen. Die EmK in Mosambik jedenfalls und speziell wir im Waisenhaus Cambine sind nach wie vor sehr auf diese Partnerschaft angewiesen.

    In Eksjö, z.B., einer Kleinstadt in Smaland, liegen die Kirchgebäude der EmK und...



    der Missionskirche an zwei gegenüberliegenden Ecken derselben Kreuzung.

    Urlaub und Reisedienst - schon vier Wochen unterwegs in Europa

    Nun sind wir schon einen ganzen Monat in Europa unterwegs. Knapp fünf weitere Wochen liegen noch vor uns. In Emails, die uns aus Mosambik erreichen, wünscht man uns immer wieder einen schönen Urlaub. Dass wir hier im reichen Teil der Welt nicht nur Urlaubszeit verbringen, sehen unsere mosambikanischen Freunde anscheinend nicht. Wie sollten sie auch? Für viele von ihnen bleibt das, was wir derzeit erleben, einfach nur ein Traum: zwei Monate reisen durchs gelobte Land. Dass auch das nicht nur Lust und Freude bedeutet, ist ihnen kaum zu vermitteln. Auch wir hätten einst vieles in Kauf genommen, nur um einmal außerhalb unseres halbierten Ländchens unterwegs zu sein.

    Ja, wir haben auch schöne Ferientage erlebt: zuerst im Kreise der Familie danach gemeinsam mit einer Rüstzeitgruppe. Opi Karl, Thomas' Vater, konnte am 5. September bei insgesamt guter Gesundheit seinen 80. Geburtstag feiern. Viele kamen, um zu gratulieren und sich mit zu freuen.  Von seinen Geschwistern ist Opi Karl der letzte Überlebende. Es war schon bewegend mitzuerleben, wie der Jubilar in einer kurzen Rede die versammelten Gäste ansprach. Im Rückblick erscheinen einem auch acht Lebensjahrzehnte als eine gar nicht so lange Zeit.


    Der Jubilar mit dem Überraschungsgast, dem Bandonionspieler Dieter Seidel
    aus Carlsfeld/Erzgebirge
     
    Wenige Tage vorher feierten wir gemeinsam mit Claudias Clan Jakobs Schulanfang. So konnten wir wieder einmal in unserer ehemaligen Wohnung in Klosterlausnitz zu Gast sein. Auch wir selber werden älter. Das wurde uns z.B. daran bewusst, dass Jakob bei Frau Meier Lesen, Schreiben und Rechnen lernen wird, derselben Lehrerin, mit der einst Marei ihre Schulzeit begann. Die ist inzwischen 23 Jahre alt und wird uns aller Voraussicht nach Ende November zu Großeltern machen.

    Jakob, der ABC-Schütze

    Gemeinsam mit ihr und einigen anderen lieben Menschen erlebten wir Mitte September eine gute Woche in Kloster auf Hiddensee. Schön, dass es die Rüstzeit „Reif für die Insel“ immer noch gibt. Vor Jahren hatten sie Roland Fritzsch aus Crottendorf und Thomas gemeinsam begonnen. Auch wenn wir auf der Insel den Abschied vom Sommer und den Einzug des Herbstes erlebten, tat das dem gemeinsamen Erleben keinen Abbruch.


    Hiddensee, wie wir es lieben

    Es war einfach gut, zur Ruhe zu kommen und Körper und Geist vom Ostseewind einmal richtig durchlüften zu lassen, zumal wir das in einer fröhlichen und zugleich geistlichen Atmosphäre gemeinsam mit lieben Menschen erleben konnten. Für uns bleibt Hiddensee die schönste Insel Deutschlands, auch wenn wir das eigentlich gar nicht beurteilen können, weil wir die meisten anderen ja gar nicht kennen.


    Hiddensee, wie wir es auch lieben

     Den Rest der Zeit verbrachten wir mit Gemeindebesuchen. Sie führten uns ins Erzgebirge und ins Lippische Land. Im Moment sitzen wir im Zug von Östersund in Mittelschweden zurück nach Stockholm. Danach werden wir im Raum Bremen zu Gast sein und zum Schluss nochmal in Sachsen und Thüringen.

    In Detmold beim Besuch einer Ausstellung mit Bildern
    der Schwestern Nelly und Nelsa Guambe aus Chicuque/Mosambik

    2012/08/14

    Nochmal: Wessen Kinder sind es?

    Man könnte es als unfreiwilligen Kommentar zum letzten Blogeintrag verstehen, was gestern früh im Waisenhaus passierte: Zwei Geschwister sind verschwunden, 12, 13 Jahre alt. Was ist geschehen?
    Wie immer begannen die beiden, Bruder und Schwester, den Tag gemeinsam mit allen anderen. Als sie zur Schule gehen sollten, waren sie nicht mehr auffindbar. Ein Bauarbeiter, der im Waisenhaus arbeitet, sagte später, er habe auf dem Chapa-Taxi einen fremden Mann mit zwei Kindern gesehen. Als das Taxi zufälligerweise vor dem Waisenhaus hielt, habe der Mann den Fahrer zur Eile getrieben: Hier könne er keinesfalls halten. Er müsse auf schnellstem Weg nach Morrumbene und dann weiter nach Beira!

    Ein typisches Chapa-Taxi, etwa halb gefüllt mit Schülerinnen und Schülern aus Cambine

    Weitere Nachforschungen ergaben, dass jener Fremde bereits in der vergangenen Woche in Cambine aufgetaucht war. Er habe mit den Kindern auch schon gesprochen gehabt, wohl in der Schule oder auf dem Weg dorthin. Wir vermuten stark, dass es sich bei jenem Mann um den Vater der Geschwister handelt. Er war kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden. Wenig später hat er beim Jugendamt versucht, das Sorgerecht für seine Kinder zu bekommen. Das wurde abgelehnt, weil er weder eine feste Wohnung noch irgendein Einkommen nachweisen konnte. Nun hat er möglicherweise die Beiden illegal zu sich geholt.
    Noch am selben Vormittag hat Direktorin Maravilha das Jugendamt und die Polizei informiert. Die haben heute den Chapa-Fahrer verhört – und in Gewahrsam genommen. Unser Kollege Chico hatte ihn gebeten, als Zeuge auszusagen. Wir wissen es nicht, aber vieles deutet darauf hin, dass der Fahrer nur einfach seine Arbeit machte und nicht in die Entführung verwickelt ist. Menschen von Cambine an die Hauptstraße bringen, damit verdient er sein täglich Brot. Trotzdem sitzt er erst mal im Knast. 
    Und jener Fremde ist auf und davon - mit den beiden Kindern. Was wird er mit ihnen vorhaben? Will er sie wirklich nur bei sich haben? Wir sind sehr besorgt um die beiden. 
    Nein, die Kinder im Waisenhaus sind nicht unser Eigentum. Aber genau so wenig gehören sie jemand anderem, selbst wenn es der biologische Vater sein sollte. Auch er darf nicht einfach über sie verfügen!

    2012/08/12

    Eure Kinder sind nicht eure Kinder

    Wie oft musste ich in den vergangenen Jahren an diese Worte des Dichters Khalil Gibran denken? Sie begleiten mich schon lange. Wir haben sie auf der Geburtsanzeige unseres ersten Sohnes zitiert. Das war vor über dreißig Jahren. - „Unser“ erster Sohn? Ja, wir haben viel gemeinsam erlebt. Wir haben uns auseinandergesetzt und zusammengerauft. So sind wir zu dem geworden, was wir heute sind: er unser Sohn und wir seine Eltern. Und das ist vielmehr als nur eine rein biologische Gegebenheit. Inzwischen geht er schon lange seine eigenen Wege. Gerade vorhin erhielt ich eine SMS von ihm – aus dem Nepal, wo er ein Praktikum absolviert. Vielleicht ist es gerade dieses vertrauensvolle Loslassen, dieses „auf-eigene-Wege-Entlassen“, das uns nachhaltiger als alles andere miteinander verbindet – auch wenn wir einander längst nicht immer verstehen oder gegenseitig gutheißen, was wir tun.

    Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Wie oft musste ich in den vergangenen Tagen an diese Worte denken? Vierundsechzig Kinder und Jugendliche leben derzeit im Waisenhaus Cambine und keines von ihnen ist unser Kind. Irgendwie sind sie es aber doch. Alle. Sie sind uns anvertraut. Wir sind dafür verantwortlich, dass sie bekommen, was sie zum Heranwachsen brauchen. Und doch: Nicht alle von ihnen sind Vollwaisen. Gerade von den Jüngeren, die lange nach Kriegsende 1992 ins Waisenhaus kamen, haben viele Angehörige. Vielfältig sind die Gründe, aus denen die Kinder trotzdem ins Waisenhaus kommen. Nicht alle sind stichhaltig. Deshalb prüft die Sozialbehörde in Abständen, welche Kinder mit ihrer Familie „wiedervereinigt“ werden können. Sechs Kinder und Jugendliche haben im letzten Jahr auf diese Weise das Waisenhaus verlassen.

    Zum Beispiel das Mädchen G. Es kam als Neugeborenes in Waisenhaus. Die Mutter war bei der Geburt gestorben. Der Vater arbeitete irgendwo in Südafrika und hatte keine Möglichkeit, sich um seine Tochter zu kümmern. Jetzt ist G. zwölf und wurde wiedervereinigt mit „ihrer“ Familie. Ihr Vater ist krank. So kam sie in das Haus ihres Onkels. G. ist in ihrer neuen Situation ganz offenkundig unglücklich. Sie ist nicht mehr das Kind, das wir im Waisenhaus kennenlernten. Was geschieht in dieser Familie? Wir wissen es nicht. Doch die beiden Besuche, die wir vom Waisenhaus begleiten konnten, zeigen uns ein tief verunsichertes Kind. Sie kann uns nicht gerade in die Augen schauen. Mehr als einige genuschelte Worte bekommen wir nicht von ihr hören. Das alles weckt in uns sehr beunruhigende Phantasien. 

    Direktorin Maravilha hat die Sozialbehörde wiederholt auf unsere Beobachtungen aufmerksam gemacht. Dort gibt es eine Verantwortliche für den gesamten Distrikt. Sie hat sich um Waisenkinder genau so zu kümmern wie um kranke und alte Menschen. So ist es bisher offenbar noch immer nicht zu dem unangekündigten Besuch in G.'s Familie gekommen. Freunde und Partner des Waisenhauses, auch wir selber, haben inzwischen an die Bischöfin geschrieben und sie gebeten, sich für G. einzusetzen. Hoffen wir, dass bald etwas Entscheidendes geschieht, das es G. wieder leichter macht, ihren Blick zu heben und uns wieder ins Gesicht zu schauen.

    G. gehört uns nicht. Sie ist nicht unser Kind, zweifellos. Rein rechtlich sind wir als Waisenhaus nicht mehr für ihr Ergehen verantwortlich. Und doch: Wir haben zu viel gemeinsam erlebt. Da zählen nicht nur Paragraphen.



    Von den Kindern

    Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
    Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
    Sie kommen durch Euch aber nicht von euch,
    und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
    Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
    denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
    Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen.
    Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt,
    nicht einmal in euren Träumen.
    Ihr dürft euch bemühen,wie sie zu sein,
    aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
    Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
    Ihr seid die Bogen, von denen Eure Kinder als lebende Pfeile abgeschickt werden.
    Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
    und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
    Lasst Euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
    Denn so wie er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.

    Khalil Gibran (1883 – 1931)
    Der arabische Schriftsteller war maronitischer Christ und lebte viele Jahre in Europa und den USA.